Betrachtung zum 2. Sonntag in der Osterzeit

Jahr der Barmherzigkeit

Datum:
So. 3. Apr. 2016
Von:
Ronald Givens
Predigt zum Weissen Sonntag, Sonntag der Barmherzigkeit 2016, Thomas und die anderen Apostel

Die rote Tür inmitten unserer Kirche, die an das Jahr der Barmherzigkeit erinnert, steht weit offen. Manchmal tut es gut, wenn die Türen geschlossen sind. Als Jugendlicher war ich dankbar, dass ich mein Zimmer abschließen konnte. Es gibt auch Tage, da bin ich froh, am Abend die Tür schließen zu können und nichts mehr hören und sehen zu müssen. Es gibt auch geschlossene Türen, die weh tun. Vielleicht ist es manchmal schon so weit, aber es wird wohl auch für sie die Zeit kommen, da werden die Türen mit lautem Knall zufliegen, weil die Kinder, die hier jetzt voller Erwartung auf die Erstkommunion sitzen, in Wut, in Enttäuschung, im Zorn sie zugeschlagen haben.

Der Apostel Thomas schließt eine Tür. Die zu den anderen Aposteln. Als die ihm berichten, dass Jesus auferstanden ist, dass sie voller Freude sind, da zeigt er ihnen den Vogel und sagt: Euch glaub ich gar nichts.

Das tut weh, wenn wir hören müssen, ich glaub dir nicht. Eltern haben zu schlucken, wenn ihr Kind oder Jugendlicher ihnen sagt: das gibt mir nichts, das nehme ich euch nicht ab, das sehe ich ganz anders als ihr. Wenn ich Woche für Woche die Briefe vom Amtsgericht Lampertheim öffne, wo mir wieder einer oder eine aus unserer Pfarrei mitteilt: die Art wie ihr glaubt, eure Gemeinschaft, das möchte ich nicht mehr, ich trete aus der Kirche aus, dann trifft mich das jedes Mal auch persönlich. Es muss nicht die geschlossene Tür sein, es kann der Kopfhörer sein, die ganz andere Kleidung, das stundenlange Fernbleiben, der Partner der immer später nach Hause kommt, die uns sagen und zeigen: du bist für mich nicht mehr maßgeblich, uninteressant, weniger wichtig….

Immerhin Thomas ist noch nicht ganz ausgezogen. Noch sind die Türen nicht endgültig zu, denn eine Woche später, wieder am Sonntag ist er da, als Jesus noch einmal sich zeigt. Manchmal kostet es viel Kraft, die Tür offen zu halten, freundlich zu bleiben. Die Wäsche zu waschen für den Partner, der fremdgeht. Das Essen aufwärmen für den Sohn, der kommt und geht, wann er will. Die Mutter zu besuchen, die nur nörgelt und sich immer beklagt, dass niemand kommt. Die freundlich zu grüßen, die kein gutes Haar an einem lasen.

Ich weiß nicht wer von den anderen Aposteln Thomas gehalten hat. Es ausgehalten hat, dass er das, was sie erlebt haben, was ihnen Freude bereitet hat, nur müde belächelt und in Frage gestellt hat. Es ist modern geworden Protestparteien zu wählen, sich nichts mehr gefallen zu lassen, es denen da oben zu zeigen. Es braucht aber auch die, die so unmodern sind, das auszuhalten und weiter zu arbeiten, in der Politik, an der Kasse im Discounter, im Krankenhaus, daheim….

Die geschlossenen Türen hindern Jesus nicht. Er, der ein ganzes Leben lang Menschen Türen geöffnet hat, lässt sich auch jetzt nicht durch eine Tür aufhalten. Weder die geschlossen Tür der ängstlichen Apostel, noch die geschlossene Tür des Besserwissers Thomas hindern Jesus zu ihnen zu kommen.

Das feiern wir jetzt. Jesus lässt sich nicht durch geschlossen Türen abhalten, uns aufzusuchen. Jeden Sonntag wenn die Kinder, die jetzt gleich die erste heilige Kommunion empfangen, bei mir am Altar waren, habe ich gefragt: und was mache ich jetzt als Nächstes? Das Brot brechen, war die Antwort. Das gebrochene Brot kann man nicht mehr so zusammenfügen wie es vorher war. Da bleibt etwas offen, kommt Licht durch.

Wer einen Menschen liebt, wird die Tür, auch wenn sie zugeknallt ist, offen halten. Der Liebende sucht den Spalt, sucht die Möglichkeit, dass der andere doch nicht draußen bleibt.

Jeder von uns kennt in seinem Umkreis Eltern, die ihrem Kind, Ehepartner, die dem Anderen, Freunde, die dem Freund trotz aller Enttäuschung, trotz aller gebrochenen Vereinbarungen, trotz allem durchgebrachten Geld oder Zuneigung, immer wieder die geschlossene Tür durchlässig gemacht haben. Andere haben da nur noch den Kopf geschüttelt, aber die Liebe kann nicht anders.

Das Brot, das die Kinder empfangen, das heilige Brot, das wir alle gleich empfangen, ist Jesus selber. Heute morgen kommt er zu uns, um die zu stärken und zu ermutigen, die die Türen durchlässig machen. Er kommt, um dort wo wir den anderen sagen: euch glaub ich nicht, uns wieder hineinzuführen in die Gemeinschaft. Er bringt uns mit seiner Lebenshaltung in Berührung für die offenen Tür der Barmherzigkeit steht.

In einem indischen Dorf stellte man morgens, als ein kleines Mädchen zum Brunnen des Dorfes ging um Wasser zu schöpfen, fest, dass sie an Aussatz erkrankt war. Irgendjemand am Brunnen sah den Fleck auf ihrer Haut und schrie: Die hat Aussatz. Wie ein Mann stürmten alle gegen das kleine Mädchen, das in seiner Angst den Wasserkrug fallen ließ und um sein Leben rannte. Die anderen trieben es aus dem Dorf hinaus. Als der Missionar den Lärm hörte, lief er auf die Strasse und sah das kleine Mädchen um sein Leben laufen und hörte die Menge, die es vor sich hertrieb mit dem Ruf: Aussatz, Aussatz. Da lief er zu dem Mädchen, nahm es in die Arme und hob es zu sich schützend hoch an die Brust. Alle erstarrten. Als sie gegangen waren, fragte das Mädchen: warum hast du das getan? Der Missionar antwortet ihr: weil Gott uns beide erschaffen hat. Du bist meine Schwester und ich bin dein Bruder. Gott möchte, dass wir einander seine Liebe schenken.

Das kleine Mädchen hatte noch drei Jahre zu leben. In diesen drei Jahren hat sie den anderen Aussätzigen im Missionskrankenhaus, die jeden Tag Verbände gewechselt, das Essen gebracht, aber vor allem hat sie geliebt. Als sie starb, haben die andern gesagt: jetzt ist unser offener Himmel, in den Himmel gegangen. (nach Willi Hoffsümmer, Kurzgeschichten 1)