„Wenn Fasten, dann Fasten, wenn Rebhuhn, dann Rebhuhn“ - Zur Bedeutung des Fastens, der Zahl 40 und die Geschichte der Buße

Datum:
Do. 25. Feb. 2021
Von:
Dr. Franz-Rudolf Weinert

Die Zeit vor Ostern:

Wie die Fastnacht hängt der Beginn der Fastenzeit vom Zeitpunkt des Osterfestes ab, das immer am Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond gefeiert wird. Von dieser lunaren Vorgabe ergibt sich für die Feier des Osterfestes eine Zeitspanne vom 22. März bis 25. April, dem eine 40 tägige Vorbereitungszeit vorausgeht. Man kann nicht von einem „Fastenmonat“ sprechen, wohl aber fallen der Frühling und die Fastenzeit in unseren Breiten zusammen. Die englische Sprache kennt diesen Zusammenhang, denn das Wort für Fastenzeit, Lent, ist verwandt mit dem deutschen Wort Lenz, das Frühling bedeutet.

Die Zahl 40

Die Zahl 40 hat in der jüdischen wie in der christlichen Tradition eine hohe Symbolkraft:

  • 40 Tage und Nächte ergoss sich der Regen der Sintflut auf die Erde; Noah wartete 40 Tage, nachdem die ersten Berge wieder sichtbar wurden.
  • 40 Jahre zog das Volk Israel durch die Wüste.
  • 40 Tage und Nächte blieb Mose bei der Gesetzgebung auf dem Berg Sinai.
  • Zu einem 40-tägigen Fasten rief der Prophet Jona in Ninive die Menschen auf.
  • Vor seinem öffentlichen Auftreten verbracht Jesus 40 Tage fastend und betend in der Wüste.
  • Die Zahl 40 steht für einen Zeitraum der Vorbereitung und des Übergangs, die zu Busse und Besinnung auffordert, Wende und Neubeginn ermöglicht. Nach diesen biblischen Vorbildern nannten die Christen die Zeit vor Ostern zunächst nach ihrer Dauer: „Quadragesima“- „40-Tage“. Die romanischen Sprachen haben die lateinische Bezeichnung bis heute behalten: französisch „c´a`reme“, italienisch „quaresima“.

Zeit der Buße

Seit dem 4. Jahrhundert ist die 40 tägige Vorbereitungszeit auf Ostern bezeugt. In dieser Zeit bemühten sich besonders die Büßer um die Wiederaufnahme in die Gemeinschaft der Glaubenden am Gründonnerstag. Die öffentlichen Büßer legten zu Beginn ein Bußgewand an, „gingen in Sack und Asche“. Das Zeichen der Buße, streuten sich auch die anderen Gläubigen „aufs Haupt“; Zeichen ihrer Solidarität mit den Büßern. Die biblischen Texte und Gebete im Gottesdienst galten vor allem ihnen; an den Mittwochen und Freitagen wurde besonders für die Büßer gebetet. Das „Hungertuch“, das im Mittelalter in vielen Kirchen vor dem Altar hing (auch im Mainzer Dom), wurde dabei als „ein „Fasten mit den Augen“ verstanden: auch wir sind nicht würdig das Allerheiligste zu schauen.

In der katholischen Kirche hat sich der Aschenritus bis heute erhalten; am Aschermittwoch wird den Gläubigen Asche aufgelegt, als Zeichen ihrer Bereitschaft den Weg der Buße („Besserung“) zu gehen.

Ursprünglich eröffnete der 1. Fastensonntag die Zeit der 40 Tage, wie heute noch in Mailand. Doch als die Bußzeit zurücktrat und das Fasten mehr betont wurde, setzte sich im Abendland der Beginn der Fastenzeit am vorausgehenden Mittwoch durch. Die Sonntage als Tag der Auferstehung Christi und der Eucharistiefeier konnten keine Fasttage sein; Karfreitag und Karsamstag wurden miteinbezogen, so dass sich jetzt (wieder) die erstrebte Vollzahl 40 ergab.

Fasten-zeit - Passions-zeit - Österliche Buß-zeit

Schon früh kennen die Christen ein zweimaliges Fasten pro Woche. In der „Zwölf-Apostel-Lehre“, um das Jahr 110, heißt es: „Ihr sollt am Mittwoch und am Freitag fasten“ (8,1). Das Fasten als Erinnerung an den Sterbetag Jesu, und an den Tag, an dem Judas Iskariot Jesus verraten hat.

