Nächstes Jahr in Jerusalem

Pilgerreise 41

Datum:
Di. 5. Mai 2020
Von:
Pfarrer Ronald Givens

Virtuelle Pilgerreise 2020, 41 Wein

Ganz in der Nähe jenes Kibbuz, in dem der ehemalige Premierminister Ben Gurion mit seiner Frau gelebt und gearbeitet hat, sind wir an diesem Morgen zu einer langen Wanderung aufgebrochen.

Zunächst geht es entlang eines Baches hinein in eine breite Wüstenschlucht. Hier gibt es Grün und es wachsen auch Bäume. In ihrem Schatten halten wir unsere Morgenandacht. Gemeinsam beten wir den Psalm 1. Jeder betet einen Vers vor und es ist gut, die unterschiedlichen Stimmen zu hören. Auf dem nächsten Stück des Weges beten wir den Rosenkranz. Die einzelnen Gesetze des Rosenkranzes orientieren sich am Gleichnis vom barmherzigen Samariter.

Am Ende der Schlucht wartet eine Überraschung. Mitten in dieser Wüstenlandschaft stehen wir vor einem Wasserfall. Er stürzt in ein großes Becken mit klarem Wasser. Nach gut zwei Stunden Wanderung - in der schon am Morgen sehr starken Hitze - ist dieses Wasser eine einzige Einladung. Natürlich gibt es keine Umkleidekabinen, aber wir finden Lösungen, damit jeder seine mitgebrachten Badesachen anziehen kann. Es ist eine pure Wohltat, in das frische, kühle Wasser einzutauchen.

Anschließend geht es auf unserer Wanderung noch tiefer in die Wüste hinein. Vom Wasserfall führt der Weg in langen Serpentinen hinauf auf ein Plateau. Der Ausblick ist atemberaubend. Vor uns liegen Wüstenberge aus weißem Gestein, dazwischen Berge, die ocker- oder sandfarben sind. Immer wieder legen wir eine Pause ein - für einen Impuls, aber auch um Kraft zu sammeln. Die 4 l Wasser, die jeder mit sich trägt, wiegen schwer, aber jeder und jede spürt, dass es in dieser Hitze nicht zu viel, sondern eher zu wenig ist.

Erst am Abend sind wir wieder an unserem Bus. Es war mehr als anstrengend. Wasser hat am Ende des Weges keiner mehr übrig. Auf dem letzten Stück haben die, die noch einen Vorrat hatten, mit denen geteilt, denen das Wasser ausgegangen war.

Mohammed hat nicht nur die Wasservorräte in der kleinen Kühlbox aufgefüllt, sondern er hatte auch Eis besorgt. Genial - am Ende des Weges ein Schokoeis im Bus!

Nach einer halben Stunde Fahrt, steigen wir an einer Farm aus. Es geht zu Fuß über einen Schotterweg, vorbei an Ziegenherden, eine kleine Anhöhe hinauf. Vor uns liegt ein Aha-Moment: Riesige Felder mit Weinstöcken - mitten in der Wüste ein Weinanbaugebiet.

Zur Belohnung des langen Wandertages gibt es eine Weinprobe und Ziegenkäse. Schnell ist vergessen, wie verschwitzt und verstaubt wir aussehen. Das Winzerehepaar, beide aus Österreich, erzählen uns, wie sie vor gut 30 Jahren hierher in den Negev gekommen sind und angefangen haben, Weinberge zu pflanzen. In Österreich und in Israel hielten viele sie für verrückt. Aber die umliegenden Kibbuze hatten ausgeklügelte Bewässerungssysteme erfunden, die ihnen Mut machten, diesen Neuanfang zu wagen. Zudem war zur Zeit der Nabatäer hier ein großes Weinanbaugebiet.

