Nachruf Brygida Czekanowska

Brygida Czekanowska (c) Stephanie Roth
Brygida Czekanowska
Datum:
Mo. 1. März 2021
Von:
Alois Bauer, Stephanie Roth, Katja Steiner

Mit großer Trauer haben wir erfahren, dass die polnische Zeitzeugin Brygida Czekanowska am 17. Januar 2021 in ihrer Heimatstadt Gdansk (Danzig) im Alter von 92 Jahren verstorben ist. In den Jahren 2001 bis 2015 kam sie zu zahlreichen Schulbesuchen in das Bistum Mainz. Nach 2015 war ihr aus gesundheitlichen Gründen kein Besuch mehr möglich.

 

Brygida Czekanowska im Gespräch (c) Stephanie Roth
Brygida Czekanowska im Gespräch

Brygida Czekanowska wurde am 29. August 1928 in Danzig geboren. Dort erlebte sie zunächst eine unbeschwerte Kindheit. Sie ging in die deutsche Grundschule und begann das Gymnasium. Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen 1939 wurde die Familie allerdings in das „Generalgouvernement“ ausgewiesen, da sie sich weigerte, die sog. „Volksliste“ zu unterschreiben. Die Familie kam nach Warschau und lebte unter sehr bescheidenen Verhältnissen. Während des Warschauer Aufstandes (Beginn am 01. August 1944) wurde Frau Czekanowska von der Straße weg verhaftet und zusammen mit ihrer Mutter in das Konzentrationslager Ravensbrück deportiert. 

„Ich war Pfadfinderin. Als der Aufstand begann, wurden alle Einwohner aus den Häusern herausgetrieben - Frauen, Mädchen und Männer wurden getrennt, in ein Übergangslager getrieben, es waren nur Hallen. Ich hatte Glück und blieb mit meiner Mutter zusammen. Zwei Tage fuhren wir im Viehwaggon - wohin? Was ist mit uns und was wird werden?  Erst kamen wir nach Buchenwald, dort war kein Platz. Dann nach Bergen-Belsen, auch dort kein Platz für uns. Die Nazis wussten nicht, was sie mit uns machen sollten. In Bergen-Belsen lebten wir unter einem großen Zelt, hatten nichts zu essen, nur das, was wir noch von zuhause mit hatten. Es gab nur einen Wasserhahn. Dies dauerte zwei Wochen lang. Nach dieser Zeit wurden wir wieder in Viehwagen getrieben und landeten in Ravensbrück. Dort war ich nur sehr kurz: drei Wochen in Quarantäne, eine ärztliche Prüfung, ich musste mich nackt ausziehen, SS-Ärzte im weißen Kittel sahen uns in den Mund - das war die ganze Prüfung. Mein Glück war: ich konnte Deutsch, denn als kleines Kind lebte ich in Danzig und Sopot. Ich kam in den Rüstungsbetrieb Kleinlinden in Klein-Machnow bei Berlin. Es waren große Hallen, eine davon mit elektrischem Stacheldraht umzäunt. Unter einer Halle war ein Raum: unsere „Stube“. Wir mussten zwölf Stunden arbeiten und hatten zwölf Stunden ‚frei’, lebten in der „Stube“. Anfang April wurden wir evakuiert nach Sachsenhausen, dann auf den Todesmarsch geschickt. Am 9.5.45 wurde ich im Müritz-Gebiet von der amerikanischen Armee befreit.“ In vielen Gesprächen mit Jugendlichen und Erwachsenen schilderte Frau Czekanowska eindringlich und konzentriert ihr Schicksal, sie erzählte von Todesangst und unmenschlicher Schikane, aber auch anrührenden Gesten der Solidarität von Häftlingen untereinander. Und sie betonte immer wieder, dass sie keinen Hass gegenüber Deutschen empfinde. Lange war es ihr nach dem Krieg nicht möglich, über das zu sprechen, was an Schlimmem passiert ist. Ihr habe sehr geholfen, dass sie studieren und arbeiten konnte. Erst ab dem Jahr 2000, als sie Kontakt zum Maximilian-Kolbe-Werk bekam, konnte sie regelmäßig über die Zeit der deutschen Besatzung berichten. So kam sie auch 2001 mit der ersten Gruppe polnischer Zeitzeugen in das Bistum Mainz. Das Weitergeben ihrer Erfahrungen an die junge Generation sei wichtig, so Frau Czekanowska, „damit nie wieder so etwas in die Köpfe kommt.“ 2015 kam Frau Czekanowska zum letzten Mal nach Mainz, gesundheitlich schon stark beeinträchtigt. Ihre Tochter, die in Kanada lebt, begleitete sie. Wir sind sehr dankbar, Brygida Czekanowska über viele Jahre begegnet zu sein. Wir werden ihr ein ehrendes Andenken bewahren. Unser Mitgefühl gilt Ihrer Familie.

