Sonntagsbegegnungen 10

Lampion

Datum:
So. 13. Nov. 2022
Von:
Pfarrer Ronald Ashley Givens

Sehr, sehr selten sagen Eltern im Taufgespräch, dass sie für ihre neugeborene Tochter oder den Sohn bewusst den Namen eines Heiligen ausgewählt haben. Ein heiliges Vorbild für ein Kind ist in den Hintergrund getreten, zugunsten der Vorstellung, dass der Name möglichst ausgefallen oder einmalig sein soll.

Viele jedoch von uns Alten tragen noch Namen von heiligen Frauen und Männern. Außer dem Segen der Taufe, soll auch noch ein himmlischer Fürsprecher, eine heilige Fürsprecherin unser Leben begleiten.

Wie gesagt, das hat sich verändert und so ist vielleicht einer der ausgefallensten Namen heute: Martina oder Martin. In gut 22 Jahren, habe ich kein Kind auf diesen Namen getauft. Dabei steckt in diesem Namen, alles was man jedem von uns für den Weg durch diese dunkle und schwierige gewordene Zeit wünschen kann.

Die Geschichte vom Bettler und der Mantelteilung am Stadttor von Amiens kennt immer noch die Mehrheit. Doch die Mantelteilung ist nicht zu verstehen und nicht loszulösen, von dem Wunsch Martins, dass er getauft wird. Die Eltern waren dagegen. Trotzdem meldete sich Martin als Taufbewerber an. Ein Pate wurde ihm zugewiesen, der Martin helfen sollte zu ergründen, was es für ihn bedeuten könnte, Christ zu sein. Je mehr Martin über Jesus erfuhr, je mehr er die Evangelien kennen lernte, um so mehr veränderte er sein Leben. Als reicher und hoher Soldat des Kaisers hatte er einen Sklaven. Als Taufbewerber war es für Martin klar, dass er nun seinen ganzen Sold mit seinem Sklaven teilte. Die Mantelteilung am Stadttor war möglich, weil Martin schon lange davor im konkreten Zusammenleben mit anderen Menschen für sich überlegt hat, was kann ich, was sollte ich als Christ tun. Nach der Mantelteilung wurde er getauft, weil für die Gemeinde dies das letzte Mosaiksteinchen war, dass Martin es mit seinem Taufwunsch, mit seinem Wunsch, Christus anzuziehen, ernst meint, und sein Pate ihn gut vorbereitet hatte.

Als Bischof von Tour blieb er seiner Form des Christseins treu. Er trug die Kleidung der Sklaven und der einfachen Bauern. Er wanderte bis nach Trier zum Kaiser, um dort dafür zu kämpfen, dass jene Bischöfe, die wegen ihres Irrglaubens, ihres Festhalten am Arianismus zum Tode verurteilt worden waren, begnadigt wurden. Obwohl etliche dieser Verurteilten Martin das Leben sehr schwer gemacht hatten. Aber Martin war überzeugt, dass die Liebe und die Barmherzigkeit die Todesstrafe verbietet. Mehr als tausend Kilometer wandert Martin, um Fürsprecher in der Not zu sein für die, die ihn verspottet und bekämpft haben. Kein anderer aus dem ganzen Reich ist für die Verurteilten aufgestanden und hat für sie das Wort ergriffen. Den Kaiser hat dieser einfache Bischof und Christ beeindruckt. Keines der Todesurteile wurde vollstreckt.

Am Ende seines Lebens, als Martin auf dem Sterbebett liegt, da erscheint ihm Christus. Als König gekleidet, mit allen Insignien der Macht. Er bietet Martin an, dass er noch weiterleben darf. Er sei zu wichtig für sein Bistum, um schon jetzt zu sterben. Er müsse hier noch so viel bewegen, der Himmel kann warten Er solle ihm die Hand geben und einschlagen, dann schenke er ihm Leben. Martin schaut sich Christus als König, als Herrscher genau an, er hört was Jesus ihm anbietet. Dann antwortet Martin. Ein Leben lang bin ich dem Gekreuzigten nachgefolgt. Mein Jesus war ein armer Jesus. Kein prächtiger König. Du bist nicht mein Jesus und nicht mein Herr, dir reiche ich nicht die Hand. Kaum hat Martin so gesprochen, zeigt sich deutlich, dass es nicht Jesus war, der zu Martin gesprochen hat, sondern der Versucher.

Als Martin stirbt, weit weg von seiner Bischofsstadt Tour, da wird sein Leichnam auf einem Kahn nach Tours gebracht. Das Boot ist mit Laternen, mit Lampions geschmückt, damit alle am Fluss liegenden Dörfer und Städte sehen können: Hier kommt Martin, der an die Auferstehung geglaubt hat. Die Lampions als Osterkerzen und als Taufkerzen. Der Glaube Martins an die Auferstehung als Licht in dunkeln Zeiten.

Martin hat Jesus gesucht. Er hatte einen Paten, der ihm geholfen hat, im Alltag etwas vom Evangelium zu leben. In der Taufe hat Martin gezeigt, dass er Jesus liebt und als Christ leben möchte. Martin wollte wie Jesus sein. Die Laternen und die Lampions bei den Martinsumzügen sind für jede und jeden von uns eine Ermutigung, dass es möglich war und ist, in schwierigen Zeiten als Christ zu leben, und Licht zu verbreiten. Auch wenn wir nicht Martina oder Martin heißen.