Aus dem 4. Jahrhundert, aus Syrien, stammt ein Zeugnis, das ein zweitägiges Osterfasten kennt: „Am Freitag und Samstag fastet ganz und kostet nichts; in der Nacht (zum Sonntag) brecht euer Fasten, denn Christus, euer Unterpfand, ist auferstanden von den Toten.“ (Didaskalie 5,19). Aus dem Zusammenhang geht hervor, dass die heute bei uns Karfreitag und Karsamstag lautenden Tage ursprünglich der fastenmäßige Beginn des Osterfestes waren; ein Vollfasten ohne jegliches Essen und Trinken. Ein „Trauerfasten“, weil sich das Wort Jesu erfüllt hatte: „es werden Tage kommen, dann wird ihnen der Bräutigam genommen sein, dann werden Sie fasten.“(Mt 9,15).

Das Wort Fasten hat eine gotische Wortwurzel und bedeutet zunächst „festhalten, beobachten, bewachen“. Wahrscheinlich aus der ostgotischen Kirche entstammt der in der Folgezeit christlich geprägte Begriff des Fastens im Sinne von: am Fasten, „an den Fasten-geboten festhalten.“ Das Wesen des religiösen Fastens besteht in der Enthaltung von Speisen und Trank während einer gewissen Zeit. Für katholische Christen sind der Aschermittwoch und der Karfreitag strenge „Fast- und Abstinenztage“, was eine Beschränkung auf eine einmalige Sättigung (Fasten) und zugleich Enthaltung von besseren Speisen und Getränken (Abstinenz) bedeutet.

Doch nicht nur Umkehr, Buße und Verzicht kennzeichnen die 40-Tage; das Evangelium am Aschermittwoch fordert zu intensiverem Gebet und tätiger Nächstenliebe auf. Das Wort Jesu am Ersten Fastensonntag: „Der Mensch lebt nicht nur vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt,“ verweist auf das vertiefte Lesen der Heiligen Schrift. Wenn evangelische Christen die Fastenzeit „Passionszeit“ nennen, soll deutlich werden, dass die Passion Christi, sein heilbringendes Leiden, die Vorbereitung auf Ostern bestimmt. In katholischen Kirchen werden vielfach am 5. Fastensonntag die Kreuze, die Jesus als Sieger darstellen, violett verhüllt, -durch Verhüllen hervorheben-; nun soll gerade der Blick auf Jesus den Gekreuzigten gerichtet sein.

 

Aufstieg zum Berg des Osterfestes

Mit „Österliche Bußzeit“, wie im deutschen Sprachraum die Fastenzeit seit 1975 auch bezeichnet wird, möchten Katholiken noch stärker das Ziel der Fastenzeit zum Ausdruck bringen: „Die jährliche Fastenzeit ist die Zeit der Gnade, in der wir zum heiligen Berg des Osterfestes aufsteigen,“ heißt es in einem kirchlichen Dokument. Ganz vor Augen haben diesen Gipfel die Taufbewerber (Katechumenen), die in den 40 Tagen intensiv auf den Empfang der Sakramente Taufe, Firmung und Eucharistie in der Osternacht vorbereitet werden. Ihnen gelten die reichen biblischen Texte, die vom „Wasser“, vom „Licht“, vom „Leben“ sprechen. Die bereits Getauften vergegenwärtigen ihr Christsein durch Formen der Tauferinnerung.

Gemeinsamer äußerer Ausdruck ist die violette Farbe im Gottesdienst, die nur am 4. Fastensonntag „Lätare“ etwas gemildert wird. Akustisch entfallen in dieser Zeit das „Lied der Freude“, das Halleluja und das Ehre sei Gott in der Höhe (außer an Gründonnertag).

Die Fastenzeit, genauer die Österliche Bußzeit, endet am Gründonnerstagabend mit der Messe vom Letzten Abendmahl; Karfreitag und Karsamstag sind dann wieder Fasttage, die nun den Charakter des Trauerfastens haben. Mit der gefeierten Osternacht ist das Fasten endgültig vorbei und das Fest der Feste - Ostern - beginnt. Die Osterzeit dauert 50 Tage; in dieser Zeit wird nicht gefastet, ganz im Sinne der hl. Teresa von Ávila: „Wenn Fasten, dann Fasten, wenn Rebhuhn, dann Rebhuhn“.

Dr. Franz-Rudolf Weinert ist Professor für Pastoralliturgie im Kirchendienst und Dompfarrer in Mainz.