Kar und Ostertage 2022

Predigt Karfreitag

Datum:
Fr. 15. Apr. 2022
Von:
Pfarrer Ronald Ashley Givens

Ein Blatt Papier. Handgeschöpft. In einer Dorfgemeinschaft. Ökologisch. Fair gehandelt.

Es braucht keine Tinte, um das Blatt zu beschreiben. Es in einen Brief zu verwandeln.

Frauen aus unserer Gemeinde haben es gemeinsam mit Gem. Ref Christina Feifer gefaltet.

Jeder Falz, jeder Knick hat das Papier verändert, gezeichnet. Die Linien bleiben, auch wenn man das Blatt wieder auseinanderfaltet.

Wie viel hat uns gezeichnet. Wie viel hat seine Spuren auf uns und in uns hinterlassen. Wie oft sind wir geknickt worden oder sind eingeknickt.

Jesus hat keinen Brief geschrieben. Er war kein unbeschriebenes Blatt. Er hat sich berühren lassen, am Ende sogar zusammenfalten lassen. Er hat andere berührt, die Begegnung mit ihm an die verändert, ihre Spuren hinterlassen. Geknickte hat er aufgerichtet, nicht zerbrochen.

Man kann daraus einen Düsenjäger falten. Oder eine Rakete. Oder auch ein mittelmeeruntaugliches Boot. Die Leichensäcke reichen gar nicht aus um die Frauen, Männer, Kinder zu fassen, deren Lebenslinie geknickt wurde, durchkreuzt wurde, weil eine Rakete in den Himmelgestiegen ist, weil ein überfülltes Boot in See gestochen ist, weil ein Düsenjäger den Himmel verdunkelt hat.

Die Frauen haben daraus einen kleinen weißen Vogel gefaltet. Ein Kranich. Symbol für den Frieden. Symbol für die Wachsamkeit. Symbol für die Seele, die in die Ewigkeit getragen wird.

Könnte man das Leben Jesu, heute am letzten Tag seines Lebens, wie diesen kleine Kunstwerk auseinanderfalten, wieder zurück zu einem Blatt Papier. Könnte man auffalten, nach und nach dann könnte man sich noch sehr mühen, das Blatt drehen und wenden, aus die Linien, aus den Knicken seines Lebens, aus dem was ihn geprägt und gezeichnet hat, kann man niemals einen Düsenjäger, eine Rakete oder einen Seelenverkäufer falten. Alle Linien, jede Prägung würde sich dem widersetzen.

Es ist ein hilfloses Symbol dieser kleine Vogel, mit dem wir jetzt zur Kreuzverehrung gehen werden. So wie wir immer hilflos sind, wenn wir zu unseren Toten gehen. Wir tragen es zu dem, der heute am Karfreitag bis zum letzten Atemzug daran festgehalten hat, dass er ein Liebesbrief, ein Lebens-Symbol sein möchte.  Aus seiner Lebenslinie, aus seinen Prägungen, auch aus seinem Knick am Karfreitag kann man kein Kreuz, keine Rakete, kein Waffe, kein Symbol machen, das andere zum Opfer macht für Gott oder die Welt. Jesus wollte ein Liebesbrief sein und all jene ermutigen die daran glauben, dass der Mensch zu einem Liebesbrief werden kann, zu einem Symbol des Friedens.