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Diakonie beugt sich nicht von oben herab

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Datum:
Mi. 16. Nov. 2016

Geistlicher Tag der Diakone mit Weihbischof Bentz

Mainz. Die Darstellungen der berühmten Geste der Mantelteilung des heiligen Martin vor den Toren von Amiens haben sich in 1.600 Jahren Kunstgeschichte zum Teil deutlich verändert. „Jede Zeit hat in der Mantelteilung ihre eigenen Signaturen hinterlassen“, erläuterte Weihbischof Dr. Udo Markus Bentz am Samstag, 12. November, bei seinem Impulsvortrag zum Geistlichen Tag der Ständigen Diakone, der im Priesterseminar und in der Seminarkirche stattfand.

Mit dem Streifzug durch die Kunstgeschichte wollte Bentz den Blick auf das wohl berühmteste „Bild der Barmherzigkeit, der Diakonie, der Zuwendung zum Bedürftigen" schärfen. Bentz spannte damit einen Bogen vom Jubiläum „1.700 Jahre St. Martin von Tours" zum Ende des heiligen Jahres der Barmherzigkeit und zum Tag der Diakonie.

In den frühesten Darstellungen aus dem fünften Jahrhundert werde Martin als Mönch und als Bischof gezeigt, die Mantelteilung sei noch kein Motiv. So werde Martin im Mainzer Psalter von 770 und auch später noch als bescheidener Mönchsbischof ohne prächtige Bischofsinsignien dargestellt. „Die Christusähnlichkeit ist für die Heiligenverehrung im fünften und sechsten Jahrhundert ganz zentral", erläuterte der Weihbischof.

Erst ab dem zehnten Jahrhundert rücke die Mantelteilung - die „charité von Amiens" - in den Vordergrund. Sie werde zum bestimmenden Attribut, erläuterte Bentz anhand eines Fuldaer Sakramentars aus dieser Zeit. Martin werde nun mehr und mehr zum Heiligen der Barmherzigkeit. „Die Geste der teilnehmenden Zuwendung zum bedürftigen Menschen wird die restlichen Jahrhunderte hindurch bis zum heutigen Tag zum Erkennungszeichen des heiligen Martin."

Weihbischof Bentz erinnerte daran, dass sich diese Szene in der Biographie Martins ereignete, als er noch nicht getauft war. Sie geschehe also insofern außerhalb der Kirche, dass Martin ein 18-jähriger Soldat war, ein Katechumene, der sich auf die Taufe erst vorbereitete. „Aber er ist von einer solchen Liebe zu Christus beseelt, dass er in dem Armen - ohne in ihm Christus zu sehen - von dessen Leid getroffen ist." Auch die weiteren Umstände sind für Weihbischof Bentz von großer Bedeutung: „Martin achtet nicht auf seinen Stand. Er respektiert auch nicht die besondere Würde des Soldatenmantels." Gegen alles militärische Reglement zerschneidet er diesen Mantel und gibt einen Teil dem Armen und den anderen behält er selbst. Die Umstehenden sind beschämt oder sie lachen, weil sie nicht wissen, was geschieht. Bentz: „Erst im Traum erkennt Martin die Tiefendimension des Geschehens, die Verbindungslinie zwischen dem Armen und Christus selbst." In der Mantelteilung gehe es - wie in den biblischen Heilungswundern - um die Wiederherstellung der ursprünglichen Menschenwürde.

In den frühen Darstellungen, betonte Weihbischof Bentz, befinden sich Martin und der Bettler auf Augenhöhe. Selbst in einem späteren Bild aus Katalonien ist dies der Fall, obwohl Martin jetzt mit Pferd zu sehen ist. Aber er ist kleiner als der Bettler, der vor ihm steht. Auf dem nächsten Bild, einer Holzdecke in Zillis, steht der Bettler Martin ebenbürtig gegenüber.Bentz: „Diakonie beugt sich nicht von oben herab, sie ist ein Akt der Erhöhung, des Aufrichtens, der Achtung und der Wahrung der Würde des Menschen - auch in entwürdigender Lage."