Während die Sonne rotorange über der Negev Wüste untergeht, genießen wir schweren Rotwein, frisches Brot und Ziegenkäse. Wir sind müde von der langen Wanderung und vom Wein, aber zufrieden. Alle erzählen von der Wüste, davon dass es mehr als eine Stelle gab, an welcher, der ein oder andere am liebsten aufgegeben hätte und wie ermutigend es ist, als Gruppe einen solchen Weg zu bestehen.

Als wir in den Kibbuz zurückkehren, ist es längst Nacht

Als die Jünger in Sichem aufbrechen, haben sie in ihrem Gepäck, auch mehrere Schläuche mit Wein. Sie haben ihn bei Samuel gekauft. Er bezieht seinen Wein bei den Samaritern. Es ist noch neuer Wein, die Jünger können sich den guten, alten Wein nicht leisten. Samuel versichert ihnen aber, dass es ein guter Wein ist, den sie in die neuen Schläuche gefüllt haben.

Er gibt ihnen auch eine kleine Amphore mit einem besonderen Wein mit. Lukas und sein Bruder haben solchen Wein bei Samuel bestellt. Die Samariter vermischen diesen besonderen Wein mit verschiedenen Heilkräutern und lassen ihn in kostbaren Holzfässern reifen. Er heilt Wunden.

Als Samuel die Bestellung der beiden Arzt-Brüder für den Transport mit einer Karawane packt, erzählt er den Jüngern von diesem Heilwein der Samariter.

Da gehen ihnen die Augen auf. Jesus musste von der heilenden Wirkung dieses Weines gewusst haben, als er das Gleichnis vom barmherzigen Samariter erzählt hat. Der Samariter verarztet die Wunden des Überfallenen mit Wein und Öl. (Lukas 10,35)

Auf dem Weg legt Thomas den anderen Jüngern und Markus seine Gedanken dar. Das was Samuel über den Wein erzählt hat, beschäftigt ihn. Im Abendmahlssaal hatte er sich schwergetan, dass Jesus den Becher mit Wein zu seinem Blut erklärt hat. (Lukas 22,20)

Wie die anderen Jünger wusste er natürlich, dass der Becher mit Wein beim Pessach-Mahl an das Schutzzeichen mit dem Blut der geschlachteten Lämmer an den Türen der Israeliten in Ägypten erinnerte. (Exodus 12,13)

Nun war ihm eine andere Verbindung gekommen. Wenn Jesus darum wusste, dass der Wein Wunden heilt und er den Wein, den sie zu seinem Gedächtnis trinken sollten, als sein Blut erklärte, dann war Jesus wie ein Arzt. (Lukas 5,31) Die Wunden der Seele, die Wunden, die eigenes oder fremdes Versagen im Innern eines Menschen gerissen hatten, sollten so geheilt werden. Vielleicht hat er deshalb die Wundmale der Kreuzigung betasten sollen, nachdem er mit angesehen hatte, wie schrecklich und stark sie geblutet hatten.

Auf ihrem Weg redeten sie lange über das, was Thomas gesagt hatte und sie nahmen sich vor, am Abend nicht nur das Brot in Erinnerung an Jesus zu brechen, sondern noch bewusster den Becher mit Wein zu teilen. Ganz langsam begannen sie zu ahnen, wie viel es noch von dem zu begreifen gab, was sie in den drei Jahren mit Jesus gehört und gesehen hatten. (Johannes 20,27)

Wenn Sie noch als Pilgergruppe unterwegs sind, ist heute Abend ganz sicher eine gute Gelegenheit, um miteinander ein Glas Wein zu trinken. Erzählen Sie einander von Weingelegenheiten in Ihrem Leben, die besonders schön oder eindrücklich gewesen sind. Kommen Sie auch miteinander ins Gespräch, was Ihnen der Empfang des Blutes Christi in der Eucharistie bedeutet.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Pilgertag.

In diesem Sinne: L'Shana Haba'ah B'Yerushalayim (לשנה הבאה בירושלים)

Ihr Pfarrer Dr. Ronald Ashley Givens