Über die Schulter

Predigt 30 August 2020

Datum:
So. 30. Aug. 2020
Von:
Pfarrer Ronald Givens

Liebe Schwestern und Brüder,

heute ist der Film ein monumentaler Schmachtfetzen und ich frage mich, wie ich diesen Film damals so packend finden konnte: Die Römer, die über die Via Appia triumphal einziehen. Die Sklavin Lydia, die sich in den Befehlshaber Marcus verliebt und als Christin den Löwen vorgeworfen werden soll. Dazu Peter Ustinov als Kaiser Nero, der Rom anzündet und schrecklich dazu singt.

Es  gibt in dem Film eine kleine Szene, die auf eine Legende zurückgeht. Rom ist niedergebrannt. Kaiser Nero sucht für seine Wahnsinnstat Schuldige, und findet die Christen als Sündenböcke. Die Kamera zeigt das niedergebrannt, rauchende Rom. Menschen irren verzweifelt in den Trümmern umher. Ein grauhaariger, bärtiger Mann läßt Rom hinter sich und flieht auf der Via Appia. Entgegen kommt ihm Christus. Erstaunt bleibt Petrus stehen und fragt Jesus: Quo vadis Domine? Wohin gehst du Herr?

Jesus schaut Petrus an und sagt: ich gehe nach Rom, um mich ein zweites Mal kreuzigen zu lassen. Petrus versteht. Er kehrt um. Er nimmt Rom, er nimmt seine Schwestern und Brüder in den Blick. Er nimmt letztlich sein eigenes Kreuz in den Blick.

Quo vadis Domine?

Wohin gehst Du?

Das werden in Belarus besorgt Eltern ihre jugendlichen Kinder fragen, wenn die auf die Straße gehen um zu demonstrieren. Zu zeigen, dass sie Freiheit wollen.

Quo vadis?

Das werden Lehrer ihre Schüler fragen, die sich auf den Weg machen, um dafür zu demonstrieren, dass ihre schwarze Hautfarbe sie nicht entrechtet.

So ähnlich ist das auch in Caesarea Philippi als Jesus den Jüngern sagt: ich werde jetzt nach Jerusalem gehen. Dort wartet auf mich Ablehnung, ich werde Hass, ich werde wohl dem Tod begegnen.

Wie alle, die lieben, wie alle, die Kind, eine Freundin, einen Partner haben, reagiert Petrus: Bitte nicht. Pass auf dich auf. Bleib hier.

Jesus ist ganz klar. Er ist hart: Hinter mich. Wechsle die Perspektive. Wechsle den Standpunkt: hinter mich. Hier kann Jesus nicht nachgeben.

Petrus heißt nicht immer Petrus. Eigentlich heißt er Simon Bar Jona. Simon der Sohn des Jona. Jona ist der große Wegläufer in der Bibel. Er will nicht die Perspektive Gottes einnehmen. Er will nicht auf Ninive sehen, wie Gott sieht. Es braucht einen Sturm. Es braucht einen Wal, Es braucht lange bis Jona den Blickwinkel Gottes einnimmt. Simon Barjona. Simon Petrus ist auch ein wenig Jona, der Wegläufer vom Blickwinkel Gottes.

Die Frauen und Männer in Belarus, die streiken und demonstrieren. Die Frauen und Männer in Chile, die nicht aufgeben mit Töpfen gegen die Korruption laut zu schlagen, die Menschen in den USA die friedlich auf die Straße gehen, damit nicht die Hautfarbe die Rechte eines Menschen bestimmt, sie alle wünschen sich, dass ihre Eltern, dass ihre Freunde, dass ihre Partner, ihre Arbeitskollegen, ihre Lehrer sie verstehen, sich hinter sie stellen, ihren Blickwinkel einnehmen. So wie Petrus es soll. Hinter mich!

Sie alle wissen aber auch: wenn niemand sich hinter mich stellt, wenn ich allein dastehe, dann kann ich nicht anders. So wie Jesus. Auf nach Jerusalem.

Petrus wird nicht da sein, wenn Jesus ihn braucht. Nicht im Garten Gethsemane. Nicht im Haus des Hohenpriesters. Nicht auf dem Kreuzweg. Hinter Jesus bleibt es sehr leer. Ein anderer Simon tritt an seine Stelle. Simon von Zyrene wird hinter Jesus treten, wird den Kreuzbalken mitanheben, Jesus tragen helfen. Dieser Bauer wird den Blickwinkel Jesu einnehmen. Die Legende erzählt, dass er Christ wird, so wie seine Söhne, die die Bibel nennt: Alexander und Rufus. Die Perspektive hinter Jesus verändert sein Leben.

Quo vadis Domine?

Das eigentliche Wunder ist, dass Jesus nicht bitter geworden ist. Er wird enttäuscht gewesen sein, er wird traurig gewesen sein und vielleicht in stiller Stunde über diese Verletzung gehadert haben. Aber auch das wandelt die Auferstehung. Er wirft es Petrus nicht vor. Er vertraut ihm alles an. Er traut ihm zu, dass er fähig wird die Perspektive Jesu einzunehmen, hinter ihm her zu gehen.

Jeder von uns wünscht sich das: wenn wir etwas für richtig erkannt haben, wenn unser Herz für etwas brennt, dass dann jemand hinter uns steht. Jesus wünscht sich das auch. Größe ist es: nicht bitter zu werden, wenn es hinter einem leer bleibt. Den Schritt, den Weg dennoch zu wagen und zu hoffen, dass ein Simon von Cyrene oder eine Veronika auftaucht.

Quo vadis Domine?

Jesus lädt ein. Er lädt immer neu dazu ein, hinter ihn zu treten, ihm über die Schulter zu schauen und zu erblicken, wo es jetzt meinen Mut, meine Zeit, mein Wort, meine Liebe braucht, damit hier und jetzt das Reich der Gerechtigkeit, das Reich des Friedens, das Reich der Heiligkeit, das Reich Gottes möglich wird. Amen.

 

Mt 16, 21: Von da an begann Jesus, seinen Jüngern zu erklären: Er müsse nach Jerusalem gehen und von den Ältesten und Hohepriestern und Schriftgelehrten vieles erleiden, getötet und am dritten Tag auferweckt werden. 22 Da nahm ihn Petrus beiseite und begann, ihn zurechtzuweisen, und sagte: Das soll Gott verhüten, Herr! Das darf nicht mit dir geschehen! 23 Jesus aber wandte sich um und sagte zu Petrus: Tritt hinter mich, du Satan! Ein Ärgernis bist du mir, denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.