Österliche Umkehrzeit 2018

Betrachtung zur Karwoche

Datum:
Mo. 26. März 2018
Von:
Ronald Givens
Montag in der Karwoche

Er dreht sich im Gang um, lacht mir zu und sagt: „ich freue mich auf Ostern.“ Dann eilt der Arzt ins nächste Zimmer. Er wird dort die Klammern ziehen.

Ich weiß das, weil der Mann, der dort liegt, es mir kurz davor erzählt hat. Er hat mir auch erzählt, wie nachdenklich es ihn heute gemacht hat, dass beim Vorlesen der Passionsgeschichte, Markus nichts davon berichtet, dass wenigstens ein Schächer nicht über Jesus spottet. Bei Markus stirbt Jesus trostlos. „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“

Der Mann neben ihm im Zimmer erzählt, von seinem operierten Knie und dass er vor Jahren mit seiner Frau in Jerusalem war. Den Kreuzweg sind sie nachgegangen. Daran hat er heute denken müssen, als er die Passionsgeschichte gehört hat. Irgendwann habe jeder aus der Gruppe weinen müssen, weil mit dem Leidensweg Jesu auch das eigene Leben in den Blick kommt.

Ein Stock tiefer warten zwei Frauen auf die Kommunion. Auch sie haben den Gottesdienst aus der Kapelle am Fernseher mitverfolgt. Als ich die Hände zum Segnen auflege, weint die eine der beiden. Sie hat Angst, dass sie nicht mehr gehen werden kann. Ich höre zu. Auch die andere Frau hört zu. Dann sagt sie: ich bräuchte einen Simon von Zyrene. Wenn ich heimkomme ist niemand da, der mir hilft die Socken anzuziehen, mich zu waschen. Ich darf ja noch nichts selber machen.

Beim Vorlesen der Passionsgeschichte habe ich noch überlegt, was ich auslassen könnte. Damit es nicht zu lang wird. Man darf nichts weglassen. Jeder hat seine Stelle in der Passionsgeschichte, die vertraut oder ganz neu gehört, wichtig, berührend oder abstoßend ist.

Ganz oben auf Station 7 erzählt mir eine Frau, dass sie zwar das Bild vom Gottesdienst gesehen habe, aber der Ton nicht übertragen worden ist. Da hat sie ihren Schott genommen und für sich die Passion gelesen, zu dem stummen Gottesdienst, den wir unten gefeiert haben. Jetzt weint sie. Reden möchte sie nicht. Ich habe Ehrfurcht, dass sie im Krankenhaus den Schott dabei hat. Dass sie der Passion ihre Stimme gegeben hat.

Nach dem Krankenhaus noch ein Hausbesuch. Eine Frau führt mich zu ihrer Freundin und ihrem Mann. Sie hat am Vortag den Weg geebnet für die Krankensalbung. Jetzt sind die beiden bereit. Der Sohn ist da. Wieder Tränen, aber auch ein strahlendes Gesicht. Unten im Flur erzählt der Sohn, dass das Sitzen am Bett der wohl sterbenden Mutter, für ihn einer der wenigen Momente ist, da er zur Ruhe kommt, nach Innen schauen kann. Ich denke an den Garten Gethsemane.

Daheim angekommen, denke ich an den Satz des Arztes: „ich freue mich auf Ostern“. So weit bin ich noch nicht. Aber es hat mir gut getan, das heute auf dem Krankenhausflur zu hören.

Und es hat mich angerührt wie viele Männer und Frauen mir heute im Krankenbett erzählt haben, wie die Passion Erzählung von Markus sie beschäftigt.

Ich überlege, während ich einen Kaffee trinke, was ist mein Satz aus der Passion Geschichte?

Ich glaube heute ist es der Jüngling, der nackt flieht, als er Jesus folgen möchte, und Petrus, der bitterlich weint als der Hahn kräht.

 

Gott

Was weiß ich schon

Von deinen Wegen

Mit den Menschen

Wie du sie berührst

Was sie glauben

Ich sehe nur

Mann

Frau

Alt

Jung

Und ich sehe mich

Nackt fliehend

Bitterlich weinend

Weil ich dachte

Herr erbarme dich meiner