Nächstes Jahr in Jerusalem

Pilgerreise 46

Datum:
So. 10. Mai 2020
Von:
Pfarrer Ronald Givens

Virtuelle Pilgerreise 2020, 46 Wohnung

Es war der erste Tag der Woche. Sie mussten hart arbeiten. Die Fischer waren noch vor Sonnenaufgang auf den See hinausgefahren. Magdalena, Rufus und Kleophas hatten am Hafen auf sie gewartet, um den ersten Fang zu kaufen. Sie hatten eine große Bestellung, die bis zum Abend fertig sein musste, damit der Händler, der darauf wartete, sie mitnehmen konnte. Sie waren daher unsicher, ob sie sich abends mit den anderen treffen konnten.

Jairus und seine Frau Tamar hatten alle eingeladen. Die Frau des Synagogen-Vorstehers wollte von ihrer Pilgerfahrt nach Sarepta erzählen. Ebenso war Tamar aber auch begierig darauf, von der Auferstehung Jesu erzählt zu bekommen. Als sie und ihre Tochter wieder in Migdal angekommen waren, hatten sie staunend gehört, dass Jesus hingerichtet wurde, aber auch, dass er von den Toten auferstanden sei.

Später als geplant, saßen sie nun am See beisammen. Rufus und Kleophas halfen den Fischern, die Netze zu waschen. Magdalena, Salome und Maria berichteten von ihrer Begegnung mit Jesus am ersten Tag der Woche. Ebenso hatte Kleophas erzählt, wie Jesus ihn und seinen Freund auf dem Weg begleitet hatte und sie ihn aber erst erkannten, als er das Brot brach. Ebenso erzählten sie, wie besonders das Brotbrechen auf dem Weg hierher war, als sie mit den Wirtsleuten in Kana das Brot gebrochen hatten. Jairus hatte das zwar schon alles gehört. Dennoch konnte er, ebenso wie seine Frau Tamara, nicht genug davon bekommen, wenn die anderen davon erzählten, wie ihnen Jesus begegnet war. Es war nicht nur die Erzählung. Es war auch die Art wie die andern erzählten. Beim Zuhören spürten man, dass es aus der Tiefe des Herzens kam.

Tamar hatte den anderen berichtet, wie freundlich sie von der Gemeinde in Sarepta aufgenommen worden waren. Auch die Juden in Tyrus hatten in großer Gastfreundschaft an ihr und den anderen Frauen gehandelt. Die Synagogen in Tyrus und in Sarepta hatten alles dafür getan, dass sie sich wie zu Hause und unter Freunden fühlten.

Rufus erinnerte diese Beschreibung an ein Gespräch, dass er in Jerusalem mit Thomas geführt hatte. Thomas hatte ihm erzählt, dass Jesus, wenige Tage vor seiner Hinrichtung, zu ihm gesagt habe: Ich gehe und bereite euch eine Wohnung. (Johannes 14,2)

Thomas hatte dieses Bild von der Wohnung beeindruckt, weil Jesus Zimmermann gewesen war. Jedes Mal, wenn sie in Nazareth waren, hatte Jesus ihnen stolz gezeigt, an welchem Haus er gemeinsam mit Josef mitgearbeitet hatte. Einmal waren sie sogar eigens nach Sepphoris gewandert, weil Josef und Jesus bei der Errichtung dieser neuen Stadt auf vielen Baustellen gearbeitet hatten. Sepphoris hatte den Handwerkern von Nazareth über viele Jahre hinweg ein sicheres Einkommen gegeben.

Rufus nahm ein Stück Brot, brach das Brot, gab es weiter an die anderen. Er musste nichts dazu sagen. Jeder brach ein Stück von dem Brot und gab es dann weiter. Es war der erste Tag der Woche.

Nachdem alle ein Stück Brot hatten, sagte Tamar: „Wenn es eine himmlische Wohnung gibt, dann wird dort ein großer Tisch stehen, festlich gedeckt und wir werden von Gott zum Essen eingeladen. In Tyrus habe ich erfahren, wie sich in der Fremde - beim gemeinsamen Essen - die innere Anspannung löst. Gott nimmt uns die Unsicherheit der Begegnung mit ihm - durch ein gemeinsamen Mahl.“ (Lukas 14,15-24)

Rufus sagte: „Thomas hat erzählt, wie Jesus mit Begeisterung von Josef und seiner Liebe zu seinem Beruf als Baumeister und Zimmermann gesprochen hat. Daher wird für mich die Wohnung im Himmel so sein, dass wir beim Betreten spüren, mit welcher Begeisterung und Liebe, Jesus sie für uns bereitet hat.“

Jairus holte einen Schlauch mit Wein und füllte einen der wunderschönen Becher aus Ton, die Tamar aus Tyrus mitgebracht hatte. Bevor sie von dem Wein tranken, beteten sie miteinander: „Nehmet und trinket alle daraus. Das ist mein Blut. Der Bund des Lebens mit euch.“ (Matthäus 26,26-27)

Es war ein gutes Beisammensein. Die Erzählung von Tamar über die erfahrene Gastfreundschaft in der Fremde und was Rufus über die Zeit Jesus als  Zimmermann erzählte, ließen sie den Himmel mit neuen Augen sehen.

Jairus brachte ins Wort, was alle fühlten: Das gemeinsame Brotbrechen, der Becher mit Wein und das Erzählen und Nachdenken über die Worte Jesu formten sich zu etwas Vertrautem.

Heute am Sonntag - am ersten Tag der Woche - sind Sie wie immer eingeladen, um 12:00 Uhr gemeinsam mit uns den Engel des Herrn zu beten und um 18:00 Uhr die Komplet.

Wenn Sie in Ihrer Pilgergruppe heute gemeinsam unterwegs sind, bitte ich Sie darum zu beten, dass wir einen guten Weg beschreiten, wenn wir - in ersten vorsichtigen Schritten -  wieder anfangen, miteinander in der Kirche Gottesdienst zu feiern.

Ich bitte um das Gebet, dass dieser Weg zu einer Feier hinführt, die unsere Sehnsucht nach gemeinsamer Eucharistie erfüllt, die dem Gedächtnis und Willen Jesu gerecht wird und für alle wieder eine Quelle ist, dem Leben hier und dem Wohnen im Himmel zu trauen.

 Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Pilgertag

 In diesem Sinne: L'Shana Haba'ah B'Yerushalayim (לשנה הבאה בירושלים)

Ihr Pfarrer Dr. Ronald Ashley Givens