Betrachtung zum Ostersonntag

Jahr der Barmherzigkeit

Datum:
So. 27. März 2016
Von:
Ronald Givens
Betrachtung zum Evangelium des Ostersonntages mit Hilfe eines Fensters des Straßburger Münsters.


Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes, Kap 20, 1-8


Am ersten Tag der Woche kam Maria von Magdala frühmorgens, als es noch dunkel war, zum Grab und sah, dass der Stein vom Grab weggenommen war. Da lief sie schnell zu Simon Petrus und dem Jünger, den Jesus liebte, und sagte zu ihnen: Man hat den Herrn aus dem Grab weggenommen, und wir wissen nicht, wohin man ihn gelegt hat. Da gingen Petrus und der andere Jünger hinaus und kamen zum Grab; sie liefen beide zusammen dorthin, aber weil der andere Jünger schneller war als Petrus, kam er als Erster ans Grab. Er beugte sich vor und sah die Leinenbinden liegen, ging aber nicht hinein.  Da kam auch Simon Petrus, der ihm gefolgt war, und ging in das Grab hinein. Er sah die Leinenbinden liegen und das Schweißtuch, das auf dem Kopf Jesu gelegen hatte; es lag aber nicht bei den Leinenbinden, sondern zusammengebunden daneben an einer besonderen Stelle. Da ging auch der andere Jünger, der zuerst an das Grab gekommen war, hinein; er sah und glaubte. Denn sie wussten noch nicht aus der Schrift, dass er von den Toten auferstehen musste.



Wären nicht die weißen Flügel der Engel, oder die hellen Rüstungen der Soldaten, oder auch der untere Teil des linken Engelgewandes, dann könnte man schnell sagen, dieses mittelalterliche Fenster im Straßburger Münster ist wohl noch nicht gereinigt oder restauriert.


So aber fällt auf, dass ausgerechnet der Auferstandene und die Osterengel merkwürdig schmutzig braun sind, so als hätte das Reich der Toten, dem Jesus gerade aus dem Sarg entsteigt, auf sie alle abgefärbt.


Keiner sieht und erlebt den Moment, als Jesus sich zu regen beginnt, als der, der am Karfreitag tot und ermordet ins Grab gelegt wurde, von Gott so berührt wird, dass er zu leben beginnt.


In Deutschland, in Belgien, in Frankreich durchkämmen Sicherheitskräfte Häuser und Wohnungen um nach denen zu fahnden, die unerkannt sich in unsere Städte eingeschleust haben und nun darauf warten, bis sie von innen her unsere Ordnung, unsere Freiheit, unser Leben zerstören können.


Als am Karfreitag Josef von Arimathäa, die Frauen, Johannes und Nikodemus Jesus als Toten ins Grab gelegt haben, da haben sie ins Reich der Toten einen Schläfer gelegt. Gott schmuggelt durch diesen letzten Liebesdienst der Freunde Jesu  seinen Gesandten als Schläfer ins Reich des Todes. Unter all den Toten fällt der eine Tote nicht auf, wird vom Tod nicht beachtet, bis er nach zweieinhalb Tagen sich zu regen beginnt.


Aber als er sich zu regen beginnt, als Gott den toten Sohn Gottes zum Leben ruft, da kommt Bewegung in das Reich Totes. Denn so wie Christus sein Leben nicht für sich allein gelebt hat, sondern mit seinem Leben Menschen aufgerichtet, gestärkt, geheilt und zur Umkehr ermutigt hat, so ist es jetzt auch mit ihm dem Auferweckten in der Unterwelt. Der Schläfer Gottes zerstört nicht nur die Macht des Todes, begrenzt seine Macht auf den Moment des Durchganges, er kann als Bote Gottes gar nicht anders: er bringt Leben in den Todesbereich.


Der Schläfer Gottes teilt auch dort bei den Toten sein Leben, wie er es zuvor bei den Lebenden geteilt hat.


Auf dem Fenster hinterlässt das seine Spuren am Auferstandenen. Denn die Auferstehung ist nicht einfach ein Weiterleben, ein Wiederbeleben des alten Menschen. Auferstehung ist Verklärung. Verklärung bedeutet zunächst, dass das Vorhandene, das was bewahrunsgwürdig ist, von Gott so berührt ist, dass es nicht mehr vergänglich ist, sondern ewig. Wir nehmen mit ins ewige Leben was Gott berührt hat, und er rührt an, was ihm ähnlich ist: die Liebe, die Treue, die Barmherzigkeit.


