Sonntagsbegegnungen 9

Korrekturprogramm

Datum:
Sa. 12. Nov. 2022
Von:
Pfarrer Ronald Givens

Ich muss dringend mit dir reden. Das kennen wir. Aber: „ich muss heute bei Dir zu Gast sein“, das ist schon außergewöhnlich. Die ganze Begegnung zwischen Jesus und dem Zöllner Zachäus in Jericho ist außergewöhnlich.

Jesus muss hinaufschauen. In einen Baum. Dort oben im Geäst sitzt der reiche und etwas zu kurz geratene Zollpächter Zachäus. Zachäus war es wichtig, Jesus zu sehen. Er hat alles dafür getan, dass er ihn nicht verpasst. Vorsorge getroffen, weil er zu klein war, dass er ihn sieht.

In einem anderen Zusammenhang heißt es in den Evangelien, dass die Leute ihre Kranken an den Straßenrand legten in der Hoffnung, dass wenn Jesus vorbeiginge, dass wenigstens sein Schatten auf die am Boden liegenden falle, und sie geheilt werden. Und unvergessen die Frau, die im Gewühl der Menge den Gewandsaum von Jesus berühren möchte, weil sie glaubt, dass diese heimliche Berührung sie heilen könnte.

Kein Wunder, dass Matthäus Jesus wenigstens sehen möchte, wenn so eine heilige und heilende Ausstrahlung von ihm berichtet wird. Kein Wunder? Doch es ist ein Wunder, dass einer, der alles hat, Freunde, ein Haus, feste und gute Einnahmen, Geld und Einfluss, dass so einer sich eine Sehnsucht bewahrt hat. Nach dem Himmel, nach einem alternativen Leben, nach einem Neuanfang. Ein Wunder, dass er nicht resigniert sich einrichtet in seinem Alltag, in seiner sicheren Existenz, sondern einen neuen Anlauf plant. Zachäus weiß, dass er sich womöglich lächerlich macht, wenn die anderen zusehen, wie er der kleine Zöllner auf den Baum kraxelt. Egal, schwamm drüber was die anderen denken. Jetzt ist die Zeit, jetzt ist die Stunde. Heute wird getan oder auch vertan worauf es ankommt, denkt sich Zachäus.

Kein Wunder, dass Jesus hinaufschaut und dort in Richtung Himmel einen von denen entdeckt, die der Himmel liebt: Die, die noch hoffen, dass eine zweite und dritte Chance gibt. Die, die genau wissen was sie falsch gemacht haben und es wieder gut machen möchten. Die, die dem Himmel noch etwas zutrauen und Gott.

„Ich muss heute in deinem Haus zu Gast sein.“ Ruft Jesus in die Baumzweige. Daraus wird eine Ernte. Jesus erntet das Herz eines Menschen, der dankbar dafür ist, dass er gesehen wurde. Jesus erntet hundertfach und tausendfach, weil Zachäus so glücklich über diese Begegnung ist, dass er möchte, dass alle, die ihm wirklich wichtig sind, sein ganzes Haus, seine Freunde, mit diesem Jesus zusammenkommen. Es soll keine exklusive Begegnung mit dem berühmten Rabbi werden, sondern schon da zeigt sich die Weite, zu der das Herz des Zachäus fähig ist: er lädt ganz viele ein, auch wenn er dadurch selbst weniger mit Jesus reden kann, als wie wenn er alleine mit ihm bei Tisch wäre.

Jesus muss geahnt haben, dass sein Mittagessen in Jericho nur halb so illuster und nur halb so wundersam geworden wäre, wenn er nicht deutlich gesagt hätte, was er möchte und was er will. Kein Wunder, dass Jesus sich den Himmel als ein Festmahl vorgestellt hat. Nach Jericho darf man sich nicht wundern, wenn das einmal kein langweiliges Galadiner wird, sondern  ein Essen, bei dem die Tischgemeinschaft einiges einander zu erzählen und zu korrigieren hat. Nicht bei anderen, sondern jeder bei sich selbst.

Wieder so eine Begegnung, die uns ahnen lässt, wie sehr Gott die Begegnung mit uns sucht. Eine Begegnung, die ahnen lässt, dass sein Himmel für ihn kein Himmel ist, ohne uns. Zum Himmel gehören für ihn seine Töchter und Söhne, für Jesus seine Schwestern und Brüder.  

Ricarda Huch

Nicht alle Schmerzen sind heilbar, denn manche schleichen

Sich tiefer und tiefer ins Herz hinein,

Und während Tage und Jahre verstreichen,

Werden sie Stein.

 

Du sprichst und lachst, wie wenn nichts wäre,

Sie scheinen zerronnen wie Schaum.

Doch du spürst ihre lastende Schwere

Bis in den Traum.

 

Der Frühling kommt wieder mit Wärme und Helle,

Die Welt wird ein Blütenmeer.

Aber in meinem Herzen ist eine Stelle,

Da blüht nichts mehr.

 

Es ist eine Begegnung, die deutlich macht, dass der Neuanfang, die Umkehr, die Lebensalterative, die Herzenskorrektur geplant sein will. Die Begegnung mit Jesus will gesucht sein. Und sie braucht Vertrauen und Zuversicht: er findet mich. Auch an ungewöhnlichen Orten. Er hat die Begegnung mit mir auch geplant und vorbereitet. Er sucht mich auch.

 

Lukas 19: Dann kam er nach Jericho und ging durch die Stadt. 2 Und siehe, da war ein Mann namens Zachäus; er war der oberste Zollpächter und war reich. 3 Er suchte Jesus, um zu sehen, wer er sei, doch er konnte es nicht wegen der Menschenmenge; denn er war klein von Gestalt. 4 Darum lief er voraus und stieg auf einen Maulbeerfeigenbaum, um Jesus zu sehen, der dort vorbeikommen musste. 5 Als Jesus an die Stelle kam, schaute er hinauf und sagte zu ihm: Zachäus, komm schnell herunter! Denn ich muss heute in deinem Haus bleiben. 6 Da stieg er schnell herunter und nahm Jesus freudig bei sich auf. 7 Und alle, die das sahen, empörten sich und sagten: Er ist bei einem Sünder eingekehrt. 8 Zachäus aber wandte sich an den Herrn und sagte: Siehe, Herr, die Hälfte meines Vermögens gebe ich den Armen, und wenn ich von jemandem zu viel gefordert habe, gebe ich ihm das Vierfache zurück. 9 Da sagte Jesus zu ihm: Heute ist diesem Haus Heil geschenkt worden, weil auch dieser Mann ein Sohn Abrahams ist. 10 Denn der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist.