„Sie haben uns alle damals keine zwei Jahre gegeben, gerade haben wir nun Goldene Hochzeit gefeiert!“

Birgit und Hubert sind seit 50 Jahren verheiratet (c) Bistum Mainz
Birgit und Hubert sind seit 50 Jahren verheiratet
Datum:
Do. 19. Sep. 2019
Von:
Alexander Stein

Wenn Birgit und Hubert Siegmund über ihre vergangenen gemeinsamen fünfzig Ehejahre sinnieren, kann man das Ganze so zusammenfassen: Beziehungsarbeit ist wirklich harte Arbeit. Und: Ohne Toleranz geht nichts. Wir haben die beiden Ehejubilare in ihrem Haus im Wormser Stadtteil Herrnsheim besucht.

Birgit und Hubert sind seit 50 Jahren verheiratet (c) Bistum Mainz

„Wir haben Bischof Kohlgraf bislang leider noch nicht persönlich treffen können. Ich freue mich daher sehr auf den Sonntag!“

Auf den Sonntag, an dem Bischof Kohlgraf zu einem Festgottesdienst in den Mainzer Dom einlädt. Alle Ehepaare, die in diesem Jahr Silber-, Gold-, oder diamantene Hochzeit feiern, dürfen kommen. Birgit und Hubert Siegmund sind voller Vorfreude.

Hubert Siegmund ist 69 Jahre alt. Er wirkt dynamisch, beinahe etwas rastlos. Auf dem Küchentisch vor ihm ein Laptop, ein Pad und ein Smartphone. Als Hubert Siegmund geheiratet hat, 1969, hat IBM gerade einmal die erste Diskette auf den Markt gebracht. Neil Armstrong betrat als erster Mensch den Mond. 1969 war Hubert Siegmund erst 18 Jahre alt, was für die Heirat ein echtes Problem darstellte, damals war man erst mit 21 volljährig. „Man muss doch verheiratet sein, wenn ein Kind kommt“, erklärt er sich. Seine Frau Birgt war damals gerade einmal 16, hat ihre Prüfung in der Schule vorgezogen. Ohne Einwilligung der Eltern und einem Nachweis über die Befreiung von der Ehemündigkeit wäre die Hochzeit gar nicht möglich gewesen.

Birgit und Hubert sind seit 50 Jahren verheiratet (c) Bistum Mainz

Das Geheimnis einer langen Ehe? „Man sollte nicht so schnell aufgeben."

Kennengelernt haben sich die beiden an Fastnacht 1967 in der Discothek Old Penny, „die gibt’s schon ewig nicht mehr, auch wenn wir uns noch gut an den Abend erinnern können und wie es dort ausgesehen hat!“ Birgit Siegmund schaut nachdenklich aus dem Fenster. „Fünfzig Jahre, kommt einem sehr viel kürzer vor!“ In fünfzig Jahren ist viel passiert: Zwei Kinder, Andreas (50) und Sven (44), zwei Enkelkinder, Emma (10) und Anton (14), der aber nur Toni genannt wird. Vor zwei Jahren bekam Hubert Siegmund einen Herzinfarkt, vergangenes Jahr dann ein Schlaganfall. Er kramt einen Ordner hervor und blättert ein MRT-Bild auf. Auf der rechten Seite deutliche helle Stellen. Seit dem Schlaganfall ist sein Gesichtsfeld rechts eingeschränkt, „es hätte aber schlimmer kommen können“, stellt der ehemalige Elektrotechniker fest. Kraft hat Hubert Siegmund sein Hobby gegeben, dem er immer mit sehr viel Leidenschaft nachgegangen ist: Handball. „Ohne dass ich die Freiheit gehabt hätte, Handball zu spielen, wären wir wohl nicht mehr zusammen.“ Ehefrau Birgit hat ihm diese Freiheit gelassen, begleitete ihn zu Trainings und Spielen. Freiheit und Toleranz, ist das das Geheimnis einer langen Ehe? „Man sollte nicht so schnell aufgeben. Die Liebe zu meiner Frau hat mich immer geerdet“, sagt Hubert Siegmund. „Wenn man sich trennt, ist man nicht bereit zu kämpfen. Das ist schon ein Kampf manchmal“, fügt Birgit Siegmund hinzu.

Bei einem Thema waren sich die beiden immer einig: Gemeinsame Reisen sind etwas ganz Tolles! „Wir waren überall“, behauptet Birgit Siegmund. „Quasi überall in Europa, in Singapur, in den USA an der Westküste, in Florida.“ In die USA wollen die beiden nicht mehr, nachdem Donald Trump Präsident geworden ist. Generell nicht mehr fliegen und auch keine Schiffsreise mehr, wegen des Klimas. „Wir haben schon einen großen ökologischen Fußabdruck hinterlassen.“ Auch das ist Kirche: die Bewahrung der Schöpfung. Wie steht’s generell mit dem Glauben bei den beiden? „Ich bin schon ein guter Christ, würde ich sagen“, sagt Hubert Siegmund. Früher Messdiener gewesen, aber kein regelmäßiger Kirchgänger mehr. Frau Birgit nickt zustimmend.

Wer über fünfzig Jahre zusammen ist, erlebt die ein oder andere Überraschung. Im Alter von 17 Jahren hatte der älteste Sohn sein Coming-out. „Mama, Papa, ich bin schwul!“ Hubert Siegmund ist damals aus allen Wolken gefallen. „Hubert, wenn du das jetzt nicht akzeptierst, verlierst du deinen Sohn“, die Mahnung seiner Frau. Was macht so eine Nachricht mit einem so katholisch geprägten Paar wie Birgit und Hubert Siegmund? Die Schneidermeisterin zuckt mit den Schultern. „Das war halt so, muss man so nehmen. Wir sind doch zufrieden! Eine bessere Schwiegertochter hätten wir auch nicht bekommen“, lacht Birgit Siegmund und strahlt dabei ihren Mann an. Hubert Siegmund lächelt zurück.