Verklärung bedeutet aber auch, dass das, was nicht zu Gott passt, was keinen Wert für das Leben in seiner Gegenwart hat, von ihm so berührt wird, dass es ausgelöscht und vergeben wird. Diese Verklärung teilt Jesus mit den Verstorbenen im Reich des Todes. Er teilt sein neues Leben so mit ihnen, dass das was bewahrungswürdig ist, das was wir ja auch an ihnen geliebt haben, ewig wird.


Er nimmt im Austausch für dieses neue Lebendigkeit auf sich die Schuld, die Ichsucht, das Lebenszerstörerische.


Das sieht man im Auferstehungsfenster in Straßburg: Christus hat Leben abgeben, an die, zu denen er als Schläfer ins Grab gelegt wurde. Das Helle, das Reine, sein Lebenslicht. Er hat auf sich genommen, das was dem Tod gleich ist, das Dunkle und Todbringende.


Das Fenster zeigt jedoch keinen, der bei den Toten bleibt. Er entsteigt ja dem Grab, zurück zu den Lebenden. An Himmelfahrt wird dorthin gehen, wohin er zuvor die Toten geschickt hat: ins Leben beim Vater, in den Himmel.


Bevor er aber selbst dorthin zurückkehrt, woher er kommt, in den Himmel, wendet er sich noch einmal den Lebenden zu, jetzt als Auferstandener: So wie er die Toten bewegt hat, will er nun die Lebenden bewegen.


Er sendet sie. Bringt sie in Bewegung, seine Bewegung.  Die von seiner Auferstehung bewegten, die sich von seinem neuem Leben berühren, sollen verkünden: es lohnt zu lieben, es lohnt zu heilen, es lohnt Barmherzigkeit, denn das wird sich im Tod nicht untergehen, sondern uns begleiten in die Ewigkeit.


 „Eine russische Nonne wurde während des Zweiten Weltkrieges in ein Konzentrationslager der Nazis verschleppt. Eines Morgens musste sie mit den anderen Frau zum Apell antreten. Es wurde ausgelost, welche Frauen in die Gaskammer mussten. Als das los auf eine junge Frau fiel, begann sie voller Verzweiflung zu schreien. Bis zuletzt hatte sie gehofft, dass sie irgendwie überlebt. Da trat die russische Nonne zu ihr und sagte: ich begleite Dich. Nicht der Tod hat das letzte Wort, sondern das Leben. Da bin ich ganz sicher, so sicher, dass ich mit Dir in die Gaskammer gehen werde.


Die Überlebenden erzählten später: Als sie das gesagt hatte und sich zu den Todeskandidaten stellte, veränderte sich die ganze Atmosphäre an diesem Morgen, weil ein Mensch bereit war, freiwillig sein Leben zu geben, um zu bezeugen, dass er an das Leben und die Liebe glaubt.“ (nach Willi Hoffsümmer)


Europa hat eine gute Botschaft gegen die Boten des Todes: im Namen Gottes kommt nicht der Tod, im Namen Gottes kommt allein der, der stärkt was dem Leben dient.  Amen.


 Johannes 20, Fortsetzung:


Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Während sie weinte, beugte sie sich in die Grabkammer hinein. Da sah sie zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, den einen dort, wo der Kopf, den anderen dort, wo die Füße des Leichnams Jesu gelegen hatten. Die Engel sagten zu ihr: Frau, warum weinst du? Sie antwortete ihnen: Man hat meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wohin man ihn gelegt hat.  Als sie das gesagt hatte, wandte sie sich um und sah Jesus dastehen, wusste aber nicht, dass es Jesus war.  Jesus sagte zu ihr: Frau, warum weinst du? Wen suchst du? Sie meinte, es sei der Gärtner, und sagte zu ihm: Herr, wenn du ihn weggebracht hast, sag mir, wohin du ihn gelegt hast. Dann will ich ihn holen. Jesus sagte zu ihr: Maria! Da wandte sie sich ihm zu und sagte auf hebräisch zu ihm: Rabbuni!, das heißt: Meister. Jesus sagte zu ihr: Halte mich nicht fest; denn ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen. Geh aber zu meinen Brüdern, und sag ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott. Maria von Magdala ging zu den Jüngern und verkündete ihnen: Ich habe den Herrn gesehen. Und sie richtete aus, was er ihr gesagt hatte.