Fasst mich doch an!

Predigt 3. Sonntag der Osterzeit

Datum:
Mo. 19. Apr. 2021
Von:
Herbert Kohl

Fasst mich an – Den Glauben in die Hand nehmen

Liebe Gemeinde,

das Osterevangelium, das wir gerade gehört haben, wird bei mir normalerweise sofort in die Schublade gelegt auf der steht: Kenne ich schon. Habe ich schon hundertmal gehört. Ich weiß schon was jetzt in der Predigt kommt. Normalerweise wird uns dann erzählt – im Rückgriff auf die Emmaus-Jünger – wie nun endlich alle beisammen sind und sie alle gemeinsam Jesus sehen. Eigentlich sollte doch nun ein Ruck durch die Frauen und Männer gehen, die sich zu Jesus bekennen. Sie könnten doch sagen: „Wir haben es gehofft und nun ist es eingetreten. Jesus, du lebst und sprichst zu uns. Hurra.“ Aber leider ist es nicht so einfach mit dem Glauben, weil uns unsere ganze Lebens-Erfahrung etwas anderes gelehrt hat. Das kann nicht sein. Das gibt es nicht. Tot bleibt tot. Eher glauben wir an Halluzinationen, an Geister, als an Auferstehung, denn das entzieht sich unserem Vorstellungsvermögen. Das gilt auch für unsere Beziehungen, die abgestorben sind. Uns fehlt oft der Glaube daran das ein neuer Anfang möglich ist und dass es jemand gut mit uns meint. Zu oft wurden wir schon enttäuscht.

Dann darf die Auslegung der Schrift nicht fehlen, denn das erklärt Jesus ja auch seinen Jüngern. Alles musste so kommen. Alles stand schon lange geschrieben in den Schriften der Thora.

Und letztendlich der verzweifelte Versuch Jesu die Jünger doch noch zu überzeugen das er lebt, indem er sich ein Stück Fisch geben lässt und vor den Augen seiner Jünger isst. Das ist doch real. Das kennt ihr doch. Essen und Trinken. Das habe ich doch viele Male mit euch gemeinsam getan. Jetzt müsst ihr es doch glauben….

Man möchte den Jüngern förmlich helfen, sie bitten und sie anflehen doch endlich zu glauben. Aber ich kann durch den Text und die Zeit hindurch förmlich ihre Skepsis spüren, die sie daran hindert, Jesus zu glauben.

Beim Lesen der Bibelstelle ist mir ein kleiner Satz aufgefallen, der für mich eine Schlüsselbedeutung hat. Für mich persönlich.

Fasst mich doch an. Fasst mich doch an. Fasst mich doch an.

Berührt mich doch. Spürt doch – fühlt doch das ich lebe.

Mir fällt an dieser Stelle der hl. Franziskus ein, der sich vor den Wunden der Aussätzigen geekelt hat. Sie haben sein Weltbild gestört – das Weltbild eines reichen und verwöhnten Kaufmannssohns.

Nach seiner Bekehrung – nach seiner Erfahrung das Jesus lebt – war er bereit diese Menschen zu berühren. Er hatte keine Scheu mehr, sondern wusch Aussätzige und pflegte sie.

Fasst mich doch an.

Fast verzweifelt mutet dieser kleine Satz von Jesus an. Wieviel Hoffnung hatte er in seine Jünger gesetzt. Damals schon, im Abendmahlssaal – als keiner bereit war den anderen an den Füßen zu berühren, obwohl niemand aussätzig war, sondern nur staubig. Damals hat er selbst Hand angelegt. Hat seine Freunde berührt mit seinen Händen und ihnen dadurch seine Zärtlichkeit und Liebe gezeigt. Und nun wollen sie wieder nicht verstehen – die Botschaft der Auferstehung wird in ihrem Kopf blockiert, so dass sie es nicht bis in ihr Herz schafft.

