Schlüssel zum Frieden

Predigt zum Dritten Adventssonntag

Datum:
So. 11. Dez. 2022
Von:
Pfarrer Ronald Ashley Givens

Es war schon später Nachmittag, als ein guter Freund und ich, hinter Bethlehem am Rand der judäischen Wüste gestanden sind. Wir konnten über die Wüste hinweg bis hinüber nach Jordanien schauen, Von dort wo wir standen, konnten wir gut erkennen, dass es einen gut sichtbaren Pfad durch die Wüste in Richtung Jordangraben gab, durch Kamele, Schafen, Ziegen und Menschen ausgetreten.

Irgendwo vor uns lag eine der Bergfestungen von Herodes, in der Johannes der Täufer auf seine Hinrichtung wartete. Vor uns lag der Berg auf dem Mose gestanden hat, nach über vierzig Jahren Wanderung durch die Wüste. Von diesem Berg, drüben in Jordanien, hat er hinübergeschaut auf das versprochenen Land, weswegen er und sein Volk damals aus Ägypten geflohen waren.

Es ist kein Trost für den 22 jährigen iranischen Studenten, dessen Todesurteil letzte Woche vollstreckt worden ist, dass der iranische Botschafter in Berlin einbestellt wurde. Er und über dreihundert Frauen und Männer haben in den letzten Wochen ihr Leben verloren, weil sie sich nach Freiheit und einem Leben in Frieden und Gerechtigkeit gesehnt haben. Jetzt sind sie begraben. Ein zwei Tage lang zeigen die Nachrichten das Bild des letzten prominenten russischen Regimekritikers, dann wird er, wie alle anderen vor ihm, für viele Jahre in einem sibirischen Straflager verschwinden, dafür zahlen, dass er sich für seine Heimat Russland Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden mit der Ukraine gewünscht hat.

Was veranlasst eine Mutter, was veranlasst einen Vater sich tausende von Kilometer mit ihren Kindern auf die Flucht zu begeben? Sich Schleppern und Menschenschmugglern auszuliefern, unzählige Male mit Behörden und Beamten zu reden und zu verhandeln, anstatt in ihrer Heimat, bei ihren Freunden und Nachbarn zu bleiben?

All diese Menschen sind wie Mose, sind wie Johannes der Täufer, wie Jesaja. Mose wird das gelobte, das versprochene Land nie betreten. Er sieht es vom Berg aus, aber er ist zu alt. Er stirbt am Ende der langen Flucht aus Ägypten. Johannes hat Jesus als Messias bezeugt, aber noch bevor Johannes mit Jesus umherziehen kann, sehen kann, wie er heilt, hören kann, wie er predigt, mit ihm Mahl halten kann, landet Johannes im Gefängnis und wird hingerichtet. Jesaja wird die Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft nicht mehr erleben. Er der seinem Volk mit Bildern von der blühenden Wüste, von den jubelnden Heimkehrern Mut und Hoffnung gegeben hat, wird in der Verbannung sterben. Viele Mütter und Väter von Flüchtlingskindern werden nie in den Berufen, die sie in ihrer Heimat erlernt und studiert haben, arbeiten, werden nie zur Gesellschaft wirklich dazu gehören, werden sich schwer tun hier Freunde zu finden. Sie selbst werden nie erleben, was sie ihren Kindern ermöglichen.

Aber all diese Menschen sind ein Friedensschlüssel für andere, für uns. Es braucht sie diese Verrückten, diese Heiligen, diese Kritiker, Aktivisten und Regimegegner, damit ein Stück der Welt sichtbar wird, wie Gott sie gedacht hat, wie er es sich vorstellt, dass seine Kinder miteinander umgehen, füreinander einstehen, Frieden finden. Diese einzelnen Menschen, diese verschwinden kleine Zahl, hat den Pfad durch die Wüste mit eigenen Schritten gebahnt, daran geglaubt, dass es die eine, den einen braucht, der losgeht, damit ein Weg durch die Wüste möglich wird. Wir können gar nicht genug dankbar sein: diesen Verrückten, diesen Heiligen, diesen Regimegegner, diesen Flüchtlingen, diesen Protestierenden und Aktivisten. Sie halten die Erinnerung daran wach, dass Gott darauf vertraut, dass ein einzelner mutiger Mensch, für sein ganzes Volk ein Schlüssel zum Frieden sein kann.