Betrachtung zum 3. Fastensonntag

Jahr der Barmherzigkeit

Datum:
So. 28. Feb. 2016
Von:
Ronald Givens
Betrachtung zum Evangelium des 3. Fastensonntages anhand eines Details eines Gemäldes von Hieronymus Bosch und der Erzählung vom Brennenden Dornbusch im Buch Exodus.

Barfuß

 

Den Fußabdruck zu sehen, kostet acht Dollar. Beten und Singen ist verboten und Fotografieren kostet nochmals 20 Dollar. Der Fußabdruck ist trotz der acht Dollar Eintritt nur mit viel Fantasie zu erkennen. Über ihm wölbt sich die kleine Kuppel einer Moschee oben auf dem Ölberg in Jerusalem.

Jesus soll hier, bevor er in den Himmel nach seiner Auferstehung aufgenommen worden ist, seinen Jüngern letzte Anweisungen gegeben haben und eben jenen Fußabdruck im hellen Felsen des Ölberges hinterlassen haben, der jetzt in einer muslimischen Gebetsstätte zu suchen ist, die früher einmal eine Kreuzfahrerkirche zur Ehren der Himmelfahrt Christi war.

Viele tausend Kilometer entfernt, in den Niederlanden, ist mir der Fußabdruck Jesus wieder begegnet. Erst habe ich ihn gehört, noch bevor ich ihn gesehen habe. Der Audioguide einer Ausstellung machte mich auf dieses Detail im Bild „Ecce homo“ von Hieronymus Busch aufmerksam: Bosch hat den blutigen Fußabdruck Jesu, der von Pilatus der Menge vorgeführt wurde, auf der Palastterrasse malend sichtbar gemacht.

Als Mose die Schafe seines Schwiegervaters Jitro über die Grenze der Steppe hinausführt, und so zum Horeb kommt, da begegnet ihm Gott in der Stimme aus dem brennenden Dornbusch. Aber bevor Mose sich Gott im Dornbusch nähern darf, muss er die Schuhe ablegen. Barfuss soll er sich dem Herrn nähern, weil der Boden durch Gottes Gegenwart heilig ist. Schutzlos nähert sich Mose dem Herrn und muss so genau hinsehen: wo gehe ich lang, wo setze ich meinen Fuß hin. Mose spürt im Zugehen auf Gott den Boden, jede Unebenheit, seine Struktur. (Als der Herr sah, dass Mose näher kam, um sich das anzusehen, rief Gott ihm aus dem Dornbusch zu: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich.  Der Herr sagte: Komm nicht näher heran! Leg deine Schuhe ab; denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden. Ex 3, 4+5)

So möchte Jesus, dass seine Jünger unterwegs sind: „Tragt keinen Geldbeutel bei euch, keine Tasche und keine Schuhe,….“ (Lk 10,4) Barfuß und damit in Berührung mit dem Boden, dem Staub und Dreck. Selbst wenn die Füße sich daran gewöhnt haben, barfuß zu gehen, zwingt die Fußschutzlosigkeit zu einem achtsamen Gehen, wird der Weg nicht zur Nebensache und damit auch nicht das, was auf dem Weg passiert. Die Menschwerdung Gottes wird im Barfußgehen nochmals radikal deutlich: Gott der Unverletzliche, setzt sich in Jesus dem Erdenboden aus, schwebt nicht über den Dingen, sondern nimmt unsere und seine Erde mit jedem Schritt wahr. Jesus ist berührbar, er berührt mit seinen Heilungen die Unebenheiten der Menschen.

In der Passion spielen die nackten Füße mehrfach eine Rolle:

Da ist zuerst die Frau, die in Bethanien Jesus die Füße salbt, küsst und mit den Haaren trocknet (Und siehe, eine Frau war in der Stadt, die war eine Sünderin. Als die vernahm, dass er zu Tisch saß im Haus des Pharisäers, brachte sie ein Glas mit Salböl  und trat von hinten zu seinen Füßen, weinte und fing an, seine Füße mit Tränen zu benetzen und mit den Haaren ihres Hauptes zu trocknen, und küsste seine Füße und salbte sie mit Salböl. Lk 7,37-38). Natürlich kommt darin der Fußwaschritus der Gastfreundschaft zum Ausdruck. Zugleich erzählt diese Szene der Fußsalbung auch, dass Jesus spürt, was das tieferliegende Anliegen der Frau ist, was sie hören muss, um das Haus befreit verlassen zu können. Umgekehrt scheint die Frau zu spüren, was Jesus in der für ihn immer bedrohlicher werdenden Situation seines sich abzeichnenden Todes braucht, um nicht schutzlos in die Passion zu gehen. Sie salbt ihn. Nimmt ihm dadurch nicht seine Berührbarkeit, aber zeigt mit der Salbung, dass seine Art den Lebensweg zu gehen, Würde hat, salbungswürdig ist.

Bald darauf wird Jesus im Abendmahlsaal Petrus und den Jüngern die Füße waschen. Als Petrus sich wehrt, erklärt Jesus, dass die Fußwaschung Anteil an ihm gibt. Er, der sie barfuß ausgesendet hat, nimmt wahr welche Spuren das bei seinen Jüngern hinterlassen hat und wäscht es selber ab. Es ist ihm nicht gleichgültig, wie die Jünger aus ihrem Dienst herauskommen, sondern er sieht den Staub und den Dreck. (…darauf goß er Wasser in das Becken und fing an, den Jüngern die Füße zu waschen und sie mit dem Schurz zu trocknen, mit dem er umgürtet war. Da kommt er zu Simon Petrus, und dieser spricht zu ihm: Herr, du wäschst mir die Füße? Jesus antwortete und sprach zu ihm: Was ich tue, verstehst du jetzt nicht; du wirst es aber danach erkennen. Joh 20,15-17 ). Er achtet auf ihre Würde und stellt sie wieder her.