Hintergrund:

Frauen-KZ Ravensbrück

Das KZ Ravensbrück war ein Konzentrationslager in Brandenburg. Es befand sich in der Nähe der kleinen Stadt Fürstenberg an der Havel rund 100 km nördlich von Berlin, und gilt als das größte Frauenkonzentrationslager des Deutschen Reichs. 

Noch Im Laufe des Jahres 1944 kamen Tausende Gefangene aus evakuierten Haftstätten im besetzten Frankreich und den geräumten KZ aus dem Osten des Deutschen Reichs, z. B. aus dem KZ Majdanek. Im September 1944 waren die Baracken derart überfüllt, dass die Kommandantur zur Unterbringung der Gefangenen Zelte im Lager aufstellen ließ. Viele der darin untergebrachten Frauen und Kinder überlebten den Winter 1944/1945 nicht. Nach der Niederschlagung des Warschauer Aufstands verschlimmerte sich die Situation dramatisch, als im Oktober 12.000 polnische und jüdische Frauen und Kinder nach Ravensbrück deportiert wurden. Es wurden 1944 insgesamt 70.000 Ravensbrücker Häftlinge in andere Lager zur Zwangsarbeit abgegeben, so zu Heinkel nach Rostock, zu Siemens nach Zwodau und über 10.000 Polinnen und Jüdinnen nach Auschwitz-Birkenau.

Mitte Januar 1945 waren in Ravensbrück mit seinen Außenlagern fast 46.100 weibliche und über 7.800 männliche Häftlinge registriert. Anfang Februar erhöhte sich die Zahl um 11.000 Häftlinge aus anderen, geräumten KZ und Außenlagern. Im Februar 1945 wurden in Ravensbrück ein Richtplatz sowie eine provisorische Gaskammer errichtet, in der bis Ende März 2.300 bis 2.400 Opfer getötet wurden.

In der Zeit vom 5. April bis 26. April 1945 gelang es dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz und dem Schwedischen Roten Kreuz unter Folke Bernadotte, 7.500 Frauen aus Ravensbrück in die Schweiz und nach Schweden zu evakuieren. Da sich die Front im April 1945 dem Lager immer mehr näherte, wurde das KZ Ravensbrück ab dem 27. April schließlich von der SS geräumt und die Insassen auf einen Todesmarsch getrieben. Zurück blieben lediglich schwerkranke Häftlinge: 2.000 Frauen und 300 Männer sowie Häftlingspflegepersonal, insgesamt rund 3000 Personen. Am 30. April 1945 erreichten sowjetische Truppen Fürstenberg und befreiten auch die verbliebenen Insassen des KZ Ravensbrück. Die Häftlinge auf dem Todesmarsch wurden bis zum 3. Mai 1945 von sowjetischen Einheiten eingeholt und ebenfalls befreit. An den Folgen der KZ-Haft starben in folgenden Wochen und Monaten aber noch zahllose ehemalige Häftlinge.