Fastenzeit 2022

Gedicht in der Fastenzeit

Datum:
Mi. 2. März 2022
Von:
Pfarrer Ronald Ashley Givens

Gib Frieden, Herr, gib Frieden

2) Gib Frieden, Herr, wir bitten! Die Erde wartet sehr.

Es wird so viel gelitten, die Furcht wächst mehr und mehr.

Die Horizonte grollen, der Glaube spinnt sich ein.

Hilf, wenn wir weichen wollen, und lass uns nicht allein.

 

4) Gib Frieden, Herr, gib Frieden: Denn trotzig und verzagt

hat sich das Herz geschieden von dem, was Liebe sagt!

Gib Mut zum Händereichen, zur Rede, die nicht lügt,

und mach aus uns ein Zeichen dafür, dass Friede siegt.

("Gib Frieden, Herr, gib Frieden" ist ein von dem mennonitischen Kirchenlieddichter Jan Nooter verfasstes Kirchenlied. Übersetzt ins Deutsche von Jürgen Henkys. Evang Gesangbuch 430, Strophen 2+4.)

 

Ein tiefes, dunkles Blau umfängt einen, wenn man die schwere Türe der „Kaiser Wilhelm Gedächtnis Kirche“ in Berlin-Mitte aufzieht. Es ist Sonntag. Die große Friedensdemonstration, die sich durch Berlin geschoben hat, hat nach und nach den Verkehr und den Alltag wieder freigegeben. Und doch ist sie allgegenwärtig. In allen möglichen Sprachen hört man immer wieder das Wort UKRAINE in Gesprächen heraus. Viele sind am Ende des Friedensmarsches von der Russischen Botschaft durch den Tiergarten spaziert, um im Blau dieser Kirche, unter dem stillen und in sich ruhenden Christus von Ernst Barlach eine Kerze zu entzünden. Dort, in diesem tiefen Blau, habe ich das Gebet von Jan Nooter gelesen und nachgebetet. Schon nach der zweiten Zeile wusste ich, dass dieses Gedicht uns durch die Fastenzeit begleiten wird.

Dieses Gedicht oder Gebet ist wie eine Fußnote zum Vaterunser für unsere Tage. Obwohl es 1963 geschrieben worden ist, könnte es nicht aktueller sein. Jan Nooter dichtet es im selben Jahr, in dem Papst Johannes XXIII. seinen Friedensbrief „Pacem in terris“, Friede auf Erden, an die Völker unserer Erde schreibt. Mitten im Kalten Krieg, zwei Jahre nach dem Bau der Berliner Mauer, unter dem Eindruck der Kubakrise.

Es gibt viele Zeilen im Vaterunser, wo man das Zeichen für die Fußnote setzen könnte, den Hinweis, dass dieses Gebet von Jan Nooter, jenes Wort oder jene Bitte Jesu im Vaterunser aufgreift, erläutert, verdichtet.

Wandert man von der „Gedächtniskirche“ quer durch Berlin zur „Herz Jesu Kirche“ am Prenzlauer Berg, dann findet man dort einen der sog. Friedensmahner, die in ganz Europa, anlässlich des 40. Jahrestages der Friedensenzyklika "Pacem in terris", aufgestellt worden sind. Sie laden ein, täglich um 12 Uhr innezuhalten, entweder das Vaterunser, den Engel des Herrn zu beten, oder eine Minute zu schweigen. Für den Frieden in der Welt. Der erste dieser Friedensmahner wurde an der Brücke in Sarajewo, wo der 1. Weltkrieg begann, aufgestellt.

Wir in Viernheim läuten jeden Tag um 12.00 Uhr unsere Glocken. Sie sind eine beständige Einladung, einen Raum im eigenen Herzen zu öffnen, den Gott braucht, um dem Frieden auf Erden eine Chance zu geben.

 

1) Gib Frieden, Herr, gib Frieden, die Welt nimmt schlimmen Lauf.

Recht wird durch Macht entschieden, wer lügt, liegt obenauf.

Das Unrecht geht im Schwange, wer stark ist, der gewinnt.

Wir rufen: Herr, wie lange? Hilf uns, die friedlos sind.

 

3) Gib Frieden, Herr, wir bitten! Du selbst bist, was uns fehlt.

Du hast für uns gelitten, hast unsern Streit erwählt,

damit wir leben könnten, in Ängsten und doch frei,

und jedem Freude gönnten, wie feind er uns auch sei.