Durchkreuzt 9

Predigt

Datum:
So. 17. März 2019
Von:
Ronald Givens

Es war Sonntag. Während die Frauen zum Grab liefen, um den Leichnam Jesu zu salben, wendeten sich zwei der Jünger Jesu von Jerusalem ab. Warum sollten sie dort auch bleiben? Sie waren auf dem Weg zurück in ihr altes Leben. Am Karfreitag hatte sich blutig gezeigt, dass ihre Hoffnung, ihre Träume falsch waren. Jesus, ihr angeblicher Messias, starb am Kreuz. Sobald der Sabbat vorbei war, flohen sie. Für einen Toten lohnte es sich nicht sein Leben aufzugeben und Jünger zu bleiben. Ein gutes Stück hinter Jerusalem schließt sich den Beiden ein Dritter an. Jesus. Er begleitet sie bis nach Emmaus. In der Schrift steht das merkwürdige Wort: ihre Augen waren gehalten. Darum ist unser Altar gefesselt. Die beiden Jünger haben gefesselte Augen. Sie können Jesus als vom Tod Auferstandenen nicht sehen. Sie sehen nur das, was alle Welt sagt: Mehr gibt es nicht. Das ist die Wirklichkeit. Mit dem Tod ist Schluss. Das Grab ist Endpunkt und Zielpunkt allen Lebens. Die Fesseln am Altar stehen für die gehaltenen Augen.

Es ist Nacht. Sie hocken eng um das Feuer. Einer schläft. Die Schafen blöken dann und wann. Mit einem Schlag wird es gleißend hell. Die Hirten um das Feuer sind geblendet. Nur noch Furcht vor so viel Licht. Der Himmel ist aufgerissen. Stimmen und Gesang. Sie sollen nach Bethlehem laufen und ein Kind anschauen. Mit den geblendeten Augen, mit den Augen die mitten in der Nacht vom Strahlen der Engel aufgerissen wurden. Die Fesseln um den Altar stehen für das in Windeln eng gewickelte Kind in der Krippe. Dieses verkrumpelte Neugeborene soll Gottes Sohn sein? Die Hirten erzählen denen, die nur Windeln sehen, vom Licht, vom Gesang, von der Furcht während sie auf das Kind schauen. Sie sehen mit gegleißten Augen.

Sie laufen beide zum Grab. Am Ostermorgen. Petrus und Johannes. Johannes ist schneller. Die Fesseln um den Altar stehen für das was Petrus im Grab sieht: Die Leinenbinden. Wie abgelegte Fesseln. Der Leichnam ist fort. Er sieht nichts. Johannes schaut zurück. Damals auf dem Berg der Verklärung. Nur noch Licht. Jesus strahlt, so dass sie nichts mehr sahen. Ist es das, was er jetzt hier in dem leeren Grab sehen soll? Hat das Taborlicht seine Augen für den Blick ins Grab vorbereitet?

Die Taufe ist unser Berg Tabor. Am Tag unserer Taufe werden unsere Augen entfesselt. Sie werden mit Auferstehungslicht gewaschen. Wir brauchen diese gewaschenen Augen, um anders sehen zu können, als die Welt. Die gewaschenen Augen sehen in einem neugeborenen Kind nicht Afrikaner, Asiate, Europäer, verwandtes oder fremdes Kind, sondern ein Kind von Gott bejaht. Die gewaschenen Augen sehen in dem Alten mit dem Rollator auf dem Heimflur keinen Dementen, sondern einen gesalbten König. Die gewaschenen Augen sehen in dem verschlossenen Sarg nicht den Abschluss eines Lebens, sondern den Beginn eine unglaublichen Verwandlung zum Leben.

Auf dem Berg Tabor werden den Jüngern die Augen entfesselt, damit sie sehen wie Gott Jesus sieht. Ihren Augen werden mit Licht getauft. Der gefesselte Altar ist die Einladung an uns, die Augen, die vom Blickwinkel der Welt auf das Leben gefesselt sind, in dieser Fastenzeit wieder zu getauften Augen zu machen, die das Licht von Ostern mitten im Leid und der Dunkelheit erkennen können. Getaufte Augen durchkreuzen den finsteren Blick der Welt auf das Leben mit dem strahlenden Licht des Ostermorgens. Amen.