Die Akademie des Bistums Mainz trauert um ihren am 18. Juli 2020 bei einem häuslichen Sturz verstorbenen treuen Referenten, den Inhaber des Lehrstuhls für Moraltheologie an der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg, Prof. Dr. Eberhard Schockenhoff (1953-2020).
Für die Akademie und ihre Hörer bedeutet dieser Tod wahrlich ein großer Verlust, war doch Eberhard Schockenhoff nach Anfragen immer sofort bereit, nach Mainz zu kommen. Er gehörte gewissermaßen zu unserer Akademie. Schockenhoff war mit unserer Arbeit und den dort Wirkenden eng verbunden, ob im Kreise der Juristen, Wirtschaftler oder der Ärzte.
Der Ausnahmetheologe Schockenhoff überzeugte durch seine stringente, ruhige, leise Argumentation, durch seine den Menschen zugewandte Gesprächsbereitschaft und Freundlichkeit, durch ein ungemein breites theologisches und philosophisches Wissen, das von der weiten Tradition unserer Kirche geprägt war. Seine Kritik stammte nicht aus einem diffundierenden, liberalen Zeitgeist, sondern seine kritische Stimme basierte auf der Theologie des Thomas von Aquin, den er in seiner Promotion zum Thema: „Bonum hominis. Die anthropologischen und theologischen Grundlagen der Tugendethik des Thomas Aquin“ im Mainzer Grünewald-Verlag 1987 behandelte und besonders auch von Origenes, dem überragenden Kirchenvater, den er in seiner Habilitation unter dem Titel: „Zum Fest der Freiheit. Theologie des christlichen Handelns bei Origenes“ 1990 im gleichen Verlag publizierte. Dabei arbeitete Schockenhoff aus dem Kraftfeld der Universität Tübingen bei Alfons Auer, seinem Dokotorvater, bei Peter Henrici in Rom und wiederum in Tübingen bei Walter Kardinal Kasper, der ihn habilitierte. Alle gehören und gehörten auch zu wichtigen Partnern und Freunden unserer Akademie.
War Schockenhoff in Mainz, traf er stets mit seinem Freund, Kardinal Lehmann, zusammen; hier wurden wichtige Ideen geboren, die Theologie und Kirche auf einen guten Reformweg stellten. Weit über den Bereich der theologischen Ethik hinaus war Eberhard Schockenhoff ein Gesprächspartner in allen theologischen sowie gesellschaftlich relevanten Disziplinen. Er schrieb in unserem Buch „Einladung ins Heilige. Guardini neu gelesen“ zum Thema: „Die fordernde Macht des Guten. Romano Guardini über den Ursprung der Moral“ (2009) und gestaltete in Mainz unzählige Akademietagungen und Diskussionen.
Mit Eberhard Schockenhoff verliere ich persönlich einen guten und treuen Freund, der meine Habilitation zu Maurice Blondel mit großem Interesse begleitet hat und mich in die Freiburger Fakultät als apl. Professor aufnahm. Wir unterhielten rege persönliche Kontakte. In vielen Gesprächen konnte ich an seinem wissenschaftlichen Œuvre partizipieren. Der rege Austausch zu Themen der Fundamental- und Lebensethik, zu allen Themen aus Theologie und Philosophie war für mich unverzichtbar. Eberhard Schockenhoff hat den fruchtbaren Geist Maurice Blondels in seine Theologie eingebrannt. Persönlich bin ich ihm sehr dankbar für jede Stunde der Gemeinsamkeit, für seine Freundschaft und alle in der Akademie werden ihn nicht vergessen.
________________
Am Freitag (24.07.) um 16.00 Uhr wird ihm mit einem feierlichen Requiem im Freiburger Münster gedacht.
Das Requiem wird als Livestream im Internet auf www.ebfr.de/livestream sowie auf www.facebook.com/erzdioezese.freiburg und www.youtube.com/user/erzbistumfreiburg übertragen. Da das Platzkontingent im Freiburger Münster aufgrund der derzeitigen Corona-Einschränkungen begrenzt ist, wird empfohlen, dem Requiem online beizuwohnen.
