Nächstes Jahr in Jerusalem

Pilgerreise 51

Datum:
Fr. 15. Mai 2020
Von:
Pfarrer Ronald Givens

Virtuelle Pilgerreise 2020, 51 Purpur

Die Begegnung am Ufer des Sees hatte eine große Ruhe in sie alle gebracht. Jesus hatte mit einem inneren Frieden an ihre gemeinsame Zeit am See angeknüpft. Er hatte ein Feuer bereitet. Es gab das Brot, das die Frauen mitgebracht und den Fisch, den die Jünger doch noch gefangen hatten.

Nach dem Gespräch zwischen Petrus und Jesus war von der ganzen Gruppe die Anspannung gewichen. Es war nicht viel geredet worden. Die Fischer waren hungrig und müde. Jesus teilte mit allen das Brot und in allem war eine große Selbstverständlichkeit. Wären da nicht die sichtbaren Wundmale an seine Händen, hätten sie vergessen können, wie unglaublich dieses Beisammensein am See ist.

Magdalena und die Witwen aus der Weberei hatten Jesus erzählt, dass sie dabei waren ein Tuch zu weben, in das Magdalena purpurne Fäden hineinwob, in Erinnerung an die unterschiedlichen Begegnungen mit Jesus seit dem Ostermorgen. Der heutige Morgen würde ganz besonders hervorgehoben werden.

Magdalena erzählte, während sie beisammen saßen, dass es ihr gelungen war, über befreundete Händler, eine Purpurhändlerin in Kleinasien ausfindig zu machen. Sie lebte in Philippi und handelte mit Purpur. Magdalena hatte gestaunt, dass es noch eine Frau gibt, die wie sie, eigenständig einen Betrieb leitet. Die Frau hieß Lydia. (Apostelgeschichte 16,11-15)

Magdalena berichtete den anderen auch, wie gefährlich es ist, nach den Purpurschnecken zu tauchen und wie verachtet in der Gesellschaft diejenigen sind, die den Purpurfarbstoff herstellen. Es ist eine ekelhafte und stinkende Herstellungsmethode. Aber das Ergebnis, der Purpur, ist gerade bei denen, die auf die Purpurhersteller herabschauen, äußerst begehrt. (Lukas 16,19) „Ich würde gerne diese Frau einmal kennenlernen, aber Philippi ist weit. Das ist schon bei den Griechen“ - beendete Magdalena den Bericht.

Jesus hatte schweigend zugehört. „Wofür ist das Tuch gedacht, dass ihr da webt?“ Jairus und Salome antworteten Jesus, dass sie nicht nur miteinander sein Gebet, das Vater Unser, gemeinsam beteten, sondern ebenso miteinander das Brot brachen und dabei die Worte wiederholten, die er bei seinem letzten Pessach gesprochen hatte. Das Brot wollten sie auf dieses Tuch legen.

Als sie gegangen waren, blieb Jesus allein bei dem verglühenden Kohlenfeuer am See zurück. „Ich danke dir, du Heiliger Geist, dass du wirkst. Ich werde sie nicht als Waisen zurücklassen. Ich habe heute Morgen gesehen und gehört, dass du angefangen hast, ihr Herz zu füllen. Sie erinnern sich und sie suchen nach Wegen, Menschenfischer zu werden.“ Jesus schaute über das Meer von Galiläa, und dachte an die Frau, von der Magdalena erzählt hatte. Sie lebte jenseits des großen Meeres und doch hatte der Vater begonnen, einen Faden zu knüpfen - zwischen der Purpurhändlerin und den Jüngern hier am See. Wen würde er wohl senden, damit diese Lydia hineingenommen wird in den neuen Bund, der behutsam zu wachsen begann?

Die Jünger kehrten glücklich zu ihren Familien heim. Hatten sie in der Frühe noch gedacht, dass sie mit leeren Händen dastehen würden, war jetzt für die ganze Woche gesorgt. Noch mehr aber erfüllte sie die Begegnung mit Jesus an diesem Morgen.

Auf ihrem Weg kamen sie an der Zollstation des Matthäus vorbei. Er war kein Zöllner mehr. Er hatte diesen Posten aufgegeben. Aber er wohnte noch in dem kleinen Haus neben der Zollstation. Matthäus war der einzige von ihnen, der nicht in sein altes Leben und in seinen alten Beruf zurückgekehrt war. (Matthäus 9,9-13)

Er hatte begonnen, das was er besaß, zu verteilen und zu verschenken. Er wollte auf Wanderschaft gehen. Matthäus wollte in den anderen Ortschaften rund um den See von dem erzählen, was sie mit Jesus erlebt hatten. Die Begegnung heute Morgen hatte ihn darin bestärkt. Jesus hatte ihn in seinem Entschluss ermutigt. Er hatte ihn und sie alle angehaucht. „Empfangt ruach. Empfangt den Geist“. Während Matthäus seine Wohnung betrat, dachte er über diese Anhauchung nach. Was bedeutete es, von Jesus angehaucht zu sein? (Johannes 20,22)

Matthäus schaute sich um. Er besaß noch viel zu viel. Er würde noch großzügiger loslassen und verschenken. Er erinnerte sich an ein Wort Jesu: „Die Vögel haben ihre Nester, die Füchse ihren Bau, der Menschensohn aber hat keinen Ort wo er sein Haupt betten kann.“ Matthäus fühlte eine Ahnung, was es für ihn bedeuten könnte, den „Ruach“ Gottes empfangen zu haben. (Matthäus 8,20)

Sie werden schon ahnen, was ich Ihnen heute mit auf den Weg gebe: Die Frage des Matthäus. Was bedeutet es für Ihr Leben, von Jesus angehaucht zu sein - den Heiligen Geist, Ruach, empfangen zu haben?

Um 12:00 Uhr und um 18:00 Uhr feiern wir gemeinsam Gottesdienst und ich lade Sie ein, besonders dafür zu beten, dass wir die purpurnen Fäden nicht übersehen, die Gott zwischen uns geknüpft hat, und die uns unsichtbar verbinden in dem neuen Bund.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Pilgertag.

In diesem Sinne: L'Shana Haba'ah B'Yerushalayim (לשנה הבאה בירושלים)

Ihr Pfarrer Dr. Ronald Ashley Givens