Adventskalender 8

Predigt zum Zweiten Adventssonntag

Datum:
So. 8. Dez. 2019
Von:
Pfarrer Ronald Givens

8 Dezember

Als sie den Stern sahen, wurden sie von sehr großer Freude erfüllt (Mt 2,10)

Liebe Schwestern und Brüder,

Wer schon einmal bei einem Physiotherapeuten gewesen ist, der weiß wie lange es dauern kann, bis etwas heilt oder wieder beweglich wird. Ganz ähnlich ist es bei einer Therapie. Es braucht viele Sitzungen bis wir etwas verstanden haben, oder in der Lage sind etwas für uns zu akzeptieren oder zu verändern.

Daher bin ich für den Satz, den Johannes der Täufer den Pharisäern und Sadduzäern entgegenschleudert, so dankbar: „Ihr Schlangenbrut, …. ich sage euch: Gott kann aus diesen Steinen Kinder Abrahams machen.“

Der Advent ist eine gespaltene Zeit. Wir beten, wir singen, wir feiern unsere Gottesdienste als ob Gott noch nicht in unsere Welt gekommen wäre. Zugleich feiern wir in der Heiligen Nacht und am Weihnachtsmorgen, dass er vor mehr als 2000 Jahren doch schon in unsere Welt gekommen ist.

Mahatma Gandhi hat einmal über uns Christen gesagt, dass wir wie Kieselsteine sind, die in einem Flussbett liegen. Äußerlich nass aber innen hart und trocken. Das ist  der Grund, warum der Advent eine gespaltene Zeit ist: Wir heißen Christen, wir sind Christen, und wir wissen zugleich, dass es so viele Lebensbereiche gibt, in denen wir gerne so radikal wären wie Johannes der Täufer, aber so lau und unentschieden sind, so halbherzig, wie wir halt sind.

Die Landschaft bei Jericho, dort wo Johannes getauft hat, ist eine faszinierend schöne Wüstenlandschaft, die in ihrer ganzen Kargheit zu der Gestalt von Johannes passt. Wer dort schon einmal gewandert ist, weiß wie faszinierend die Wüste ist. Aber es ist ein ganz großer Unterschied, ob ich dort von Heuschrecken und wildem Honig lebe, oder ob ich einen Rucksack und eine Trinkflasche dabei habe, und abends wieder in mein Hotel nach Jerusalem fahren.

Ihr Schlangenbrut …. Ich sage euch: Gott kann aus diesen Steinen Kinder Abrahams machen. Das ist unser Therapieziel, das ist unsere Advent Hoffnung: In uns ist die Faszination für die Botschaft von Johannes und von Jesus. So wie mich die Landschaft am Jordan, die Wüste, empfänglich macht für das Große und Radikale, das im christlichen Glauben steckt, so feiere ich mit all denen, die zu unseren Gottesdiensten und Andachten kommen die große Sehnsucht, dass irgendwann das Taufwasser mich so bis ins Innerste durchtränkt, dass ich ein Christ tatsächlich werde.

Bethlehem ist umgeben von dieser Wüstenlandschaft in der Johannes gepredigt hat. Die Sterndeuter ziehen weg von den Herbergen in Jerusalem durch diese Wüste um dorthin zu kommen wo der Stern sie haben möchte. Bethlehem heißt übersetzt Haus des Brotes. Dort in diesem Brothaus wird Jesus geboren. Dorthin will der Stern uns im Advent locken. Dass wir die Bequemlichkeit unserer irdischen Herberge mutig verlassen, und staunen und uns darüber freuen, wer wir sein können, wenn wir der Sehnsucht und der Radikalität trauen, die in unseren Liedern und Gebeten liegt. Wir essen auf dem Weg durch den Advent keine Heuschrecken und wilden Honig. Aber wir essen das Brot von Bethlehem in dem die Kraft von dem steckt, der unser versteinertes Herz mit Feuer taufen will. Damit wir als Kinder Abrahams, unsere Verheißung leben: Du kannst ein Christ sein. Amen.