Nächstes Jahr in Jerusalem

Pilgerreise 42

Datum:
Mi. 6. Mai 2020
Von:
Pfarrer Ronald Givens

Virtuelle Pilgerreise 2020, 42 Sebaste

Die Jünger waren sehr früh in Sichem aufgebrochen und noch vor der Mittagshitze kamen sie nach Sebaste. Wie alle Städte, in denen König Herodes der Große residiert hatte, war auch Sebaste eine prächtige Stadt. Hier hatte er Mariamne geheiratet. Sie wurde für ihn der Schlüssel zum jüdischen Adel. Sie war die Enkelin von König Hyrkan II., die letzte Makkabäerin. Diese Heirat begründete seine königlichen Ambitionen. Als in Rom Octavian zum alleinigen Herrscher über das Römische Reich aufgestiegen war und sich Augustus nannte, gab Herodes seinem wichtigsten Förderer zu Ehren der Stadt den Namen Sebaste. Markus und Andreas, die beide auch griechisch sprechen konnten, wussten das Augustus auf Griechisch Sebaste heißt.

Die Stadt mochte prächtig sein, dennoch wollten sich die Jünger hier nicht lange aufhalten. Sebaste hatte die dunkelste Geschichte in Israel. König Ahab herrschte hier über das Nordreich und seine Frau Isebel brachte den Baalskult an den Hof und ins Nordreich. Die Propheten Elija und Elischa bekämpften den Kult des Baals. Dennoch war das Nordreich diesem Berg- und Fruchtbarkeitskult weitgehendst verfallen.

Die Jünger blieben außerhalb der Stadtmauern. Am Berghang gab es einen berühmten Weinberg an dessen Fuß, nur mit ein paar unscheinbaren Steinen markiert, das Grab von Johannes dem Täufer war.

Andreas, der ein Jünger des Johannes gewesen war, bat die anderen, ihn alleine zu lassen, damit er dort in Ruhe beten konnte. Durch Johannes war er zu Jesus gekommen. Er hatte Johannes bewundert. Oft hatte Jesus von Johannes erzählt, der für ihn der größte aller Propheten gewesen ist.

Nicht weit entfernt vom Grab des Johannes gab es einen Turm, der noch aus jener Zeit stammte, als Sebaste Jisreel hieß und hier die Könige des Nordreiches residierten. Neben dem Turm war eine große Weinkelter (Jesaja 5, 1-7), auf deren Mauer die Jünger bequem sitzen konnten, während sie auf Andreas warteten.

Die Mutter des Markus erzählte ihm als Kind oft die Geschichte dieser Stadt. Markus war selbst ein guter Erzähler und so baten ihn die Jünger, die Geschichte dieses Weinberges und der Stadt zu erzählen.

Königin Isebel verführte nicht nur Ahab und Teile des Volkes dazu, dem Baal zu opfern, sie hatte auch diesen Weinberg, an dem sie jetzt waren, durch einen Mord an sich gerissen. Es begann damit, dass König Ahab missmutig war. Er wollte Nabot seinen Weinberg abkaufen. Der aber wollte sich nicht von diesem Stück Land trennen, das seiner Familie über viele Generationen gehörte. Ahab spürte die Begrenzung seiner Macht. Isebel ersann eine List. Sie ließ Nabot verleumden und unter falsche Anklage stellen. Er hatte keine Chance. Diejenigen, die gegen ihn aussagten, waren entweder bestochen oder abhängig vom König. Nach seiner Hinrichtung fiel der Weinberg an den König.

Nur einer fand den Mut diesen Justizmord anzuprangern: der Prophet Elija.

Markus hatte als Kind immer geschaudert, wenn seine Mutter den Fluch des Propheten Elija über die Königin flüsterte: „Die Hunde werden dich an der Mauer fressen.“ (1 Könige 21)

So kam es. Der Prophet Elischa schickte nach Elijas Entrückung einen von den Prophetenjüngern mit einem Ölkrug nach Ramot-Gilead. Er salbte Jehu, einen der Hauptmänner, der Jahwe treu geblieben war, heimlich zum König. Es kam zum Angriff auf die Stadt. (2 Könige 9,1-29)

Markus musste lachen, als es sich daran erinnerte, wie ausführlich seine Mutter beschrieben hatte, dass Königin Isebel ihre kostbarsten Kleider anlegte, sich die Augen bunt schminkte und so aus dem Fenster heraus versucht hatte, Jehu zu verführen. Es misslang.

Isebel wurde aus dem Fenster gestürzt und noch ehe sie begraben werden konnte, hatten die Hunde sie gefressen. (2 Könige 9,30-37)

Die Jünger hatten fasziniert zugehört. Andreas war still in ihren Kreis gekommen. Jetzt schüttelte er den Kopf und sagte: „Das hat wohl eine lange Tradition. Nabot wird ungerecht verurteilt und hingerichtet, Johannes ebenso und Jesus erging es - vor Pontius Pilatus und dem Gericht des Hohepriesters - nicht anders.“

Markus dachte an seine Mutter. Sie war gut versorgt. Sein Vater hatte die Mutter vor seinem Tod  abgesichert und seine Geschwister sorgten mit ihm für die Mutter. Aber sie war eine Ausnahme in Jerusalem. Es gab unzählige Arme. Darunter waren viele Witwen, die mittellos dastanden.

Laut sagte er: „Hier hat sich nicht nur der Prophet Elija an Jahwe und seine Gebote erinnert, sondern auch die Propheten Amos, Hosea und Micha. Sie haben besonders für die Armen gekämpft und für eine Gerechtigkeit, die keinen Unterschied macht zwischen den Menschen.“

Andreas dachte dabei an Johannes. Er war wie einer dieser Propheten und hatte dafür gekämpft, dass die, die sich taufen ließen, wieder ein gerechtes Maß fanden in ihrem Tun und in ihrem Besitz. Jesus waren nicht anders gewesen als Johannes.

Zu den anderen Jüngern sagte er: „Wir müssen nicht nur für unsere Familien sorgen, wenn wir wieder am See sind, sondern dürfen die nicht übersehen, die Jesus geliebt hat - die Armen, die Witwen und die Waisen. Das bin ich auch Johannes schuldig.“

Sie hatten sich erholt an der Kelter von Nabots Weinberg. Es hatte gut getan, Markus zuzuhören. Die Geschichte dieses Ortes und die Worte des Andreas nahmen sie mit auf den Weg heim an den See.

Um 12:00 Uhr und um 18:00 Uhr feiern wir gemeinsam Gottesdienst, in dem wir miteinander den Engel des Herrn beten.

Ich lade Sie ein, in Ihrer Pilgergruppe heute miteinander ins Gespräch zu kommen, was ein gutes Maß für Sie bedeutet.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Pilgertag.

In diesem Sinne: L'Shana Haba'ah B'Yerushalayim (לשנה הבאה בירושלים)

Ihr Pfarrer Dr. Ronald Ashley Givens