Karwoche

Predigt Gründonnerstag

Datum:
Fr. 2. Apr. 2021
Von:
Pfarrer Ronald Givens

Predigt Gründonnerstag

 

An Ostern, am Ostermorgen verteilen wir in unseren vier Kirchen einen kleinen Erzählband. Wenn Sie möchten, dürfen Sie gerne für sich zum Osterfest dieses kleine Geschichten-Buch abholen. Für sich selbst und sie dürfen sie es für die Menschen mitbringen, die ihnen wichtig sind, die ihr Herz bewegen.

In diesen kleinen Kästchen, liegt am Ostermorgen die Hostie, der Leib Christi, die Geschichte seines Lebens. Als er am letzten Abend seines Lebens, an diesem Abend heute, vor dem Karfreitag, ein Stück Brot in die Hand nimmt, dann nimmt er sein Leben in die Hand.

Dieses Brot ist die Erinnerung daran, wie Maria in Nazareth Brotfladen gebacken hat, wie es geduftet hat, wie er mit diesem Brot hinübergelaufen ist in die Werkstatt zu seinem Vater Josef, um ihm das frische Brot zu bringen.

In diesem Brot erinnert er sich an den kleinen Jungen am See Genezareth, der plötzlich neben Andreas gestanden ist, den Brotbeutel, den ihm seine Mutter mitgegeben hat, geöffnet hat, und seine fünf Brote Jesus anvertraut hat.

In diesem Brot steckt das befreite Lachen von Zachäus, als Jesus bei ihm und den anderen Zöllnern am Tisch sitzen blieb, das Brot in die Schüssel tunkte, und sich nicht beeindrucken ließ, von den hämischen und böswilligen Kommentaren, der Rechtschaffenen.

In diesem kleinen Erzählband in Brotform, stecken die langen und schönen Abende im Haus von Maria, Martha und Lazarus, steckt das Geschrei und das Lachen der Kinder von Petrus und seiner Frau, bei denen Jesus so gerne bei Tisch gesessen hat.

Wenn Jesus in der letzten Nacht seines Lebens das Brot in die Hand nimmt, den Becher mit Wein hochhebt, dem Himmel entgegen, dann wird er sich erinnern, wie Josef ihm die Geschichte von Abraham und Hagar erzählt hat. Wie er beim Licht der Seder Kerzen staunend gehört hat, wie in der Wüste plötzlich Brot vom Himmel kam. Jesus wird sich erinnern wie er als Junge stolz gewesen ist, dass er ein Jude ist, dass er zu dem Volk gehört, das immer wieder erfahren hat, dass Gott sie nicht untergehen lässt.

Die ganze Nacht des Gründonnerstag würde nicht ausreichen um zu erzählen wie viele Geschichten, wie viel Heilung, wie viel Neuanfang, wie viel Schönes in diesem kleinen Stück Brot liegt.

Jesus wird nicht nur dieses Brot an seine Jünger verteilen, er wird es auch selber essen. Das ist seine Nahrung für den Garten Gethsemane, für den Kuss des Judas, für die Ohrfeige im Haus des Hohenpriesters, dieses Stück Brot ist sein letzter Halt, wenn die Soldaten ihn auspeitschen, wenn im letzten Moment Simon von Cyrene das Kreuz mitanpackt, wenn sein Durst mit Essig beantwortet wird.

Wenn wir heute Abend oder am Ostermorgen den Leib Christi, das Brot des Lebens, den Erzählband Jesu in Händen halten, dann wird er unsere Geschichte.

Vielleicht sitzen sie ja dann mit jemanden am Küchentisch oder im Wohnzimmer und beginnen zu erzählen, was ihnen dieses Brot bedeutet. Welche ihrer Lebensgeschichten sich mit dem Brot des Lebens verbunden haben.

Eines ist gewiss. In dem Augenblick, in dem wir dieses kostbare Stück Brot, die Lebensgeschichte Jesu uns einverleiben, dass Brot essen, wird seine Geschichte, ein Teil unseres Lebens. Mehr noch, wir werden ein Teil seines Lebens, voller Stolz und voller Freude wird er uns anschauen und dabei denken: Schau an dieser Mensch gehört zu meinem Volk, das ist meine Schwester, das ist mein Bruder. Und er wird neugierig sein, welche Wege wir gehen in der Kraft dieser Speise, die ihm selbst geholfen hat die ganz schweren Wege und die ganz lebendigen und befreiten Wege zu gehen. Amen.

 

Pfarrer Ronald Ashley Givens