Der Internationale Frauentag am 8. März jährt sich erneut und mit ihm der sogenannte „Equal-pay-day“ – der Tag, der die bestehende geschlechterspezifische Lohnlücke markiert, die laut Statistischem Bundesamt derzeit bei 18% liegt (Stand 7.Marz 2022) liegt
Auch im Jahr 2023 sind wir gesellschaftlich und politisch entfernt von einer umfänglichen Gleichstellung beider Geschlechter. Dass dies so ist, hat auch strukturelle Ursachen, die es anzumahnen und zu verändern gilt. Denn: Geschlechtergerechtigkeit ist keineswegs Nebensächlichkeit oder Animosität. Geschlechtergerechtigkeit ist und bleibt (auch in der Arbeitswelt) eine zentrale Frage der Gerechtigkeit!
Als Betriebsseelsorge im Bistum Mainz weisen wir daher im Netzwerk mit vielen anderen frauenpolitischen Initiativen und gewerkschaftlichen Akteur:innen immer wieder auf die strukturelle Benachteiligung von Frauen in der Arbeitswelt hin.
Eines dieser Netzwerke ist das Südhessische Bündnis „Gemeinsam gegen Altersarmut von Frauen“ mit über 20 Mitgliedseinrichtungen aus der Region, dessen Gründungsmitglied wir als Betriebsseelsorge sind. Im Podiumsgespräch mit südhessischen Mitgliedern des Bundestags der Regierungsparteien (mit Melanie Wegling, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn und Till Mansmann) am 2.2.2023 haben u.a. zwei geschätzte Kolleginnen aus dem Bündnis wichtige Statements zu frauenpolitischen Brennpunktthemen eingebracht, die wir als Betriebsseelsorge inhaltlich teilen und gerne an dieser Stelle noch einmal veröffentlichen.
„Nirgendwo als in Europa ist nach dem Vergleich der 37 OECD-Länder aus dem Jahr 2019 der Gender Pension Gap mit 46 % (49 % WSI – Alterssicherungsbericht der Bundesregierung 2020) höher als in Deutschland.
Dies bedeutet, dass Frauen im Durchschnitt ein um 46 % (49%) niedriges Alterssicherungseinkommen beziehen als Männer, alle 3 Säulen der Alterssicherung zusammengefasst, d.h. gesetzliche Rente bzw. Beamten*innen- versorgung, betriebliche und private Alterssicherung.
Auch bei der gesetzlichen Rente zeigt sich in Deutschland ein geschlechtsspezifisches Bild: Laut deutscher Rentenversicherung beziehen Männer eine durchschnittliche Rente von 1148 € während es bei Frauen lediglich 711 € sind.
Nach Informationen der Tagesschau vom 15.1.23 steuert jede dritte Frau mit einer Vollzeitstelle in Deutschland auch nach 40 Arbeitsjahren auf eine Rente von weniger als 1000 Euro netto zu. Das geht aus einer Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Anfrage der Partei Die Linke hervor.
Von den Frauen in Teilzeitarbeit ist hier noch nicht die Rede, die knapp 50% an der Gesamtbeschäftigungszahl ausmachen.
Um auf eine Monatsrente von 1000 Euro netto zu kommen, müssen Beschäftigte derzeit 40 Jahre lang durchgehend 2844 Euro brutto im Monat verdienen. Für einen Anspruch auf 1200 Euro Rente bräuchten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen 40 Jahre lang einen Bruttomonatslohn von 3413 Euro.
Was das unterm Strich für die Armutsgefährdung von Frauen bedeutet, bedarf hier im Raume keiner weiteren Erläuterung.
Denn die typischen Erwerbsbiografien von Frauen wirken sich direkt auf die Rentenhöhe aus. Zeiten ohne Beschäftigung, sozial ungenügend abgesicherte Jobs, wie unfreiwillig geringe Teilzeit, Minijobs, Scheinselbstständigkeit und Freiberuflichkeit sowie niedriges Entgelt, führen zu geringeren Ansprüchen in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Die Bertelsmann-Stiftung geht davon aus, dass die Lücke zwischen den Renten noch bis zum Jahr 2035 klafft.
Soweit zu den Fakten, die hinlänglich bekannt sind, werben doch sogar Sparkassen und Versicherungen mit diesen Zahlen für ihre privaten Altersvorsorgeprogramme.
Kommen wir nun zu der Politik und den Maßnahmen, die im Koalitionsvertrag der Ampelregierung vereinbart wurde.
Dies sind erfreuliche Ansatzpunkte, wenn gleich wir feststellen müssen, dass es im Abgleich mit den von uns aufgestellten Erfordernissen einige Lücken zu beklagen gilt.
Auch ist festzustellen, dass nicht alle Maßnahmen bis zum Ende durchdacht sind, bzw. durch andere Maßnahmen konterkariert werden.
