Nächstes Jahr in Jerusalem

Pilgerreise 52

Datum:
Sa. 16. Mai 2020
Von:
Pfarrer Ronald Givens

Virtuelle Pilgerreise 2020, 52 Am See

Wie angenehm es oben auf dem Berg Karmel in unserem Pilgerhaus ist, spüren wir deutlich, als wir mit dem Bus vom Berg hinunter fahren nach Haifa. Es geht ein kurzes Stück am Mittelmeer entlang bis nach Akko.

Ägypter, Griechen, Römer, Kreuzfahrer, Muslime, Briten und Israeli haben diese Stadt erobert und besiedelt, verloren und umgestaltet. Die großen Kreuzfahreranlagen der Hafenstadt sind in den letzten Jahrzehnten ausgegraben und restauriert worden.

Es ist drückend heiß, aber der Blick auf das türkisblaue Wasser und die sich an den Befestigungsmauern brechenden Wellen entschädigen für das unangenehme Wetter.

Nach unserer Besichtigung sind wir zu Gast in dem kleinen Franziskanerkloster in der Altstadt. Neben der ehemaligen Karawanserei, die der Sultan für die nicht muslimischen Händler aus dem Frankenreich erbauen ließ, gründete der Heilige Franziskus 1219 hier ein Kloster.

Am Morgen waren wir, bevor wir losgefahren sind, in der Grotte des Elija. Es ging an diesem Morgen aber nicht um Elija, sondern um die Grotte von Greccio.

Der Heilige Franziskus hatte eine ganz besondere Liebe zur Menschwerdung Gottes. Immer wieder dachte und fühlte er sich in den Menschen Jesus hinein, ohne dabei die Göttlichkeit zu vergessen. Der Heilige Franziskus hatte zutiefst verstanden, dass Gott Mensch geworden ist, damit alles Trennende zwischen dem Schöpfer und seinem Geschöpf überwunden ist. Mit der Auferstehung Jesu ist das Menschliche in das Göttliche hinein genommen. Darum hatte Franziskus die Geburt Jesu in der Grotte von Greccio lebendig werden lassen.

An diesem Morgen haben wir in der Grotte auf die Menschen hingeschaut, die uns das Leben geschenkt haben und gebetet für die, die zu unserem Leben ja gesagt haben und es immer wieder neu sagen.

Nachdem wir in der Johanniskirche waren, die auch von den Franziskanern gebaut wurde, feiern wir in der kleinen Klosterkirche miteinander Gottesdienst. Nachdem die Kreuzfahrer aus dem Heiligen Land vertrieben worden waren, durften die Franziskaner als erste wieder zurückkehren, weil Franziskus, als er im Heiligen Land war, nicht mit dem Schwert kam. Er war sich und dem, was er vom Evangelium verstanden hatte, treu geblieben. Er suchte allein den Frieden.

Nach der Kommunion halten wir Stille. Jede und jeder von uns ist eingeladen, in der Stille für sich nachzusinnen, was es für ihn persönlich bedeutet, treu zum Evangelium zu sein.

Auch wenn die Wellen des Sees beständig über den Kies am Ufer liefen, war es immer noch sehr still. Jesus hörte hinter sich die Schritte, die sich einen Weg durch das Schilf über die Steine am Ufer bahnten. Er musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, wer da zu ihm an das Kohlenfeuer zurückkam.

Petrus setzte sich neben ihn und sagte „Shalom“. Sie schwiegen. Sie schauten beide über das nahezu erloschene Feuer hinweg auf den See.

„Ich danke dir für das Kohlenfeuer.“ Petrus schwieg wieder. Jesus wusste, dass er weiterreden würde. Er wusste auch, dass er warten musste. Im klaren Wasser sahen sie kleine Fische zwischen den Steinen huschen. Vögel flogen übers Wasser. „Ich habe mich an dem Kohlenfeuer gewärmt. Ich wollte bei dir bleiben. Aber meine Angst und meine Feigheit waren viel größer. Als sie mich nach dir fragten, habe ich dich verleugnet.“ Wieder schwiegen die beiden. „Hier am Ufer des Sees gibt es keine Kohlen für ein Feuer. Du hättest Holz und Äste weiter oben sammeln können. Als ich das Feuer sah, wusste ich, dass es um die Nacht geht, in der ich dich verloren habe.“ (Johannes 18,15-18.25-27; 21,1-14)

„Wir haben uns nicht verloren. In meinem Herzen bist du mitgegangen. Du warst bei Pilatus, du warst bei mir am Kreuz - so wie du jetzt hier bist.

Ich habe in mir getragen, wie du dich - dort oben am Hügel - vor mich hingestellt hast und vor allen zu mir sagtest: Wohin sollten wir gehen, du allein hast Worte ewigen Lebens. (Johannes 6,68)

Ich habe auch in mir getragen, wie ich damals in dein Boot eingestiegen bin und gespürt habe, dass du so steuern wirst, dass ich beruhigt darin stehen kann. (Lukas 5,3)

Nicht nur ich habe dich gelehrt, sondern auch du hast mich gelehrt. Du hast mich nicht nur verleugnet. Du hast mir mit deiner Liebe und deiner Freundschaft geholfen, in meiner Angst Bilder und Worte in meinem Herzen zu finden, die stärker waren als der Hass und die Bosheit.“

Wieder schwiegen sie beide. „Ich habe dich berufen, aber noch bevor ich dich rief, hat der Vater gesehen, dass es dich braucht, damit ich seinen Willen erkenne und diesem treu bin.“

Petrus atmete tief aus. Sein Freund Jesus war nicht nur gegenüber Gott treu. Er war auch zu ihm treu. (1 Korinther 1,9; 1 Thessalonicher 5,23-24)

Der Heilige Franziskus suchte den Frieden. Wir sind heute eingeladen, auf das eigene Leben zu schauen mit der Frage: Wo wäre es notwendig, den Frieden zu suchen?

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Pilgertag.

In diesem Sinne: L'Shana Haba'ah B'Yerushalayim (לשנה הבאה בירושלים)

Ihr Pfarrer Dr. Ronald Ashley Givens