Das Blut Christi

„Der eigentliche Schatz der Kirche ist das Blut Christi zur Erlösung der Seelen“ – diese Worte schrieb die heilige Katharina von Siena zu Beginn des Jahres 1377 an Papst Gregor XI.

Für Katharina wird die Liebe Gottes im Verströmen des Blutes Christi am Kreuz für unsere Fehler und Schwächen mit äußerster Deutlichkeit sichtbar. Für die große Kirchenlehrerin ist der Kirche dieses Blut Christi als größter Schatz anvertraut. Das Bild des Blutes deutet Jesus beim letzten Abendmahl. Bevor er sein Blut tatsächlich aus einer Liebe, die sich für uns verströmt, am Kreuz vergießt, reicht er seinen Jüngern den Becher Wein mit den Worten: „Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Tut dies zu meinem Gedächtnis.“

Im Zeichen des Weins, dem Blut der Trauben, besiegelt Jesus ausdrücklich den neuen Bund, den Gott mit den Menschen geschlossen hat. Das „Blut des Bundes“ ist eine Erinnerung an das Geschehen im Alten Testament. Das Buch Exodus berichtet, dass Mose einen Altar aus zwölf Steinen für die zwölf Stämme Israels baut. Es werden Stiere als Opfer geschlachtet. Mose nimmt die Hälfte des Blutes und besprengt den Altar. Das Volk verpflichtet sich die Gebote zu halten und sagt: Alles, was der Herr gesagt hat, wollen wir tun. Dann nimmt Mose die Schale mit Blut und besprengt das Volk, um es von Schuld zu reinigen und mit Gott zu verbinden. Mose spricht: Das ist das Blut des Bundes, den der Herr aufgrund all dieser Worte mit euch geschlossen hat (Exodus 24,3-8).

Zwischen Gott und seinem Volk besteht ein Bund unter der Bedingung, dass sich die Menschen an seine Gebote halten. Doch die Menschen werden immer wieder untreu und der Bund wird gebrochen. Im neuem Bund bindet Gott sich in Christus endgültig an die Menschen. Das Blut Christi ist dabei das neue Bundeszeichen, Ausdruck der bedingunglosen Liebe Gottes, die sich gerade im tiefsten Versagen und Scheitern des Menschen zeigt und wirksam wird. Wenn wir das Blut Christi empfangen, treten wir in diesen Bund mit Gott ein und vergewissern uns seiner grenzenlosen Liebe zu uns Menschen, die sich in der Hingabe seines Sohnes zeigt.

In den ersten tausend Jahren unserer Kirche war es daher selbstverständlich, dass alle, die an der Eucharistiefeier teilnahmen, Leib und Blut Christi empfingen. Erst die steigende Ehrfurcht und die Besorgnis um ein Verschütten des Blutes Christi führten allmählich dazu, dass nur der Priester das Blut Christi empfing.

Unbeschadet der theologischen Erkenntnis, dass Jesus Christus auch unter einer Gestalt gegenwärtig ist, möchte ich Sie ermutigen die Einladung des Herrn anzunehmen und ihn unter den Gestalten von Brot und Wein zu empfangen. In der Eucharistiefeier spricht Jesus uns zu: Das ist mein Blut, das heißt: Das bin ich selber für dich. Jesus schenkt sich und seine Liebe im Wein an uns weiter. Unser eigenes Blut und Leben verbindet sich mit ihm. Wir werden von seiner Liebe durchströmt. Das Blut Christi befreit uns von unserer Hartherzigkeit und Lieblosigkeit, von Schmerz und Verbitterung. Im Blut Christi schenkt der Vater uns durch seinen Sohn Vergebung und Versöhnung. Das birgt neue Kraft, neues Leben. Das Blut Christi lässt uns die heilende und umwandelnde Kraft des auferstandenen Christus in uns spüren. Denn Blut ist etwas dynamisches, etwas lebendiges. Es bedeutet Leben. Das wissen wir aus unserem Alltag. Wenn wir in unserer Stadt zur Blutspende aufgefordert sind, kann unser Blut für einen anderen Menschen das Leben bedeuten.

In der Eucharistiefeier gibt Jesus sein Blut, sein Leben aus Liebe zu uns Menschen hin. „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für sein Freunde hingibt“ (Johannes 15,13). In der Abschiedsrede im Johannesevangelium weist Jesus seine Jünger darauf hin. Wenn wir in der Heiligen Messe unsere Fehler und unser Versagen, unsere Grenzen und Unzulänglichkeiten, unsere Zurücksetzungen und Empfindlichkeiten mit dem Wein zu Gott bringen, lässt sich Jesus für uns verwunden und liefert sich als Zeichen seiner Liebe aus - bis zum Äußersten. Gott nimmt die Enttäuschungen und Verletzungen meines Alltags, alles Harte und Starre in mir und verwandelt es im Blut Christi in neues Leben. Denken wir daran, wenn wir das Blut Christi empfangen: Gott vertraut darauf, dass seine grenzenlose Liebe uns durchströmt und unseren Herzen verwandelt, damit die Menschen, die uns begegnen, erkennen: In uns ist Gott mit seiner Liebe lebendig.

Angela Eckart