Sylt-3

nass

Datum:
Do. 21. Okt. 2021
Von:
Ronald Givens

Als wir morgens in Gruppenraum zusammen waren, und Joshua uns die Geschichte vom Durchzug durch das Rote Meer erzählte, hat Stefanie mit dramatischem Augenaufschlag und mit weit ausladender Geste die Wasserwände des Roten Meeres veranschaulicht, die sich neben dem Weg des Volkes durch das Wasser auftürmten.

Nur eine Stunde später standen wir den Wasserwänden gegenüber. Die Nordsee tobte und schäumte. Die Wellen schlugen so hoch und so mächtig an Land, dass wir am Strand nicht mehr weiter kamen. Es hat einen Moment gedauert bis auch die Jungs verstanden haben, dass das kein Spiel mehr mit dem Wasser ist, sondern dass man ganz schnell durch das Wasser den Boden unter den Füßen verlieren kann.

Während wir auf dem Hinweg von hinten regennaß wurden, schlug uns jetzt der Sturm das Wasser ins Gesicht. Irgendwann war alles egal, weil wir vollkommen durchnäßt waren.

Bitter war es, als wir in der Jugendherberge waren, auf sämtlichen Heizkörpern die Kleider zum Trocknen verteilt hatten, kam die Sonne heraus. Wider alle Wetter-Apps. Und doch, nach ein paar Heimwehkeksen, etwas Wärme und viel Erzählen, wurden die Wellen immer höher und rauer, und keiner wollte es missen, dieses Naturschauspiel erlebt zu haben.

Abends dann hat jedes Zimmer die Mosegeschichte erzählt. Die einen aus der Perspektive eines Blinden, der alles nur gehört und gefühlt hat. Die anderen haben die Geschichte erzählt, wie ein Stummer sie berichten würde, und schließlich eine Gruppe wie ein Ägypter sie erzählt, der mit dem Volk Israel dem Pharao entfliehen wollte.

Trockene Kleider hatte dann aber niemand mehr. Denn die Sonne und der blaue Himmel hatten uns vor dem Abendessen noch einmal zu einer Wanderung in die Dünen hinausgelockt. Gerade als wir die Schönheit der Dünenlandschaft bestaunten, zogen dicke Wolken vom Meer herüber. Im Sonnenlicht sah man deutlich die Regenschleppen, die sie mit sich brachten, und die uns noch einmal völlig durchnäßten. Wasser hatten wir an diesem Tag mehr als genug.

Ihr

Pfarrer Ronald Ashley Givens