Herbergsschlüssel

Predigt zum 4. Adventssonntag

Datum:
So. 18. Dez. 2022
Von:
Pfarrer Ronald Ashley Givens

In einer kleinen Metalldose bewahre ich sie auf. Schlüssel. Von dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin, das längst verkauft ist. Lange hatte ich auch noch einen der Schlüssel vom Kloster, das ich verlassen habe und es hat mich noch einmal Tränen gekostet, als ich ihn Jahre später an der Pforte abgegeben habe.

Wer hat Ihren Haus- oder Wohnungsschlüssel? Welche Schlüssel haben Sie? Jeder von uns hat eigene Schlüsselgeschichten. Den Kindern einen eigenen Schlüssel zu geben und unbewusst zu ahnen, dass dies der erste Schritt sein wird zu ihrem Auszug. Im Alter jemanden zu finden, um die Schlüssel anzuvertrauen, weil es sein könnte, dass man zu hilflos ist, dem Arzt oder dem Pflegedienst die Tür zu öffnen. Schlüsselgeschichten von ausgewechselten Schlössern. Geschichten von Schlüsseln, die einem im Krankenhaus nach dem Tod, nach einem Unfall in die Hand gedrückt werden und die man so nicht wollte. Schlüssel, die nach einer Trennung, nach dem zerbrechen einer Freundschaft nur noch daran erinnern, dass es auch mal anders war. Oder Schlüssel, die von der Liebe, vom Familiensinn, von Freundschaft erzählen.

Josef sucht einen Schlüssel. Monate bevor ihm in Bethlehem der Herbergswirt die Schlüssel zum Stall geben wird, steht er vor der Frage, ob er Maria sein Leben, sein Haus, seine Zukunft aufschließen soll? Fürchte dich nicht Maria als deine Frau zu dir zu nehmen. Was in jungen Jahren mit einem wehenden Herzen und mit ungetrübten Mut uns möglich war, uns zu fragen, bin ich verliebt? Möchte ich diesen Menschen in mein Leben lassen? Das wird mit jedem Lebensjahr schwerer, Freundschaft zu suchen und zuzulassen. Zu lieben und uns zu lieben lassen. Die Stimmen, die das Herz überzeugen wollen, die Lebens- und Herzenstüren lieber geschlossen zu halten werden immer lauter, je schwerhöriger wir mitunter werden. In der Nacht, in der Stille, im Traum wird Josef wieder jung und im besten Sinn des Wortes: leicht-sinnig. Maria und Josef werden einander Herberge sein, weil Josef einen Zugang findet zu seinem Herzen, das auch nach hunderttausenden von Schlägen nicht vergessen hat, wie gut es ist, wenn das Herz vor Liebe einem bis zum Hals schlägt. Es braucht das leichtsinnige Herz des heiligen Josef, damit wir in der eigenen Herberge nicht vereinsamen.

Das Evangelium erzählt nicht nur von der stillen Nacht in der Josef seinem Herzen folgt, sondern auch davon, dass Gott auch noch durch andere Türen geht, als die, von denen wir als Kirche behaupten, sie seien die einzig gottgewollten. Wie kann man im Wissen um die biblische Erzählung von einer unnatürlichen Zeugung Jesu, im Erzählen der ganz anderen Vaterschaft des heiligen Josef, nicht mit großem und weitem Herzen die Kirchentüren weit öffnen, für all diejenigen die einen Weg suchen einem Kind das Leben zu schenken? Können zwei Väter, können zwei Mütter, kann eine Patchworkfamilie, können all die Formen von Partnerschaft, die darum ringen füreinander Herberge zu sein, sich nicht alle auch berufen auf Josef und seine Vaterschaft? Auf Maria und ihre Schwangerschaft? Hat der Stall zu Bethlehem wirklich nur die eine Tür, die wir jahrhundertelang aufgeschlossen haben? Es ist Zeit am Schlüsselbrett des Herzens nachzuschauen, ob da nicht och ein paar freie Zimmer zu vergeben sind, damit es nicht so einsam wird in der Herbergskirche. Amen.