Ein Problem, das bereits der 2. Gleichstellungsbericht der Bundesregierung thematisiert, nämlich dass in der Frauen -und Gleichstellungspolitik viele Maßnahmen nicht aufeinander abgestimmt sind und die positiven Effekte durch gegenläufige Maßnahmen ausgehebelt werden. Wir werden im Laufe des Abends noch darauf zu sprechen kommen.
Auch fragen wir uns, wie krisenfest die politischen Absichten sind.
Wie inmitten der vielfältigen Krisen, wie wir sie derzeit erleben, eine tragfähige, solidarische und zukunftsorientierte Politik gestaltet werden kann, die die unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten von Frauen und Männern berücksichtigt und bestehenden Ungleichheiten entgegengewirkt.
Unser Anspruch ist es, unsere Bundesregierung dabei kritisch zu begleiten, sie bei vorwärtsweisenden Maßnahmen zu unterstützen, aber auch auf Schwach- und Leerstellen hinzuweisen und für ihre Ausgestaltung zu streiten.“
„Noch nie haben Frauen in Deutschland ein so hohes Bildungsniveau gehabt wie zu Beginn des 21. Jahrhunderts und haben dennoch mehrheitlich weniger Einkommen und Aufstiegsmöglichkeiten wie gleichwertig qualifizierte Männer.
Bereits in den frühen 90iger Jahren startete die Gewerkschaft ÖTV eine Kampagne für die Entgeltgleichheit. Die Debatte darum hält leider bis heute an.
Der Philosoph Oskar Negt beschreibt das Thema Gleichstellung folgendermaßen:
Im Ranking des Gender Pay Gap der EU Mitgliedsstaaten 2020 lag Deutschland an 4. letzter Stelle. Die Entgeltlücke ist nach wie vor eine der höchsten in der Europäischen Union.
Frauen verdienten in der BRD nach wie vor 18% weniger als ihre männlichen Kollegen. Der Stundenlohn von Frauen lag 2022 bei 20,08 €. Der von Männern bei 24,36 € bei gleicher Qualifikation, Tätigkeit und Erwerbsbiographie.
Der erst vor kurzem veröffentliche Hessische Lohnatlas zeigt auf, wie unterschiedlich die Lohnlücken sind. Die geringste Lücke zeigte sich 2021 bei den Fachkräften mit 3,4%. Während sich bei den Expert:innen mit 27,9% die größte Lohnlücke auftat. Auch bei den Helfer:innen und Spezialist:innen waren die Lücken mit 15,7% und 20,5% beträchtlich.
Nimmt der Frauenanteil an einer Berufsgruppe zu, sinkt ihr Entgeltniveau.
In dem im Jahr 2021 erschienen – Dritten Gleichstellungsbericht - wird der Fokus auf
gleichstellungspolitische Standards in der digitalen Lebens- und Arbeitswelt und deren Bedeutung auf den sich zunehmend veränderten Arbeitsmarkt, gerichtet. Die Ungleichheit der Geschlechter könnte im Zuge datenbasierter und automatisierter Arbeitswelt – so die Befürchtung - wieder ansteigen. Sie könnten jedoch auch – so die Empfehlung der Expert:innen bei kluger Regulierung zu einem Abbau von Geschlechterungleichheit führen.
Eine 2022 veröffentliche Studie der Hans Böckler Stiftung der Autorinnen Andrea Jochmann Döll, Christina Klenner und Andrea Scheele belegt, das der Gender Pay Gap auf der systematischen Unterbewertung der Arbeit von Frauen beruht.
In der jährlichen Berechnung des GAP durch das Bundesamt für Statistik werden zur Bewertung von Tätigkeiten ausschließlich: Qualitäts- und Führungsverantwortung – in grober Unterteilung – genutzt. Psychosoziale Anforderungen und alle anderen Formen der Belastung sowie kognitive Fähigkeiten bleiben vollkommen unberücksichtigt.
Ein Abbau der Entgeltungleichheit kann jedoch nur gelingen, wenn alle Faktoren die zu den hohen Entgeltunterschieden zwischen Frauen und Männern führen berücksichtigt werden.
Im Koalitionsvertrag ist im Kapitel VI vereinbart, die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern zu schließen. Wichtige Instrumente hierzu sind das Entgeltgleichheits- und Entgelttransparenzgesetz.
Es bedarf jedoch dringend einer Novellierung der Gesetze da wichtige Bestandteile wie Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen gegen die Gesetze, ein Verbandsklagerecht der Gewerkschaften, ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft und insbesondere eine Verpflichtung zu einem einheitlichen, geschlechtergerechten, verbindlichen und zertifizierten Prüfverfahren zur Prüfung der Entgeltbestandteile bisher fehlen.“
Weitere Infos zu unserer Bündnisarbeit siehe Flyer.pdf oder über Kontakt: ingrid.reidt@bistum-mainz.de