Christoph Moufang (1817–1890)

1877–1886 Bistumsverweser in Mainz (gezählt als 100. Inhaber der Bistumsleitung)

 

Christoph Moufang wurde am 17. Februar 1817 in Mainz als Sohn des Kaufmannes Wilhelm Moufang und seiner Ehefrau Katharina Wilhelmine Lennig geboren. Er hatte fünf Geschwister. 1826–29 besuchte er das Bischöfliche Gymnasium in Mainz, an dem ein Onkel, der spätere Domdekan Lennig und Exponent der katholischen Bewegung, Philosophie und Geschichte unterrichtete. Nach Schließung der Anstalt besuchte Moufang 1829–34 das staatliche Gymnasium. Nach dem Abiturexamen begann er das Studium der Medizin in Bonn, wo er wie der aus der Mainzer Schule hervorgegangene Dogmatiker Heinrich Klee im Hause des Philosophen Karl Joseph Windischmann, des Gegners von Georg Hermes, wohnte.

1835 wechselte Moufang zur Theologie über, die er seit 1837 in München studierte. Dort wohnte er im Hause des Kanonisten George Phillips. Nach dem theologischen Staatsexamen an der hessischen Landesuniversität in Gießen (1839) wurde Moufang am 19. Dezember 1839 in Mainz zum Priester geweiht. Danach war er vier Jahre Kaplan bei seinem Onkel in Seligenstadt.

Der in den Traditionen des Mainzer Kreises beheimatete und früh mit Vertretern der katholischen Bewegung in Kontakt gekommene Moufang hat bald Verbindungen zur Münchner Nuntiatur gesucht, für die er bereits 1841 ein vertrauliches Schreiben an das Kölner Metropolitankapitel weiterleitete. 1844 ging Moufang als Pfarrverwalter nach Bensheim, 1845 nach Mainz/St. Quintin, wo er 1845–51 zugleich als Religionslehrer am Gymnasium und am Lehrerseminar der Englischen Fräulein wirkte. Zusammen mit Lennig, der 1845 Domkapitular in Mainz geworden war, hat er 1848 namhaften Anteil an der Gründung des ersten Piusvereins und dem Zustandekommen des ersten Katholikentages gehabt, dessen Schriftführer er war.

Nach der Wahl des Gießener Theologieprofessors Leopold Schmid zum Bischof von Mainz (1849) gehörte er mit Lennig zu jener ultramontanen Gruppe, die über ihre Kontakte zur Münchener und Wiener Nuntiatur die Verweigerung der päpstlichen Wahlbestätigung und die Berufung eines Exponenten der kirchlichen Freiheitsbewegung auf den Bischofsstuhl betrieben. Bischof Ketteler hat Moufang dann zu einem seiner wichtigsten Mitarbeiter gemacht, indem er ihm 1851 die Leitung des neugegründeten Mainzer Priesterseminars anvertraute. Moufang hat die Anstalt, die auch von den Bistümern Limburg, Münster, Osnabrück, Freiburg und St. Gallen beschickt wurde (1851: 48, 1864: 82 Alumnen), bis zu ihrer Schließung im Kulturkampf (1877) und dann wieder 1887–89 geleitet.

Moufang hat zwar Moral- und Pastoraltheologie gelesen, doch lagen seine Leistungen weniger auf wissenschaftlichem Gebiet – erst 1864 verlieh die Würzburger Theologische Fakultät ihm auf Anregung Joseph Hergenröthers zum 25jähringen Priesterjubiläum den Dr. theol. h. c. – als auf dem Gebiet der Kirchenpolitik. Ihr galt die Mehrzahl seiner Veröffentlichungen. Das gilt auch für die Monatsschrift „Der Katholik“, die er 1850–90 zusammen mit seinem Freund Heinrich redigierte und die unter ihm das wichtigste wissenschaftliche Organ des deutschen Ultramontanismus wurde.

Als engagierter Verfechter der Kirchenfreiheit und als Vertreter eines streng romorientierten Kirchenverständnisses, das sich auf das Vereinswesen und den politisch organisierten Katholizismus, im Bedarfsfall aber auch auf alle Mittel der Geheimdiplomatie stützte, hat Moufang z. T. im Auftrage Kettelers, z. T. selbständig, immer in engem Kontakt zu Heinrich für die Ziele der katholischen Bewegung gefochten. Dazu zählten insbesondere jene kirchlichen Freiheitsrechte, die seit 1848–50 in Preußen, nicht aber im Großherzogtum Hessen verfassungsmäßig verankert war[en], obwohl Ketteler einen tragbaren Modus vivendi mit der Regierung gefunden hatte. Seit 1862 vertrat Moufang seinen Bischof in der hessischen Ersten Kammer und konnte dadurch unmittelbaren Einfluss auf die politische Gestaltung gewinnen.