Fasst mich doch an. Berührung ist Heil-sam. Auch diese Botschaft hat Jesus seinen Jüngern immer wieder vorgelebt. Wie viele Menschen hat er durch sein aufrichtendes Wort und seine zärtliche Hand geheilt. Auch uns heute lädt er ein einander zu berühren, auch wenn es gerade in dieser Corona-Zeit sehr schwierig geworden ist mit dem Körperkontakt.

Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Massagetherapien helfen, bei Krebspatienten Ängste abzubauen, Depressionen entgegenzuwirken und sogar Schmerzen zu mindern. Und auch für das Herz ist Körperkontakt gut. Eine Studie hat gezeigt, dass 20 Sekunden Umarmung, gefolgt von 10 Minuten Hand-halten, den Blutdruck und den Herzschlag senken. Die Autoren der Studie glauben, dass regelmäßiger Körperkontakt einer der Gründe ist, weshalb Menschen in stabilen Partnerschaften ein geringeres Risiko für Herzkreislauferkrankungen haben. Berühren kann ich aber auch das Herz eines Menschen – sogar ohne Körperkontakt. Durch ein freundliches Lob, ein aufmerksames Danke oder ein einfaches kleines Lächeln

Fasst mich doch an

Das sagt Jesus heute auch zu uns. Fass mich an, berühre mich. Es gibt so viele Möglichkeiten mit mir in Kontakt zu kommen.

Packt an – nehmt euren Glauben in die Hände – dann wird er auch euer Herz erreichen. Ich denke an die Kommunionkinder und Jugendlichen – an die vielen Helfer, die vor Ostern die Briefe zu unseren Kranken und Alten getragen haben. Sie haben Jesus berührt.

Fasst mich doch an.

Ich denke an die vielen Viernheimerinnen und Viernheimer die sich für unsere Partnergemeinde in Burkina Faso engagieren, die z.B. Marmelade kochen und – trotz Corona – auf Vorbestellung verkaufen, weil sie die Hungersnot dort lindern wollen. Sie haben damit Jesus berührt.

Fasst mich doch an.

Ich denke an die zahlreichen Frauen und Männer, die in der Tafel arbeiten, die Lebensmittel abholen, aussortieren – auch mal das faule und gammelige Gemüse anfassen und aussortieren und es dann in Körbe packen für Menschen mit geringem Einkommen. Sie berühren Jesus.

Fasst mich doch an.

Ich denke an die vielen Menschen, die sich um ihre alt gewordenen Eltern kümmern oder um Kranke in ihrer Familie. Die für sie einkaufen, waschen, an ihrem Bett sitzen, sie anrufen, ihnen zuhören und einfach Zeit schenken. Sie berühren Jesus.

Fasst mich doch an.

Bei den Jüngern hat das gedauert. Direkt im Anschluss an das heutige Evangelium berichtet Lukas von der Himmelfahrt und davon das Jesus ihnen seinen heiligen Geist verspricht. Dieser Geist gibt ihnen endlich den Mut das als Realität anzunehmen was ihnen ihr Kopf verwehrt. Jesus lebt und auch wir werden leben.

Auch wir brauchen die Unterstützung von Jesus – ohne seine Hilfe können auch wir das Ostergeschehen nur theoretisch erfassen. Jesus weiß das und hat uns dafür sein Brot geschenkt. Brot das wir nicht nur anfassen, sondern sogar essen dürfen. Mehr Berührung geht nicht. Näher können wir ihm nicht kommen, als dass wir ihn essen und in uns aufnehmen.

Fass mich doch an. So bittet Jesus uns alle im heutigen Evangelium. Denken wir nachher daran beim Kommunionempfang, auch wenn wir unser AMEN sprechen. Unser kleines Glaubensbekenntnis: Ja, ich glaube. Dann werden wir so verwandelt werden das wir unseren Glauben an den auferstandenen Christus handgreiflich werden lassen können in unserem Leben.

Geht hinaus in alle Welt und bekennt mit euren Händen: Jesus lebt. Er ist wahrhaft auferstanden. Halleluja.