Sonntagsbegegnungen 8

Himmelsbotschaften

Datum:
So. 23. Okt. 2022
Von:
Pfarrer Ronald Givens

In dieser Begegnung haben beide sich etwas zu geben. Vorausgegangen war eine Zeit der Unsicherheit und der Richtungssuche. Für Jesus. Die galiläische Begeisterung ist großer Ernüchterung gewichen. „Was er sagt, ist unerträglich“. In der dritten Person reden seine Jünger über ihn. Es kommt zum Schwur: „Wollt auch ihr gehen?“ Petrus zieht die Notbremse, aber viele wenden dennoch sich ab, gehen nicht mehr mit Jesus. Seine eigene Familie spottet über ihn. Er soll doch nach Jerusalem gehen und dort zeigen wer und was er ist. Er geht stattdessen in die entgegengesetzte Richtung. An die nördlichste Grenze des jüdischen Gebietes. Noch einmal die Frage: Für wen halten die Leute mich? Wer bin ich für euch?

Inzwischen hat er sich entschieden. Er geht nach Jerusalem. Er will sich zeigen. Er ahnt, dass es gefährlich werden könnte. Die Begegnung, zu der es in Jericho kommt, ist nicht zu verstehen ohne die Unsicherheiten davor. Wollt auch ihr gehen? Für wen halten die Leute mich? Wer bin ich für euch? Das wird Jesus immer wieder durch die Gedanken gegangen sein. Jericho, die Oasenstadt, ist noch einmal Rast und Quelle, vor dem Hinaufstieg, durch die judäische Wüste, nach Jerusalem.

Da schreit ihm einer entgegen wer er ist. Ein Bettler. Bartimäus: „Du bist der Sohn Davids!“ Und gleich noch einmal, dass weder die Menge, noch dass Jesus es überhören kann: „Sohn Davids, erbarme dich meiner.“ Gar nicht so weit entfernt von Jerichos Stadttor, an dem Bartimäus sitzt und schreit, hat Jesus schon einmal gehört, wer er ist. Am Jordan, nah bei Jericho, hat sich bei Jesu Taufe der Himmel geöffnet und vom Himmel rief es: „Du bist mein geliebtes Kind.“ Das hat ihm damals Sicherheit gegeben, für die vierzig Tage in der Wüste, für seine Berufung. Jetzt ist es Bartimäus, der ihm Sicherheit gibt: Du bist der Sohn Davids.

Auch Bartimäus bekommt etwas. Diese Begegnung schenkt ihm einen sicheren Stand. Er kann von seiner Bettlerposition am Boden sich erheben. Jesus richtet ihn auf, er ruft ihn auf Augenhöhe, er sucht die Begegnung. Bartimäus kann seinen Mantel wegwerfen. Sein einziger, unpfändbarer Schutz. Die Nähe zu Jesus, die Begegnung mit ihm gibt ihm einen Schutz, der mehr und anders ist, als ein Mantel. Er kann aussprechen was er sich wünscht: Sehen können. Er wird sehen. Nicht weil Jesus es will, sondern weil er Bartimäus die Augen dafür öffnet, was für einen starken Glauben dieser hat.

Diese Begegnung beschenkt beide. Jesus hört noch einmal die Stimme des himmlischen Vaters, durch den blinden Bartimäus. Das stärkt ihn in seiner Berufung und in seiner Entscheidung. Bartimäus kann sein bisheriges Leben mit dem Bettlermantel ablegen. Er kann wieder sehen und er macht sich auf den Weg. Als Jünger Jesus.

Dietrich Bonhoeffer

Wer bin ich? Sie sagen mir oft,

ich träte aus meiner Zelle

gelassen und heiter und fest

wie ein Gutsherr aus seinem Schloss.

 

Wer bin ich? Sie sagen mir oft,

ich spräche mit meinen Bewachern

frei und freundlich und klar,

als hätte ich zu gebieten.

 

Wer bin ich? Sie sagen mir auch,

ich trüge die Tage des Unglücks

gleichmütig, lächelnd und stolz,

wie einer, der Siegen gewohnt ist.

 

Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen?

Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß?

Unruhig, sehnsüchtig, krank, wie ein Vogel im Käfig,

ringend nach Lebensatem, als würgte mir einer die Kehle,

hungernd nach Farben, nach Blumen, nach Vogelstimmen,

dürstend nach guten Worten, nach menschlicher Nähe,

zitternd vor Zorn über Willkür und kleinlichste Kränkung,

umgetrieben vom Warten auf große Dinge.

Ohnmächtig bangend um Freunde in endloser Ferne,

müde und zu leer zum Beten, zum Denken, zum Schaffen,

matt und bereit, von allem Abschied zu nehmen?

Wer bin ich? Der oder jener?

 

Bin ich denn heute dieser und morgen ein anderer?

Bin ich beides zugleich? Vor Menschen ein Heuchler

und vor mir selbst ein verächtlich wehleidiger Schwächling?

Oder gleicht, was in mir noch ist, dem geschlagenen Heer,

das in Unordnung weicht vor schon gewonnenem Sieg?

 

Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott.

Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!

 

Mk 10, 46-52.

 

Die Begegnung zwischen Gott und uns beschenkt beide Seiten. Gott sehnt und sucht die Begegnung mit uns. Er hat sich so sehr in seiner Liebe mit uns verbunden, dass ihm etwas fehlt, ohne die Begegnung mit uns. Uns schenkt sie eine Zusage. Du bist diejenige, derjenige, die ich suche. Du bist mein geliebtes Kind. Ich möchte Dir zeigen was der Glaube dir alles eröffnet.