Zeltlager

Eine Hand öffnet sich

Datum:
Mo. 30. Juli 2018
Von:
Ronald Givens

Sie sitzen da, wie zwei Pokerspieler. Von oben bis unten voller Dreck und Staub. Einen Stapel Pokerkarten in der Hand und üben Zaubertricks. In der Pause des Vökerballturniers verschnaufen sie im Schatten des Zeltes. Jetzt streckt sich mir eine Hand entgegen. „Zieh irgendeine Karte. Zeig sie mir nicht.“ Dann, nach großem Augenrollen, dreimal mit der Hand über den verdeckten Kartenstapel streichen, zeigt mir der verstaubte Pokerspieler stolz die Karte, die ich zuvor gezogen habe. Plötzlich tönt die Trillerpfeife und die beiden spurten los zur nächsten Runde ihres Teams beim Zeltlager-Völkerball.

Vielleicht fängt das am besten die Atmosphäre des Zeltlagers an diesem Sonntag ein. Es ist ein Team aus Kindern und Jugendlichen, Erwachsenen, aus Mädchen und Jungen, die nicht unterschiedlicher sein könnten. Jeder für sich ein starker Charakter von eigenwillig bis völlig verträumt. Aber es ist dieser Gruppe gelungen ein Team zu werden und zu sein. Sich zu ergänzen, sich herauszufordern, sich zu helfen und auch zu heilen. In den Pausen löst sich das Team wieder auf, die Gruppe wird wieder zu Einzelnen. Diese aber finden ein Gegenüber. Gleichgesinnte, Freunde, die miteinander Kartenspielen, Musikhören, Chillen, Erzählen….Jeder und Jede findet das passende Gegenüber.

Im nächsten Moment öffnet sich eine kleine Hand. Ella verteilt Gummibärchen. Gut in der Hand durchgeknetet, schmecken sie noch weicher als sonst, und doch köstlich in der Hitze, weil es ein geteilter Schatz ist. Derweil erzählen die Großen, wie sie sich das mit der Jugendarbeit in unserer Pfarrei in Zukunft vorstellen könnten, was sie brauchen, wie das bisher lief, was sie von ihrer Seite gerne einbringen. Auch über die Firmung sprechen wir. Ich höre gerne zu, denn was die Einzelnen vortragen, sich überlegt haben, einwenden, ist durchdacht, hat Hand und Fuß, und ist von dem Willen getragen, dass es auch ohne Kapläne gut weitergeht mit der Jugendarbeit, in ihrer Unterschiedlichkeit, in unserer Pfarrei.

Derweil riecht es nach Zwiebeln. Vor dem Küchenzelt sitzt Christina Feifer und schnippelt große Zwiebeln. Frau Eckart und Frau Sax schneiden und putzen Salat, Frau Gärtner und Frau Schäfer bereiten die riesigen Töpfe vor. Mittagessen gibt es heute, am Sonntag, nicht. Der Morgen hat mit einem großen Brunch begonnen, in den Völkerballpausen gibt es Kuchen und Obst. Erst gegen Abend gibt es das große Essen, denn auch die Küche möchte die Eucharistie mitfeiern.

Sebastian und Jakob haben den Altar in den Schatten getragen. Er sieht aus wie ein großer Holzscheiterhaufen oder, mit etwas Fantasie, wie ein Brunnen. An den Holzästen, aus denen er zusammengefügt ist, hängen bunte Zettel. Die Zeltlagerteilnehmer und ihre Gruppenleiter haben miteinander überlegt, was hilft mir, wer hilft mir, wenn ich traurig bin, wenn etwas anders läuft als ich es mir gewünscht oder gedacht habe. Christina, Celina, Jonas und Jan stellen die Bänke auf. Im Halbkreis um den Altar. Auf dem Boden vor dem Altar liegen lauter Sterne, die die Kinder gebastelt haben. Abrahamssterne, die an die Verheißung erinnern, die Gott über Abraham und Sarah ausgesprochen hat, die er aber auch über jedes Kind am Tag der Geburt spricht: du bist gesegnet und sollst ein Segen sein.

Ganz still wird es auf dem Zeltlagerplatz als beim Gottesdienst jeder die Namen vor Gott und der Gruppe aussprechen darf, die ihm oder ihr ein Segen sind, die sie vermissen, oder lieben, oder sich Sorgen machen. Alle hören, welche Namen da erklingen und nehmen die Namen mit einem Lied ins Gebet. Auch hier spürt man, das die Gruppe ein Team ist, dass sie Ehrfurcht vor dem haben, was dem anderen wichtig und heilig ist.

Elisabeth und Tim legen zu den Namen, die genannt worden sind, Brot und Wein auf den Altar, bringen den Kelch, das Buch und die Schale. Mit Ehrfurcht dienen die beiden am Altar, während die, nicht so oft in einer heiligen Messe sind, genau beobachten, was die beiden da machen, was sie in Händen halten. Auch das ist eine Predigt. Elisabeth und Tim „predigen“ mit ihrem Dienst am Altar, dass man auch cool sein kann, wenn Gott und Gottesdienst zum Leben dazu gehören.

Als ich am Abend heimfahre, bin ich voller Geschichten. Vom jungen Mann, der drei Jobs hat, um sich seinen Traum zu erfüllen, der aber jetzt seine Ferien einsetzt, um für seine Jungs im Zelt da zu sein. Von den Sebastian und Celina, die sich auf ihren Ausbildungsbeginn im Herbst freuen, von Janik, der seinen Abschluss gemacht hat und jetzt Bewerbungen schreibt, und wie die anderen ihm Tipps geben, wo er noch hinschreiben könnte. Von Simon und Marius, von ihren Unfällen, und was sie in den Ferien noch alles vorhaben. Von der IG Metall und Verdi, von dem was man im ersten Lehrjahr verdient, von den Autos, die die Jungs sich zugelegt haben und die so viel Sprit fressen, aber einfach gut sind. Gerne hätte ich Bilder gemacht. Es gab so viele schöne Bilder, von den Einzelnen, von den Teams und Gruppen. Aber die neuen Datenschutzbestimmungen lassen dies nicht zu. So muss das Wort reichen.