Unheilige Familien

Sie wird vor allem seit dem 19. Jahrhundert verehrt. Kein Wunder: Zu der Zeit verändert sich Gesellschaft radikal, es kommt zur Industrialisierung, Landflucht, Kinderarbeit und Armut inklusive. Da betont die Heilige Familie den Wert der Familie. Gibt Menschen mit dem klassischen Familienbild Halt und Orientierung. Aber wenn man genau hinsieht, dann zerbröselt dieses Bild der vorbildhaften Heiligen Familie. Josef und Maria sind nicht verheiratet. Maria ist auch noch schwanger. Und Josef überlegt sich heimlich, ob er die Frau nicht verlassen soll. Er und Vater? Das scheint nicht zu passen. 

Wer sich Maria und Josef genau ansieht, der entdeckt keine Heilige Familie, sondern ziemlich normale Menschen. Wie es viele Heilige auch sind. Denn die meisten Heiligen sind gar nicht so edel und fromm, wie es häufig scheint. Drei Beispiele. Mutter Theresa verzweifelte an ihrem Glauben – und motiviert trotzdem viele Menschen. Franziskus konnte ziemlich unwirsch werden – und ist bis heute Vorbild für ein einfaches Leben. Petrus verrät seinen Freund Jesus – und wird später der erste Papst. Auch die Heilige Familie hat Ecken und Kanten, ist schrecklich normal. Mit Ehekrise, Kindern zur Unzeit, Fluchtgedanken, Angst vor der Zukunft und vielen Geheimnissen. 
Was sie so besonders macht: Maria und Josef lassen sich konsequent ein auf das, was kommt. Sie lassen sich auf ihr Familienleben ein. Sie versuchen, trotz aller Probleme das Beste aus ihrer Situation zu machen. Wie die meisten Familien auch. Das halte ich für vorbildhaft. 
Die Rede von der Heiligen Familie ist für mich deshalb ein Fingerzeig – sie weist auf all die vielen Heiligen Familien hin, die es gibt. Auf Eltern und Kinder, die sich umeinander sorgen, die füreinander da sind, die Krisen meistern und das Leben feiern. Wie die Heilige Familie eben auch.