Fastenzeit 2022

Vaterunser 1. Fastensonntag

Datum:
So. 6. März 2022
Von:
Pfarrer Ronald Ashley Givens

Betrachtung zum Vaterunser 1

In der Normandie, in einer kleinen Kirche, nicht weit von den hohen Klippen über dem Meer, lauscht diese Frau. Sie hat ihren Kopf an einen Holzbalken gelegt. Sie verstärkt ihr Lauschen, ihr Hören durch die vorsichtig auf das Holz gelegten Hände. Ihr blauer Umhang schirmt ihr rechtes Ohr von allem anderen ab. Mit ihrem Ohr auf der Herzseite hört sie, allein damit und mit der Hand.

Vater unser im Himmel. Unserem Beten geht das Hören voraus. Wer die Erfahrung gemacht hat, dass Worte nicht Schall und Rauch sind, der traut sich zu beten. Auf guten Worten kann ich mein Leben aufbauen. Wie kostbar ist es, wenn eine oder einer erfahren hat, dass er oder sie auf ein Wort bauen kann. Wie berührend bin ich, wenn ich den Mut und die Liebe aufbringe, einem anderen Menschen mein Wort zu geben, aus ganzem Herzen.

Die Frau am Kreuzesbalken Jesu lauscht zurück. Mitten in der Lebenszerstörung des Karfreitag hört sie sich zurück, weg von Jerusalem, weg vom Dunkel, nach Galiläa. Sie lauscht zurück, erspürt was ihr geblieben ist von Jesu Worten. Braucht jedes Wort für diese dunkle Zeit ihres Lebens. Mit jedem Wort sieht sie seine Augen, sein Lachen, seine Gesten. Hörtsieht sie seine Hände mit einem Stück Brot darin oder auf einem Menschen in seiner Not heilend liegen.

Vater unser im Himmel. Wir können beten, weil es sie gibt, die Tragworte. Die Fundamentworte. Die Hoffnungsworte. Die Lebensworte. Nicht immer wissen wir, dass uns gerade jetzt so ein Wort geschenkt wird, aber im Zurückhören, im Lauschen findet unser Herzohr diese Worte. Auch am Kreuzesbalken. Dort wo wir sie am Nötigsten brauchen.

Vater unser im Himmel. Als Jesus zum ersten Mal seinen Jüngern dieses Wort schenkt, lässt er sie in diesem ersten Wort hören, was ihn trägt, was ihn mit Himmel anfüllt, was ihn betvertrauend gemacht hat..