Moufang hat gegenüber den liberalen Zeittendenzen das Ideal einer geschlossenen, streng päpstlich orientierten Kirche vertreten. Auf dem Gebiet der Priesterausbildung vertrat er die Seminarerziehung gegenüber der Universitätsausbildung. Er plädierte ferner für die Gründung einer katholischen Universität und die Pflege der Scholastik als der eigentlich „kirchlichen“ Theologie. Daher, vor allem aber wegen seiner Haltung zur Römischen Frage, geriet er seit 1860 in wachsenden Gegensatz zu Ignaz von Döllinger, der 1863 auf dem Münchener Gelehrtenkongress zum Ausbruch kam, da Moufang von seinem Standpunkt aus das angeblich autonome Selbstverständnis des Gelehrtenkongresses ablehnen musste. Moufangs geheime Berichterstattung an den Nuntius hat dazu geführt, dass für künftige Kongresse so einschränkende Bedingungen vorgeschrieben wurden, dass es zu ihrer Berufung nicht mehr kam.

Ketteler hat Moufang 1854 in sein Domkapitel und zum Geistlichen Rat berufen und ihn wenige Jahre später für den Gedanken der Vita communis begeistert, der freilich unter dem Mainzer Klerus auf Ablehnung stieß. 1868 empfahl er Moufang als Konsultor für die Vorbereitung des Ersten Vatikanischen Konzils. Von Januar bis Juni 1869 nahm er als Mitglied der kirchenpolitischen Kommission an den Arbeiten teil und hat für sie verschiedene Voten, vornehmlich zur Kirchenfreiheit, aber auch zur Sozialen Frage, ausgearbeitet.

Moufang hatte sich nach 1862 für die großdeutsche Lösung der deutschen Frage engagiert, seit 1866 jedoch eine Wende vollzogen. 1871–77, 1878–90 war er als Zentrumsabgeordneter Mitglied des Reichstages. Dort galten seine Interessen vornehmlich der Sozial- und der Kirchenpolitik. Wie Ketteler hat auch er sich nur langsam mit dem Gedanken der staatlichen Intervention auf politischem Gebiet vertraut gemacht. 1874 wurde er Vorsitzender der Arbeiterschutzkommission. Als Kirchenpolitiker hat Moufang sich nicht nur im Reichstag der Abwehrfront des Zentrums eingeordnet, sondern auch die katholischen Volksmassen für die Kirchenfreiheit zu begeistern gewusst. Zwischen 1850 und 1885 sprach der faszinierende Volksredner auf allen Katholikentagen. Daneben hat er jedoch auch als Berater Kettelers, des Spiritus rector der preußischen Bischöfe im Kulturkampf, unmittelbaren Einfluss auf deren Entscheidungen gehabt. Zeitweise hat Moufang wie sein Bischof sogar mit dem Gedanken der Trennung von Kirche und Staat gespielt.

Als die hessische Regierung dem nach dem Tode Kettelers (13. Juli 1877) zum Kapitularvikar gewählten Moufang die Anerkennung verweigerte, weil dieser sich nicht auf das tief in die kirchlichen Freiheiten eingreifende hessische Gesetz von 1875 verpflichten wollte, nahm dieser kraft päpstlichen Auftrages im geheimen die interimistische Bistumsverwaltung wahr, während die hessische Regierung die Fiktion aufrechterhielt, das Kapitel und sein Dekan Heinrich verwalteten den Sprengel. Diese konfliktgefährdete Lösung hat sich bis zur Wiederbesetzung des Bistums Mainz im Jahr 1886 nur deshalb halten können, weil das persönliche Verhältnis zwischen Moufang und Heinrich ungetrübt blieb. Bis zur Abtretung der wenigen preußischen Pfarreien von Mainz (1884) hat Moufang das Bistum auch auf der Fuldaer Bischofskonferenz vertreten. Moufang hat es als bitter empfunden, dass nach der Beilegung des Kulturkampfes nicht er, sondern 1886 Haffner Bischof von Mainz wurde. Nach der Wiedereröffnung des Seminars (1887) übernahm er zwar wieder dessen Leitung, doch musste er sie 1889 krankheitshalber niederlegen. Er starb am 27. Februar 1890 in Mainz. Sein Grab fand er auf dem Stadtfriedhof.

Anton (Philipp) Brück

Text aus: Gatz, Erwin (Hg.), Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder. Ein biographisches Lexikon. Teil: 1785/1803 bis 1945, Berlin: Duncker und Humblot 1983, S. 518–520. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

 

Weitere Literatur:

  • Klose, Martin, Christoph Moufang (1817–1890). Regens, Theologe und Politiker: Kirchlichkeit als Lebensprogramm, in: Claus Arnold und Christoph Nebgen (Hrsg.), Lebensbilder aus dem Bistum Mainz. Bd. II: Vierzehn Porträts (= Neues Jahrbuch für das Bistum Mainz 2017), Mainz 2017.
  • Klose, Martin, „Weil es Gott durch die Kirche befiehlt.“ Der Moraltheologe Christoph Moufang (1817–1890) im Spannungsfeld seiner Zeit. Ein Beitrag zur Geschichte der neuscholastischen Moraltheologie, St. Ottilien 2003.