Jeder, der sich anderen Menschen zuwendet, wird abends heimkehren und mitbringen was vom Tag in der Seele und im Herzen haften geblieben ist. Zum Abendgebet der Kirche gehört daher immer auch das Ablegen des Tages, das Ablegen der guten und der bösen Begegnungen in die Hand Gottes hinein. Jesus möchte Nachfolger, die dem Schmutz der Welt nicht aus dem Weg gehen, aber lässt sie damit auch nicht alleine, sondern dient ihnen so, dass Leib und Seele gestärkt werden.

Seine Schutzlosigkeit als Mensch wird Jesus brutal ins Fleisch geschrieben, wenn am Ende seines Leidensweges ihm die Füße mit Nägeln an das Kreuz genagelt werden. Die Situation Jesu ist nun ausweglos. Er kann keinen Schritt mehr tun. Nun muss der Vater sich bewegen, damit dieser letzte Schritt Jesu in keine Sackgasse geführt hat. Für dieses letzte und tiefe Vertrauen in die Güte des Vaters ist Jesus seinen Weg als Mensch gegangen.

Der acht Dollar Fußabdruck in Jerusalem erinnert daran, dass Gott tatsächlich auf der Erde war. Dass er Spuren hinterlassen hat, dass ihm die Lebenswirklichkeit des Menschen nicht zu schmutzig und zu banal war, er sich nicht davor geschützt hat. Schon allein dafür lohnt sich der Eintritt, haben doch schon vor Jahrhunderten Menschen gespürt, dass es wichtig ist, sich zu vergewissern, dass Jesus wirklich Mensch wurde.

 

Er lohnt aber noch aus einem anderen Grund:

Als Jesus das Gleichnis vom guten Gärtner des Feigenbaums erzählt, da erzählt er auch etwas darüber, warum er barfuß ging und warum die Jünger das auch sollen:

Lk 13, 6-9: Und er erzählte ihnen dieses Gleichnis: Ein Mann hatte in seinem Weinberg einen Feigenbaum; und als er kam und nachsah, ob er Früchte trug, fand er keine. Da sagte er zu seinem Weingärtner: Jetzt komme ich schon drei Jahre und sehe nach, ob dieser Feigenbaum Früchte trägt, und finde nichts. Hau ihn um! Was soll er weiter dem Boden seine Kraft nehmen? Der Weingärtner erwiderte: Herr, lass ihn dieses Jahr noch stehen; ich will den Boden um ihn herum aufgraben und düngen. Vielleicht trägt er doch noch Früchte; wenn nicht, dann lass ihn umhauen.

Zuvor waren die Leute aufgeregt zu ihm gekommen und haben davon erzählt was für eine schreckliche Bluttat sich im Tempel auf Befehl des Pilatus hin ereignet hat. Jesus ergänzt das noch durch die Erzählung eines anderen Unglücks und wundert sich, dass die Menschen, die so etwas erleben nicht auf den Gedanken kommen, dass ihr Leben an einem seidenen Faden hängt. Es geht ihm nicht um die Frage warum das Schreckliche passiert, sondern warum im Anblick der Zerbrechlichkeit des Lebens die Menschen das Wesentliche verschieben und verdrängen.

Immer wieder sehen wir, jetzt wäre es an der Zeit das zu tun, jenes zu ändern, dieses zu lassen. So wie im Gleichnis: an der Zeit Frucht zu bringen. Die Frucht der Erneuerung, der Umkehrung nicht auf morgen zu verschieben, sondern heute hervorzubringen. Aber irgendwie läuft immer nur bei den anderen die Zeit dafür ab, aber für uns gibt es dieses plötzliche Nichtsgehtmehr anscheinend nicht.

Wenn nun der gute Gärtner den Boden um den unfruchtbaren Baum aufgraben will, dann möchte er seine Wurzeln in Berührung bringen mit der Luft, dem Wasser, dem Erdreich, das was den Zugang zu den Wurzeln versperrt. All das was zu hart ist, sich wie ein Panzer um die Wurzeln gelegt hat, soll aufgebrochen werden, durchlässig werden.

Die nackten Füße Jesu erinnern daran, dass wir immer wieder in Gefahr sind, uns immun zu machen, hart zu werden gegen das, was uns erreichen möchte, was wir brauchen um wirklich Frucht zu bringen. Jesus hat ein Lebenstempo gehabt, das ihn ansprechbar sein ließ. Jesus hat eine Verletzlichkeit gehabt, die ihn feinfühlig gehalten hat. Jesus hat mit seinem Leben andere Leben befruchtet, weil er nicht zuließ, dass eine Schutzschicht sich um ihn bildet, die nicht mehr durchlässig für das Leben und die Not des Nächsten ist. Der Fußabdruck Jesu oben auf dem Himmelfahrtsberg in Jerusalem erinnert die Jesu Nachfolgenden bis heute daran, wie wir über die Erde gehen sollen: berührbar, anrührbar, schutzlos und so fruchtbringend für uns und andere, in der Zeit, die uns miteinander geschenkt ist.