Nächstes Jahr in Jerusalem

Pilgerreise 53

Datum:
So. 17. Mai 2020
Von:
Pfarrer Ronald Givens

Virtuelle Pilgerreise 2020, 53 Damaskus

Zum Freundeskreis von Lukas gehörten nicht nur sein Bruder und dessen Familie, sondern auch ein Töpfer, der an der sogenannten geraden Straße in Damaskus wohnte. Lukas hatte ihn kennengelernt, weil er für seine Arzneien besonders geformte Gefäße gesucht und man ihm den Töpfer Hananias empfohlen hatte. Hananias verwendete Glasuren, die auch die Innenseiten der Tongefäße ganz glätteten und vor allen Dingen verhinderten, dass die Wirkstoffe in den Ton eindrangen.

Wie Lukas und seine Familie war auch Hananias Jude. Am gestrigen Sabbat waren sie mit ihren Familien in der Synagoge gewesen. Für den heutigen ersten Tag der Woche hatte Lukas vereinbart, dass er gemeinsam mit seinem Bruder zu Hananias in die Werkstatt kommen würde, um über die Herstellung von ein paar Gefäßen zu sprechen, die sie für ihre Tinkturen brauchten. 

Die beiden Ärzte und der Töpfer saßen vor der Werkstatt im Schatten eines Tamarindenbaumes. Sie tranken gemeinsam Pfefferminze-Tee und unterhielten sich. Lukas hatte nicht nur seinem Bruder von den Jüngern Jesu und von seinen Erlebnissen in Jerusalem erzählt, sondern auch Hananias. Alle drei unterhielten sie sich an diesem Morgen darüber, ob es eine Auferstehung gibt. Lukas war davon felsenfest überzeugt, weil die Tage in Jerusalem, das Zusammensein mit den Jüngern Jesu, ihn tief beeindruckt hatten.

Hananias hatte die Angewohnheit, die Menschen mit einem Gefäß zu vergleichen. Er war überzeugt, dass Gott seine Botschaft und seine Liebe behutsame in diese menschlichen Gefäße hineinlegt. Doch zuerst musste der Mensch dafür in seinem Herzen Raum schaffen. Nur in ein leeres Gefäß konnte Gott seinen Geist eingießen. (2 Korinther 1,21-22; Römer 5,5)

Hananias nahm eines seiner Tongefäße, die vor seinem Laden zum Verkauf standen, und fuhr mit dem Daumen über die Innenseite der Schale. “Ihr seht: Der Staub und Dreck haben sich über die Malerei und die Lasur zurückgelegt.“ Er nahm etwas Spucke, rieb noch einmal kräftig mit dem Daumen, sodass die feinen Linien und Muster deutlicher zu sehen waren. "Mitunter ist es schmerzhaft, die eigene Schönheit und Lebenslinie freizulegen. Da braucht man das Vertrauen, dass Gott ein guter Töpfer ist, der die Schönheit, der von ihm geschaffenen Gefäße kennt.“ (Jesaja 45,9)

Er legte das gereinigte Gefäß in die Hand des Bruders von Lukas. Marcellus hatte große, starke Hände. Die Schale sah zerbrechlich in diesen Händen aus. „Aber wir sind zerbrechliche Gefäße. Das, was Gott in uns hineinlegt, gilt es behutsam zu bewahren - nicht eigensüchtig für uns, sondern um es an andere weiterzugeben.“ Er nahm die Schale aus der Hand von Marcellus und stellte sie wieder zurück, zu den anderen Gefäßen, die auf einen Käufer warteten. (2 Korinther 4,7)

„Das ist so wie mit euren Tinkturen. Ihr setzt sie nicht dafür an, damit sie in meinen Gefäßen aufbewahrt werden, sondern damit sie bereit sind, wenn ihr sie braucht, um Wunden zu heilen.“

Lukas nahm noch einmal das Gefäß in die Hand, das der Töpfer mit seinem Daumen und etwas Spucke gereinigt hatte. Um wie viel schöner war die Schale geworden, nachdem man sehen konnte, was unter dem Staub verborgen war.

Wieder dachte er an seine Gespräche  über die Taufe des Johannes, die er mit Markus geführt hatte. Er hoffte, dass die Jünger ihm bald Nachricht geben würden, ob er und seine Familie getauft werden müssen, um zu Jesus zu gehören.

Noch etwas anderes fiel ihm ein. Maria, die Mutter des Markus, hatte erzählt, wie Jesus mit seinem Speichel die Zunge eines Taubstummen bestrichen hatte. Lukas hörte aufmerksam zu. Die anderen hatten sich geekelt, als sie sich vorgestellten, was Maria beschrieb. Marcellus und er wussten aber darum, dass es oft nicht ein Heilkraut, eine Salbe oder eine Tinktur waren, die einen Menschen heilten, sondern das aufmerksame Zuhören und das vorsichtige Berühren. Für ihn hatte Jesus - wie ein guter Arzt - das Zuhören und Berühren mit seinem tiefen Glauben verbunden und so Menschen geheilt. (Johannes 9,6)

Hananias hatte ganz selbstverständlich Speichel genommen, um die Pracht seiner Schale sichtbar zu machen.

Die drei tranken ihren Pfefferminze Tee aus und nachdem sie alles Geschäftliche besprochen hatten, machten sich Lukas und Marcellus auf den Nachhauseweg. Die beiden Ärzte sammelten noch ein paar Früchte des Baumes auf - nicht für ihre Tinkturen, aber für ihre Frauen zum Kochen. Sie hatten es ihnen eigens aufgetragen, nicht nur unter dem Baum zu sitzen, sondern auch ein paar Schoten mitzubringen.

Hananias stand mit dem Rücken zu dem römischen Triumphbogen, schaute die gerade Straße zum Stadttor hinunter und hatte plötzlich das Gefühl, dass ihm hier eines Tages ein Mensch begegnen würde, den Gott als ein besonderes Gefäß auserwählt hat. (Apostelgeschichte 9,10-11) Er schüttelt den Kopf, nahm etwas frischen Ton und setzte sich an die Töpferscheibe. Er begann, die Gefäße für Lukas und Marcellus herzustellen. Er schuf die Form, aber erst das Feuer würde sie beständig machen. (Jeremia 18,2-3)

Heute am Sonntag lade ich Sie ein, einfach einmal den ganzen Tag über aufmerksam wahrzunehmen: Wie und wem höre ich heute zu? Was und wen habe ich im Lauf des Tages alles berührt?

Heute Abend beten wir gemeinsam um 18:00 Uhr die Komplet und am Mittag um 12:00 Uhr den Engel des Herrn.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Pilgertag.

In diesem Sinne: L'Shana Haba'ah B'Yerushalayim (לשנה הבאה בירושלים)

Ihr Pfarrer Dr. Ronald Ashley Givens