Brot in Asche gebacken

Impuls 13

Datum:
Di. 17. März 2020
Von:
Pfarrer Ronald Givens

Vor ein paar Jahren sind wir als Gemeinde zur Wallfahrt in Assisi gewesen. Damals haben viele aus der Gruppe lange in der gotischen Kirche Santa Clara gekniet. Manch einer ist mehrfach in diese Kirche gepilgert, um vor dem Kreuz zu beten, das das Leben des Heiligen Franziskus grundlegend verändert hat.

Als der junge Franziskus völlig verunsichert, wie es in seinem Leben weitergeht, vor diesem Kreuz, das heute in der Kirche Santa Clara aufbewahrt und verehrt wird, niederkniete, sprach das Kreuz mit ihm.

Was der Heilige Franziskus damals erfahren hat, das erleben bis heute unzählige Menschen: Das Kreuz spricht. Nicht so wie wir es in einem Gespräch mit einem Gegenüber gewohnt sind, sondern das Kreuz hat seine eigene Kreuzessprache.

Die meisten von uns haben bei sich zu Hause ein Kreuz, das ein Teil unserer Biographie ist. Der ein oder die andere hat sich bewusst an einem Wallfahrtsort oder im Urlaub ein Kreuz gekauft; andere haben es geschenkt bekommen; wieder andere haben ein Kreuz geerbt.

Ich vergesse nie, wie ich einmal mit zwei Messdienern in Altötting in einem Laden war. Ich habe zugeschaut, welches Kreuz die Jungs sich aussuchen. Bei mir im Zimmer hängt ein Kreuz, das ich aus meinem ehemaligen Kloster geschenkt bekommen habe. In der Marienkirche steht neben dem Altar ein Kreuz, zu dem einige von uns eine lange Geschichte erzählen könnten.

Ein persönlich gewordenes Kreuz erzählt aber nicht nur etwas über seine Herkunft, sondern es ist der stille Fluchtpunkt in müden Zeiten. Wer vor einem ihm wichtigen Kreuz kniet, kommt ins Gespräch - mit dem Gekreuzigten. Unser Herz versteht die Kreuzessprache. Es ist eine Sprache, in der es um Traurigkeit, um Resignation, um Angst, um tiefstes Vertrauen, um unbegreifliche Liebe, um eine Verbindung zwischen Gott und Mensch geht. Die Kreuzessprache ist eine Sprache, die alles auslotet, was unser Herz bewegt.

Papst Franziskus ist zu einem Kreuz in der Stadt Rom gepilgert. Dieses Kreuz wurde 1522 durch die Straßen von Rom getragen, um die Menschen, die damals von der Pest bedroht waren, zu trösten und um dafür zu beten, dass die Not ein Ende hat.

In der Corona-Krise ist das Zeichen des Papstes eine Ermutigung für uns alle, mit dem Kreuz ins Gespräch zu kommen.

Es ist es die Chance, in der Familie einander zu erzählen, welche Geschichte das Kreuz oder die Kreuze in der eigenen Wohnung haben. Es ist eine Chance, vor den Kindern, vor den Partnern, vor den Anderen, Zeugnis abzulegen, warum in unserer Wohnung überhaupt ein Kreuz hängt und was es mir bedeutet.

Es braucht in dieser Zeit, in der die sozialen Kontakte eingeschränkt werden - gerade jetzt im kleinen Kreis - den Mut, auf die Herzstücke des eigenen Lebens hinzuweisen.

Das Kreuz in der eigenen Wohnung schafft zudem Verbindung mit den Schwestern und Brüdern der Gemeinde, die ebenfalls ein Kreuz bei sich zuhause verehren. So unterschiedlich das Kreuz künstlerisch gestaltet sein mag: Es ist immer ein- und derselbe Gekreuzigte. Es ist immer die eine Kreuzessprache, die das Herz unmittelbar versteht.

Wer beim Läuten der Glocken um 12:00 Uhr und um 18:00 Uhr den Engel des Herrn betet, kann im Blick auf das Kreuz, das eigene Herz in den sicheren Hafen der Kreuzessprache bringen. Denn bei allen sich überschlagenden Meldungen zur Corona-Pandemie, erzählt das Kreuz von einem jungen Mann namens Jesus, der darauf vertraut hat, dass nicht seine Angst und seine Verzweiflung, nicht sein elendes Sterben am Kreuz, das letzte Wort in seinem Lebens hat, sondern der liebevolle Ruf seines himmlischen Vaters ins Leben.

Schauen wir uns um - nach diesem Zeichen unseres Glaubens - in unseren Wohnungen und Häusern. Das Kreuz, der Blick auf das Kreuz, die Zwiesprache mit dem Kreuz, macht unsere Wohnung zu einer Hauskirche - zu einem guten und heiligen Ort in der Krise.

Ihr Pfarrer Givens