Predigt 27 September 2020

Nein

Datum:
So. 27. Sep. 2020
Von:
Pfarrer Ronald Ashley Givens

Predigt zu Mathäus 21,28-32

Liebe Schwestern und Brüder,

 

in den vergangenen Wochen und Monaten gab es in unserem Dekanat drei große Gesprächsrunden zu dem von unseren Bischof angestoßenen Bistumsprozess. Zuerst haben die Vorsitzenden der Pfarrgemeinderäte darüber beraten, ob es in unserem Dekanat drei, zwei oder nur noch eine Pfarrei geben soll. In einer zweiten Runde haben all die Frauen und Männer, die in speziellen Seelsorgebereichen tätig sind, miteinander überlegt, ob Biblis, Bürstadt, Hofheim, Lampertheim, Groß-Rohrheim, Nordheim und Viernheim eine Pfarrei bilden sollen, oder zwei oder drei.

Am Freitag saßen in Bürstadt zur dritten Runde die zusammen, die als Gemeindereferentinnen oder Pfarrer Verantwortung in unseren Pfarreien tragen. Zukünftig eine, zwei oder drei Pfarreien? Nicht immer wurde das Nein zu einem Vorschlag, zu einer Position so klar und deutlich formuliert, wie es der eine Sohn im Evangelium getan hat, aber auch, wenn es mitunter anders verpackt war, war deutlich zu hören und zu spüren, wenn eine oder einer Nein gesagt hat.

Ich selbst habe deutlich gespürt, dass mein Herzstill in dieser Runde oft Nein gesagt hat. Möchte ich noch eine Veränderung? Kann ich mich unterordnen? Werde ich auf den oder diejenige zugehen können, zusammenarbeiten können?

Gestern Abend hat Weihbischof Eisenbach erneut die Firmung gespendet. Er hat erzählt von einem jungen Menschen, bei dem die Ärzte keine Chance hatten, weil er Nein gesagt zu einer Veränderung, zu einem anderen Leben. Sie konnten sein Nein nicht durchbrechen und mussten aufgeben. Ihn aufgeben.

Nein sagt der eine Sohn zu seinem Vater: Nein, ich gehe nicht. Dieser Sohn, sein Nein steht für all die Momente, in denen wir sagen: Nein. Nein, ich traue dir nicht mehr, du hast mich zu oft enttäuscht. Mich betrogen. Nein.

Nicht selten ist aus einem Ja ein Nein geworden, weil das getreten wurde, überstrapaziert wurde, weil das eigene Ja nicht umfangen und getragen worden ist vom Ja des anderen. Es gibt auch das Nein, das sich eingerichtet hat. Wozu sich verändern, wozu etwas lassen, wozu der inneren Stimme gehör schenken.   Oft steht ein Nein am Ende einer langen Kette von Erfahrungen. Nein, ich möchte nicht mehr im Weinberg unserer Freundschaft mitarbeiten, weil ich das Gefühl habe, dass ich alleine mich abmühe. Nein, ich möchte diese Veränderung, diese Reform nicht mitgehen, weil ich zu oft erfahren habe, dass die Unterstützung, die Begleitung, die Entlastung nicht erbracht wurde. Nein, ich möchte nicht mehr in diesem oder jener Weinberg des Lebens, der Beziehung, der Kirche oder der Politik mitarbeiten, weil so vieles mein Ja gebeutelt und verletzt hat, dass nur noch ein Nein bleibt. Nein, ich möchte nicht mehr gut sein, es geht ja auch anders.

Als Weihbischof Eisenbach gepredigt hat, saß ich dort am Altar. Die Firmlinge haben den Text des Markusevangeliums illustriert. Während ich der Predigt zugehört habe, habe ich die Bilder gesehen: Das Grab Jesu und den weggerollten Stein. In der Handschrift eines jungen Menschen, das Wort Jesu. Ich bin die Auferstehung und das Leben.

Der Junge Mensch, den die Ärzte aufgeben haben, hatte einen Freund. Jeden Tag hat er sich an das Bett des Freundes gesetzt und geredet. Aber der andere bleibt stumm. Keine Antwort von dem, der sich der Therapie, dem Entzug, dem Leben verweigert. Nach einem halben Jahr, dann ein Sprechen, ein erstes Antworten. Das Nein ist aufgebrochen.

Ein halbes Jahr, täglichen Besuch, ein Aushalten hat es gebraucht, bis das Nein vorsichtig seine Tür geöffnet hat um ein wenig vom Ja hereinzulassen.

Ich schaue auf das Bild mit dem Felsengrab Jesu. Auch er braucht drei Tage Zeit, Dunkelheit, Erstarrung, Stille um zu verarbeiten, dass das Leben, sein Leben totgeschlagen worden ist. Dass sie ihm das Ja aus dem Leib getrieben haben, dass sie ihm den Glauben mit Dornen und Schlägen verächtlich gemacht haben. Auferstehung, Leben kommt nicht sofort, nahtlos nach dem Karfreitag. Die Bitterkeit, die Enttäuschung, die Verletzung muss erst ihren Raum haben, muss ihre Zeit haben, ihren Ort und ihr Recht.

Nein, ich gehe nicht in den Weinberg. Der Vater lässt das stehen. Er hält es aus. Er schenkt dem Nein Raum und Zeit.

Wir empfangen gleich Brot. Dieses Brot ist entstanden, weil in sich verschlossene Weizenkörner, Zeit und Raum bekommen haben, damit sie aufbrechen, damit es in ihnen beginnt zu keimen. Zeit und Raum hat ihre Verschlossenheit so verwandelt, dass neues Leben daraus erwachsen ist.

Das Brot der Kommunion soll uns Mut machen dem Nein Zeit und Raum zu geben. Hinzuschauen was hat mein Nein wachsen lassen, was hat das Nein stärker gemacht als mein Ja.

So wie dieser Freund am Bett seines lebensverweigernden Freundes, so ist dieses Brot. Jesus, der seine Zeit im Grab gelegen ist, weiss, dass das Nein seine Zeit braucht, bis es wieder bereit ist dem Ja einen Spalt weit die Tür zu öffnen. Zwischen Karfreitag und Ostern liegt der Raum und die Zeit, die das Nein braucht, die der Vater schenkt, damit das Ja sich für die Spuren des Nein nicht schämt, sondern sie als Zeichen der Reife und Freiheit zu eigen gemacht hat. Amen.

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