Zeitzeugenbesuch in Höchst im Odenwald

Jugendliche sprechen mit KZ- und Ghetto-Überlebenden

Zeitzeugenbesuch in Höchst im Odenwald (c) Stephanie Roth
Zeitzeugenbesuch in Höchst im Odenwald
Datum:
Do. 28. März 2019
Von:
S. Roth

Vom 17. bis 23. März 2019 waren sechs KZ- und Ghetto-Überlebende aus Polen und Belgien zu Gast im Bistum Mainz. Alodia Witaszek-Napierała, Henriette Kretz, Igancy Golik, Maria Stroińska, Józefa Posch-Kotyrba und Jerzy Jeżewicz, zwischen 81 und 97 Jahren alt, sind Überlebende der Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau, Sachsenhausen, Ravensbrück, des Internierungs- und Arbeitslager Lebrechtsdorf-Potulitz sowie des Ghettos Sambor und des Jugendverwahrlagers Litzmannstadt.

Die Gruppe wurde  durch ein Team junger Dokumentarfilmer aus England begleitet (c) Stephanie Roth
Die Gruppe wurde durch ein Team junger Dokumentarfilmer aus England begleitet

Einige von ihnen kommen seit Jahren ins Bistum Mainz, um SchülerInnen von ihren Erlebnissen während des Krieges zu berichten. Die Gäste waren im Tagungshaus Kloster Höchst untergebracht, einer Jugendbildungsstätte der Evangelischen Kirche in Hessen-Nassau im Odenwald. Begleitet wurden sie von Ehren- und Hauptamtlichen des Bistums Mainz und des Maximilian-Kolbe-Werkes, darunter mehrere Studierende.

 

An den Gesprächen nahmen rund 800 SchülerInnen von 10 Schulen aus der Region Odenwald teil. Sie waren beeindruckt von der Begegnung mit den ZeitzeugInnen, die ihnen mit großer Offenheit und Sympathie begegneten. "Das ist viel besser, als in einem Geschichtsbuch zu lesen - wenn einem jemand das erzählt, der es tatsächlich erlebt hat", so die Rückmeldung vieler SchülerInnen. "Jetzt kann man sich das alles viel besser vorstellen." Auch die LehrerInnen betonen die Wichtigkeit solcher Besuche - solange sie noch möglich sind: "Den SchülerInnen ist durchaus bewusst, dass sie zur letzten Generation gehören, die diese Möglichkeit noch hat."

An den Nachmittagen unternahm das Betreuungsteam mit den Gästen einige Ausflüge in der Region, u.a. in das Hessische Puppen- und Spielzeugmuseum in Hanau. "Erholung, Spaß, die Gespräche untereinander und die Begegnung mit den jungen Leuten aus dem Team sind für unsere Gäste wichtig als Ausgleich zum Erzählen an den Vormittagen", so Alois Bauer, der zusammen mit Katja Steiner und Stephanie Roth die Besuche für das Bistum organisiert. "Unsere Gäste kommen als Zeitzeugen, weil es ihnen ein wichtiges Anliegen ist, zu erinnern und zu mahnen. Sie wollen deutlich machen, wohin die Missachtung von Demokratie, das Ausgrenzen von Menschen und Gewalt gegen Andersdenkende führen kann.  Sie kommen aber auch, weil sie die anderen Zeitzeugen wieder treffen wollen und eine schöne Zeit in Deutschland verleben können."

Eine Besonderheit in dieser Woche war die Begleitung der Gruppe durch ein Team junger Dokumentarfilmer aus England, die als Abschlussarbeit einen Film über einen der Zeitzeugen, Jerzy Jeżewicz aus Lublin/Polen, drehen. Er wurde 1943 als Zweijähriger zusammen mit seinem Bruder in das sog. Jugendverwahrlager Litzmannstadt, einem Konzentrationslager für Kinder und Jugendlich auf dem Gelände des Ghetto Litzmannstadt, verschleppt. Die kaum bekannte Geschichte dieses Konzentrationslagers zu erzählen und Jerzys Geschichte zu bewahren, ist ein Anliegen dieses Filmprojekts.

Der 97-jährige Ignacy Golik, ein Überlebender des Konzentrationslagers Ausschwitz, erzählte am Mittwoch, 20. März, bei der öffentlichen Abendveranstaltung im Kloster Höchst/Odenwald seine bewegende Geschichte vor 120 Zuschauern. Ignacy Golik, Jahrgang 1922, wurde 1941 von der Gestapo verhaftet und nach Auschwitz gebracht. Ende 1944 wurde er von der SS in ein Nebenlager des KZ Ravensbrück verschleppt, wo er beim Flugzeughersteller Heinkel Zwangsarbeit leisten musste. 1964 war Ignacy Golik der erste Zeuge aus dem damaligen „Ostblock“ bei den Frankfurter Auschwitzprozessen.

Diese Veranstaltung im Rahmen der „Internationalen Wochen gegen Rassismus“ wurde mitgetragen von u.a. DGB Odenwaldkreis, Pax Christi, Odenwald gegen Rechts, Katholisches Dekanat Erbach, Evangelisches Dekanat Odenwald.

Organisiert werden die Zeitzeugenbesuche vom Bischöflichen Ordinariat Mainz (Dezernate Jugend und Seelsorge) in enger Kooperation mit dem Maximilian Kolbe-Werk in Freiburg, das seit vielen Jahren Überlebende der Konzentrationslager und Ghettos auf vielfältige Weise unterstützt. Besuche von polnischen Zeitzeuginnen und Zeitzeugen an Schulen im Bistum Mainz finden seit 2001 statt.

Zeitzeugenbesuch 2019

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