Predigt Erster Advent

Lead kindly light

Datum:
So. 1. Dez. 2019
Von:
Pfarrer Ronald Givens

Es war auf einem Schiff, auf der Überfahrt von Palermo nach Marseille.  John Henry Newman noch nicht einmal 32 Jahre alt, wollte nur noch heim. Nach Hause, nach England. Er lag im Sterben. Es war ungewiss ob der Pfarrer, Theologe, Professor es bis nach Oxford, wo er lebte und lehrte, überleben würde. Seit Tagen schüttelt John Henry Newman ein heftiges Fieber.

John Henry Newman ist nicht nur in einer körperlichen Krise geraten, ebenso ist er in einer seelischen Krise. Er ist in diese Krise geraten, die ihn nicht nur körperlich an den Rand des Todes bringt, sondern auch innerlich völlig zerrüttet, weil er sich eingestehen muss, dass er so wie er bisher gelebt und gehandelt hat, nicht weitermachen kann. Auf der Überfahrt von Palermo nach Marseille macht er für sich die Erfahrung, dass sein eigenes Herz sehr klar erkennt, aus welcher Richtung in sein Leben Licht kommt, und aus welcher Richtung Finsternis auf ihn zukommt. Auf dem Schiff, in dieser Krise, kehrt er endlich um, wendet sich ab von dem, was ihm nicht gut getan hat, was er jetzt als Lüge erkennen muss, womit er sich selbst betrogen hat, und erfährt, dass Gott sich ihm zuwendet, ihm entgegenkommt, ihm hilft sein Leben neu zu ordnen.

Diese Zuwendung Gottes vergleicht er mit einem freundlichen Licht. Wie eine einzelne, wärmende Kerze, die der Finsternis ein Ende setzt. Kaum ist das Fieber gewichen, schreibt er sein berühmtestes Gebet: Lead kindly light. Führe mich du freundliches Licht, das zu einem der bekanntesten und beliebtesten englischen Kirchenlieder geworden ist.

Ich bin mit diesem Lied und Gebet, lead kindly light, großgeworden. Längst kann ich es nicht mehr so singen, wie ich es als Kind gesungen habe. Wenn ich es heute singe oder höre, muss ich mich zusammennehmen, um nicht zu weinen. Führe mich du freundliches Licht, steht für all die Momente in meinem Leben, wo ich die Erfahrung gemacht habe, dass Gott unserem Herzen hilft, umzukehren. Es ist diese mit Worten nicht zu beschreibende Erfahrung des Herzens, dass sich etwas zum Guten wendet, dass die eingeschlagene Richtung wieder stimmt, dass etwas besser wird. Auf einmal ist die Bereitschaft da umzukehren und anders zu leben.

So muss es den Sterndeuter aus dem Osten ergangen sein, als sie endlich am richtigen Ort, an der Krippe in Bethlehem angekommen sind. Der Stern, sein Licht, und ihr eigenes Herz erfüllen sie mit der Freude und der Gewissheit ja es war gut von Jerusalem weg zu gehen und hierher zu kommen. Als sie den Stern sahen wurden sie von sehr großer Freude erfüllt.

John Henry Newman hat in einer tiefen Krise den Mut gehabt, dem zu vertrauen, was sein Herz längst als wahr und heilend erkannt hat. Die Adventszeit will unser Herz heilen. Die Stille, die Kerzen, die Lieder, sind das freundliche Licht Gottes, damit wir den Mut finden, das zu leben, was Gott dem Ohr unseres Herzens freundlich und leise zuflüstert.

„Führ, liebes Licht, im Ring der Dunkelheit, führ du mich an!

Die Nacht ist tief, noch ist die Heimat weit: Führ du mich an!

Behüte du den Fuß: der fernen Bilder Zug

begehr ich nicht zu seh’n: ein Schritt ist mir genug.

Ich war nicht immer so, hab nicht gewusst zu bitten: Du führ mich an!

Den Weg zu schau’n, zu wählen war mir Lust –

doch nun: Führ DU mich an!

Den grellen Tag hab‘ ich geliebt und manches Jahr

regierte Stolz mein Herz; trotz Furcht: Vergiss, was war!

So lang gesegnet hat mich deine Macht; gewiss führst du mich weiter an

durch Moor und Sumpf, durch Fels und Sturzbach, bis die Nacht verrann

und morgendlich der Engel Lächeln glänzt am Tor,

die ich seit je geliebt und unterweils verlor.

John Henry Cardinal Newman, Lead kindly Light, übersetzt Ida Friederike Görres

 

Lead, kindly Light, amid th'encircling gloom;

Lead thou me on!

The night is dark, and I am far from home;

Lead thou me on!

Keep thou my feet; I do not ask to see

The distant scene--one step enough for me.

Shouldst lead me on.

I loved to choose and see my path; but now,

Lead thou me on!

I loved the garish day, and, spite of fears,

Pride ruled my will. Remember not past years.

Will lead me on

O'er moor and fen, o'er crag and torrent, till

The night is gone.

And with the morn those angel faces smile,

Which I have loved long since, and lost awhile!