40 Tage - Leertext
DIE POSAUNENSTELLE
tief im glühenden
Leertext,
in Fackelhöhe,
im Zeitloch:
hör dich ein
mit dem Mund. (Paul Celan)
Aus Ehrfurcht und aus Sorge, den Gottesnamen falsch auszusprechen, wurde und wird der Gottesname im Judentum nicht mehr ausgesprochen. Ein Leertext.
Paul Celan besucht 1969 Israel. Er wird gefragt wie er nach dem Holocaust die deutsche Sprache verwenden könne? Als Grund nennt er, der Jude, in Tel Aviv, dass er Freude empfinde „über jedes neuerworbene, selbsterfühlte erfüllte Wort, das herbeieilt, den ihm Zugewandten zu stärken.“
Im Gottesdienst hören wir vom Ambo Gottes Wort. Wir lesen nicht mit. Wir hören. Befühlen die gehörten Worte mit unseren Erfahrungen, mit unserem Leben. Geduldig wartet Gottes Wort bei diesem Befühlen, ob wir es vom Ohr auf die Zunge nehmen. Ob wir es hinaustragen als ein Wort, das wir uns zu Eigen gemacht haben.
So wird aus einem Leertext, ein Lebenstext. Wir geben dem Gottesnamen den Dialekt unseres Lebens. „Jedes neuerworbene, selbsterfühlte erfüllte Wort“, das so vom Ambo in die Welt getragen wird, ist der Gleichgültigkeit und der Verunehrung entrissen. Erst so werden Menschen wieder aufhorchen, wenn von Gott die Rede ist. Die Posaunenstelle läßt wieder aufhorchen, wenn wir Gott uns eingehört haben.