________________
Die einzelnen Stationen seines Wirkens beschreibt der Nachruf des Dekans der Freiburger Theologischen Fakultät, Prof. Dr. Ferdinand R. Prostmeier, den wir unserer kleinen Würdigung anhängen:
„Die Fakultät nimmt Abschied von Eberhard Schockenhoff
Nachruf zum Tod von Prof. Dr. theol. Eberhard Schockenhoff
Mit großer Bestürzung muss die Fakultät hinnehmen, dass eines ihrer renommiertesten Mitglieder, Eberhard Schockenhoff, am 18. Juli 2020 völlig unerwartet in den Tod gerissen wurde. Seit 1994 vertrat er die Professur für Moraltheologie an der Theologischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, nachdem er zuvor über vier Jahre die Professur für Moraltheologie an der Universität Regensburg bekleidet hatte. Seine Studien hatte er in Tübingen und Rom absolviert. In Rom wurde er zum Priester geweiht.
Eberhard Schockenhoff war ungeheuer produktiv. Sein Œuvre umfasst beinahe zwanzig Monographien, die zu Standardwerken des Fachs wurden und durch Übersetzungen internationale Beachtung fanden, sowie unzählige Aufsätze. Mit seinen Forschungen griff er nicht nur in Grundlagenfragen seines Fachs, sondern immer wieder auch in hochaktuelle ethische Debatten ein. Er war einer der Theologen, dessen Stimme in bioethischen Problemzusammenhängen oder aber auch in Fragen des selbstbestimmten Sterbens weit über die Fachgrenzen hinaus gehört wurde. So war er von 2001–2008 zunächst Mitglied und stellvertretender Vorsitzender des Nationalen und bis 2016 dann des Deutschen Ethikrates. Schockenhoff war Ethiker, aber er war immer auch sichtbar an genuin theologischen Fragen interessiert. Theologische Entwicklungen in den Fächern jenseits der Moraltheologie beobachtete er genau und durchdachte sie für sein Fach. Immer entschiedener arbeitete er in den letzten Jahren heraus, dass eine Theologie im 21. Jahrhundert nur eine Theologie der Freiheit – und das bedeutete für ihn auch: eine menschennahe Theologie – sein kann. So verwundert es nicht, dass er sich in politische Debatten um die Kirche der Zukunft energisch einmischte.
Neben seiner Forschungs- und intensiven Lehrtätigkeit – unzählige Abschlussarbeiten und wissenschaftliche Qualifikationsschriften sind unter seiner Betreuung verfasst worden – ist Eberhard Schockenhoff immer auch Priester geblieben. Es war ihm sehr wichtig, neben seiner universitären Tätigkeit als Professor seines Faches und als öffentlicher Intellektueller immer auch ein Seelsorger zu sein, der Menschen begleitet. Im pfarrlichen Leben in seiner Wohnortseelsorgeeinheit Batzenberg – Obere Möhlin war er fest eingebunden; seine Tätigkeit als Präfekt der Universitätskirche war ihm ein großes Anliegen. In einem Interview mit der „Zeit“ hat Eberhard Schockenhoff vor wenigen Jahren einmal seine tiefe Überzeugung bekundet, dass das Leben in Gott seine Vollendung finde, ohne sich näher ausmalen zu wollen, was das konkret bedeute. An dieser Hoffnung hat er unzählige Menschen teilhaben lassen.
Die Fakultät wird Eberhard Schockenhoff schmerzlich vermissen. Sie ist ihm zu tiefem Dank verpflichtet. Nachhaltig hat er sie in den letzten Jahrzehnten nach innen geprägt und nach außen sichtbar gemacht. Wir werden seiner im Gebet gedenken.
Prof. Dr. Ferdinand R. Prostmeier, Dekan“
___________________
In Trauer verbleiben wir
Ihre
Peter Reifenberg und Team
_____________________________