Allerseelen

Predigt von Pfarrer Dr. Givens

Datum:
Mi. 8. Nov. 2023
Von:
Herbert Kohl

Bei der Predigt handelt es sich um die Verschriftlichung des Live-Mitschnittes

Schwestern und Brüder im Herrn, über 170 Namen warum dann noch jetzt die Eucharistie, das Brotbrechen? Warum reicht es nicht bei so vielen Namen, dass wir nur die Namen vorlesen, sie auf den Chor hören, dass wir die Worte der Schrift hören? Warum noch die Eucharistie, das letzte Abendmahl, das Brotbrechen?

Nicht wenige von ihnen wissen, dass für die, die da die Kerze brennt, am Taufbrunnen, an dem Ort, wo bei der Taufe versprochen worden ist: Du wirst leben, du wirst ewiges Leben geschenkt bekommen, das versprech ich dir in der Taufe. Nicht wenige wissen, dass als der oder diejenige gestorben ist, für den sie heute gekommen sind, als er oder sie nicht mehr gegessen hat, da wussten sie, es geht zu Ende. Wenn die Sterbenden nicht mehr essen, dann werden die Lebenden ganz hilflos. Solange man noch füttern kann, solange man noch etwas zu essen geben kann, solange der oder diejenige, die man gepflegt hat und pflegt, noch etwas trinken kann, kann man was tun, aber dann kommt der Punkt, wo man ganz hilflos aushalten muss am Bett. Aushalten muss das der oder diejenige sich umstellt auf den Himmel, und darum feiern wir die Eucharistie, das Abendmahl, weil wir glauben, dass Gott als erstes einmal die, die zu ihm in den Himmel kommen, satt macht, dass er sie aufpäppelt, dass er sie aufrichtet, dass er Ihnen das gibt, was sie auf Erden hat so schwach werden lassen, dass sie ihnen das jetzt gibt, was sie brauchen, damit sie himmelstauglich werden, dass Sie am ewigen Leben teilhaben können.

Darum hat Jesus davon geredet: Wir sind unterwegs zum himmlischen Hochzeitsmahl, zum Fest, und Gott selber wird uns bedienen bei diesem Mahl. Er will uns himmelstauglich machen, er will satt machen, was hier auf Erden uns nicht mehr satt gemacht hat und die, die diese Zeit nicht hatten, die, die dieses Zeichen nicht geschenkt bekommen haben dass ihr Angehöriger, oder ihre Angehörigen nicht mehr gegessen hat, nicht mehr getrunken hat und damit das Signal gegeben hat Ich gehe. Die, die ganz plötzlich auf einmal mit dem Tod konfrontiert worden sind. Nicht wenige von denen hat es den Appetit verdorben und verschlagen. Wie viele können erst einmal nichts mehr essen, weil der oder diejenige nicht mehr bei Tisch dabei ist, nicht mehr da ist, wie soll man essen, wie soll man das Essen genießen, wenn der oder diejenige, die so wichtig gewesen ist, nicht mehr bei Tisch dabei ist. Für manch einen ist das Weihnachtsfest, auf das wir zugehen, jedes Jahr aufs Neue die große Schwierigkeit: Essen, feiern, trinken, obwohl ein ganz wichtiger Platz leer ist.

Doch darum feiern wir die Eucharistie, auch darum teilen wir dieses Brot aus, weil wir darum wissen, weil wir nicht vergessen: Der Mensch lebt nicht nur vom Tod allein, wir werden, wir wurden satt vom Lachen der anderen, vom Erzählen, von der Zärtlichkeit, von der Nähe, von all dem, was das Leben im Alltag ausgemacht hat. Mitunter macht das viel mehr satt als das schönste und beste Mahl, das wir zubereiten können. Und nicht wenige sitzen hier und schauen auf diese Lichter für die, die für jeden einzelnen Namen stehen und wissen, dass sie sich verzehrt haben. Verzehrt haben in der Pflege. Manch einem, manch einer hat man es deutlich angesehen, wie viel Kraft es gekostet hat, zu pflegen, das Sterben mitzugehen. Wie viele haben sich verändert auch in ihrem Lachen, in ihrem Erzählen, in ihrer Haltung, weil sie sich verzehrt haben in dieser Zeit, die alles auf den Kopf gestellt hat.

Und manch einer ist auch bitter geworden in dieser Zeit, weil da das Gefühl war, der Bruder oder die Schwester, die anderen, sie sehen gar nicht, was Pflege bedeutet. Nicht jeder kann pflegen, nicht jeder kann sehen, dass es auch eine Gnade ist jemanden pflegen zu können, sich zu verzehren für jemanden und darum ist es gut, dass dieses Brot ausgeteilt wird, um deutlich zu machen:

Das, wofür du dich verzehrt hast, das, was diesen Weg auch kostbar gemacht hat, ohne irgendetwas zu verklären, das darf nicht dazu führen das ihr in eurer Familie  gegeneinander aufrechnet. Wer hat mehr gepflegt und mehr gegeben? Wer war mehr da?  Auch das will dieses Brot deutlich machen. Als Lebende müssen wir uns gegenseitig satt machen, anerkennen, dass wir unterschiedlich sind.

Dass nicht jeder und jede alles kann, aber dass es furchtbar wäre, wenn eine Familie nach einer Pflegezeit nach einer so verzehrenden Zeit nicht mehr gemeinsam an den Tisch gehen kann, nicht mehr gemeinsam Geburtstage und Weihnachten und Feste feiern kann, das darf euch nicht verzehren, auch darum gehen wir an diesen Tisch.

Damit heilen möge, was in einer Pflegezeit in einer Verzehrungszeit schiefgelaufen ist, schwierig war, unüberbrückbar gewesen. Der eine Jesus, er lädt uns alle an diesen einen Tisch, weil er uns auch damit zeigen möchte: Ihr werdet einmal miteinander die Ewigkeit verbringen, ich werde euch miteinander an den Tisch setzen im Himmel, ihr werdet in der Ewigkeit miteinander satt werden. Bringt etwas von diesem Himmel jetzt schon auf die Erde, auch wenn es nicht leicht fällt, auch wenn es schwierig ist.

Aber kommt als Familie an euren Festen, kommt als Familie an Weihnachten, kommt als Familie miteinander an einen Tisch, verzehrt euch nicht im gegenseitigen Aufrechnen, sondern sättigt euch mit Liebe und mit dem, was ihr an Gutem von euren Verstorbenen empfangen habt. Und wir feiern dieses Mahl, weil wir selbst eine Wegzehrung brauchen, weil dieses Brot, das wir nachher empfangen werden, und sagt: Ich werde dich, wenn du nicht mehr hier essen kannst, wenn du nicht mehr schlucken kannst, wenn keine künstliche Nahrung dich mehr am Leben erhält, wenn die Medikamente am Ende sind, wenn die Chemotherapie nicht mehr greift, wenn die Liebe deiner Familie dich nicht halten lässt, wenn dein Herz zu schwach ist, dann darfst du von mir zehren, von dem heiligen Brot, dass du empfangen hast, denn ich bin dir die Speise durch die Dunkelheit durch den Tod. Ich werde mich dann von dir verzehren lassen, damit du gut im Himmel ankommst.

Darum feiern wir jetzt die Eucharistie, das Abendmahl, das Brot brechen, weil unsere Verstorbenen von Gott lebenssatt gemacht werden im Himmel. Weil wir uns gegenseitig satt machen sollen mit dem, was wir als Familie, als Freunde an Gaben und an Liebe haben, und weil wir einmal für unseren eigenen Weg durch den Tod diese Wegzehrung brauchen, Amen.