Predigtreihe zum Misereor Hungertuch

Predigt Dritter Fastensonntag

Datum:
So. 7. März 2021
Von:
Pfarrer Ronald Givens

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn,

Auf dem diesjährigen Hungertuch von Misereor, das im Mittelpunkt der Predigten in der Fastenzeit steht, liegt ein gebrochener Fuß, einer Röntgenaufnahme nachempfunden. Das Hungertuch setzt sich aus drei Teilen zusammen, jedes ein Bettlaken mit unterschiedlicher Geschichte. Eines aus einem Krankenhaus, eines aus einer Notaufnahme, eines aus einem Kloster, der Fuß verbindet sie alle drei. Es ist nicht nur das Bild eines gebrochenes Fußes. Es ist auch das Bild einer Heilung.

„Ich komme als Büßer.“ So macht sich Papst Franziskus auf den Weg nach Ur, jener Stadt im Irak, bei deren Namen fromme Juden aufhorchen. Ur, jene Stadt, in der Abraham und Sarah aufgewachsen sind, und bei deren Namen fromme Christen aufhorchen. Ur, in Chaldäa aus der Abraham, Lot und Sarah wegzogen sind und sie auf ihrem Weg beschenkt worden sind mit Ismael und Isaak. Und so horchen fromme Muslime auf, wenn sie den Namen dieser Stadt hören: Ur. Abraham und Sarah und Ismael und Issak und Jesus sind untrennbar verbunden mit dieser Stadt im Irak: Ur.

„Ich komme als Büßer.“ Damit beginnt Franziskus seinen Weg nach Ur. Es ist wie auf dem Hungertuch. Das Röntgenbild macht schonungslos deutlich: der Fuß ist gebrochen. Dieser Fuß liegt, steht nicht mehr auf weitem Raum. Er liegt gestreckt über alle drei Teile des Bildes. Judentum, Christentum, Islam jeder von den dreien hat Anteil daran, dass die Füße der Menschheit, die Gott auf weiten Raum stellen wollte, gebrochen sind. Jahrhundert um Jahrhundert hat jeder Teil darauf bestanden: an mir liegt es nicht. Du bist Schuld, die anderen sind schuld, die Umstände sind schuld. „Ich komme als Büßer.“ Franziskus durchbricht diese Sicht, dass immer die anderen oder die Umstände schuld sind, dass der Fuß nicht auf weitem Raum steht. Er sagt: Ich. Wer sich als Büßer bezeichnet, hat Schuld, für die er büßt.

Heilung in vielen Lebensbereichen beginnt oft damit, dass ein Mensch sagen kann: so komme ich und so kommst Du nicht auf die Füße, wenn ich nicht zu meinem Anteil, zu meinen inneren Fallen, zu meinen immer gleichen Verhaltens-Mustern einen Bezug knüpfe.

„Ich komme als Büßer“

Bedenken gegen diesen Besuch des Papstes gab es viele. Die Sicherheit, der Anspruch der Christen die Wahrheit zu kennen, was die anderen aus seinen Worten und Gesten machen könnten, was für eine Schwäche es sein könnte, was für ein theologischer Irrtum. Franziskus hat gespürt: durch die Bedenken, was ich alles verlieren könnte, beginnt keine Heilung. Wer sagen kann: Ich haben meinen Anteil, ich kehre um, ich komme als Büßer, der hat sich frei gemacht von der Angst und von den Aber-Geistern.

Franziskus hat sich auf den Weg gemacht. Auf seine Art. Mit all den Begrenzungen und Erschwernissen, die sein Alter, sein Amt, diese Zeit mit sich bringen. Er ist nicht davongelaufen, hat nicht anderen diesen Weg überlassen. Er will seinen Teil dazu beitragen, dass der Fuß auf weiten Raum kommt, dass er heilt.

In einer Krise kann keiner oder keine alles heilen. Weder Corona, noch in unserer Kirche, nicht in der Schöpfung, noch in unseren menschlichen Beziehungen. Darum hat das Hungertuch drei Teile. Es gibt ein Ich. es gibt ein Du. Es gibt ein Wir.

Es ist leichter nicht loszugehen oder abzuwarten. Es ist leichter davonzulaufen oder vom Rand aus die Schritte zu kritisieren. Es ist leichter zu sagen: Du zuerst.

Das Hungertuch hat drei Teile. Einen Teil hat Franziskus sich zu eigen gemacht, auf seine Art. Der Satz „Ich komme als Büßer“, geht weiter und hat ein bemerkenswertes Ende:  „Ich komme als Büßer und bitte Gott und die Menschen um Vergebung für Zerstörung und Grausamkeit; als Pilger des Friedens im Namen Christi, des Friedensfürsten. Wie sehr haben wir für den Frieden im Irak gebetet! Gott hört uns immer. Es liegt an uns, auf seinen Wegen zu gehen.“

Es liegt an uns auf seinen Wegen zu gehen. Amen.

 

Wo kann der Weg des Friedens beginnen? Beim Verzicht, Feinde zu haben. Wer an Gott glaubt, hat keine Feinde, die er bekämpfen muss. Er hat nur einen Feind, dem er entgegentreten muss, der an die Tür seines Herzens klopft, um einzutreten: die Feindschaft. (Papst Franziskus)

 

Frieden erfordert weder Sieger noch Besiegte, sondern Brüder und Schwestern, die trotz der Wunden der Vergangenheit den Weg vom Konflikt zur Einheit gehen. Bitten wir darum im Gebet für den ganzen Nahen Osten, besonders für das gepeinigte Syrien. (Papst Franziskus)

 

Ich komme als Büßer und bitte Gott und die Menschen um Vergebung für Zerstörung und Grausamkeit; als Pilger des Friedens im Namen Christi, des Friedensfürsten. Wie sehr haben wir für den Frieden im Irak gebetet! Gott hört uns immer. Es liegt an uns, auf seinen Wegen zu gehen. (Papst Franziskus)