Ehe die Berge geboren - Ps. 90

Fastentuch-Bild-Worms-Kacheln-1 (c) Eva Schalk
Fastentuch-Bild-Worms-Kacheln-1
Datum:
Mi. 1. März 2023
Von:
Matthias Kirsch

O Herr, du warst uns Wohnung von Geschlecht zu Geschlecht.

Ehe geboren wurden die Berge, / ehe du unter Wehen hervorbrachtest Erde und Erdkreis, bist du Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Ich weiß nicht, ob Sie schon mal am Lago Majore oder direkt in den Alpen waren. Der Anblick des Felsmassivs ist beeindruckend. Bergrücken, die majestätisch für die Ewigkeit bestimmt zu sein scheinen.

Die Alpen entstanden vor 135 Millionen Jahren. Ich bin Anfang 60.

Erde ist vor 4,5 Milliarden Jahren entstanden. Ich bin Anfang 60.

Vor dem Alpenmassiv mit 4.000m kommt man sich mit 1,60m recht schäbig klein vor,

Zum Mond sind es 384.000km, zur Sonne 150 Millionen km.

Lichtjahre: In dieser Einheit ist der Mond eine Lichtsekunde entfernt. Die Sonne 8 Lichtminuten. Auch das reicht nicht. Man rechnet dann in Astronomischen Einheiten (AE). Gigantische Ausmaße für mein kleines Ich von 1,60m.

 

Nicht erst ich staune über diese Dinge. Der Psalmist und wahrscheinlich schon der steinzeitliche Ötzi wurden in dieses Staunen versetzt beim Betrachten und Nachdenken über die Welt in der wir wie selbstverständlich leben. 

Nach dem Psalmisten ist Welt und Universum nicht einfach entstanden oder geworden, sondern er sagt: Ehe die Berge geboren – er spricht von Wehen der Entstehung des Weltalls. Für den Psalmist ist dieses Entstehen und Werden nicht irgendein Zufallsprodukt aus einem Urstoff, aus Strahlungen oder Energie. Es ist ein Geboren werden --- aus wem oder was? Geboren aus Gott heraus. Aus einem Gott, der alles umfasst und in dem alles Bestand hat.

Doch was oder wer ist dieser Gott? Habe ich eine Vorstellung von einem Gott, der jede Entfernung und Größe des Weltalls übersteigt? Dabei ist es einem kaum möglich die Größe und Zeiträume nur unseres Sonnensystems erahnen.

Dieser Gott ist uns ein Rätsel, er kann von uns nicht bestimmt oder festgelegt werden. Er ist insofern etwas - und ist doch Person und personal, als dass er uns personal begegnet. Er ist … einfach: er ist… er ist derjenige, als der er uns begegnet. So rätselhaft wie dieses Tuch im Altarraum, dessen Strukturen und Aussagen zunächst nur zu erahnen sind, ist Gott uns rätselhaft.

Erste Zeile des Ps. 90 findet sich in einer Übersetzung von Marin Buber auf dem Tuch wieder: Mein Herr, Du bist … Das ist eine erste Aussage. Gott ist… Er ist nicht ein Hirngespinst, er ist nicht das Nichts. Gott, Du bist

Sodann heißt es im EÜ „Du warst uns Wohnung“ – Buber „Du Hag uns gewesen“ Du Umrandung, du Gehege, Du Umfriedung innerhalb der wir überhaupt Lebensraum haben.

Vielleicht deutet sich das auf dem Fastentuch an. Nach Aussage der Künstlerin beschäftigt sich die erste Reihe der Kacheln von oben mit der Schöpfung.

Die linke Kachel enthält einen kleinen schwarzen Punkt und einen wesentlich größeren schwarzen Fleck. Möglicherweise ist der kleine Punkt der Ausgangspunkt, der erste Moment, der erste Gedanke der Schöpfung aus dem sich die große schwarze Tiefe des Weltalls entwickelte.

Die rechte Kachel der oberen Reihe könnte der Atem Gottes, der Geist Gottes sein, der die Kälte des Weltalls belebt.

Die mittlere Kachel der oberen Reihe zeigt einen Kreis an inmitten einer Wolke. Für mich deutet sich hier der Lebensraum an, innerhalb dem wir existieren können. Ein Lebensraum innerhalb Gottes. In der Präfation zum Hochgebet heißt es: „Denn in dir leben wir, in dir bewegen wir uns und in Dir sind wir.

Das sind jetzt ziemlich abstrakte Gedankengänge, die entweder faszinieren können, oder auch nicht. Gott ist mehr als abstrakte Gedanken, weil er ganz konkret wird. Gott konkretisiert sich in den Erfahrungen und Begegnungen der Menschen. Dafür stehen exemplarisch die 3 Personen des Tuches: David – Abraham mit Isaak – und Jakob. Dort wird er zum personalen DU und zur konkreten Lebenserfahrung im Leben dieser Personen – in meinem Leben.

Was will Gott in meinem Leben? Was für eine Art Gott in meinem Leben ist er denn?  Beim Propheten Jesaja heißt es (Jes. 45, 15): Er bleibt der verborgene Gott, der schemenhafte und rätselhafte Gott. Wie dieses Tuch, das man nicht versteht – und er ist gleichzeitig der rettende und erlösende Gott, der mein Leben, meine Zeit und die Welt in ihre Bestimmung führen will. Er ist der Gott, der mir begegnen will.

Er will Wohnung sein – Wohnraum des Lebens. Er begegnet mir als rettender und Lebensraum schaffender Gott. Er schafft durch sein Wort – Jesus Christus. Er begegnet uns in dem Sohn – Jesus Christus. Er vollendet das Werk seiner Hände – durch Jesus Christus. Dafür steht das A und Ω im Fastentuch.