Georg Heinrich Kirstein (1858–1921)

1904–1921 103. Bischof von Mainz

 

Georg Kirstein wurde am 2. Juli 1858 in Mainz als jüngstes Kind des Bezirksgerichtsrates und Rechtsberaters der Bischöflichen Behörde Heinrich Kirstein und seiner Ehefrau Eleonore Blank geboren. Sein ältester Bruder Anton wurde ebenfalls Priester und 1888–1914 Professor der Philosophie in Mainz. Beide Eltern waren dem kirchlichen Vereinsleben ihrer Pfarrei eng verbunden. Kirstein besuchte zunächst die Bischöfliche Marienschule und seit 1864 das Gymnasium in Mainz. Dort wurde er nicht nur Mitglied der Marianischen Kongregation, sondern war seit 1866 auch Sängerknabe am Dom. Sein Seelsorger war der nach der Anweisung der Jesuiten seit 1872 als Pfarrer in Mainz/St. Christoph wirkende spätere Weihbischof Maximilian Galen, ein Neffe Bischof Kettelers. Da das Mainzer Priesterseminar seit 1875 wegen des Kulturkampfes keine Alumnen mehr aufnehmen durfte, ging Kirstein nach dem Abiturientenexamen 1876 auf Weisung Bischof Kettelers zum Studium der Philosophie nach Eichstätt.

Da er nach der Priesterweihe, die er am 14. November 1880 in Eichstätt erhielt, wegen des Kulturkampfes keine ordentliche Anstellung im Bistum Mainz erhalten konnte, wirkte er 1880–83 zur Aushilfe in dem rheinhessischen Heßloch, dann in Worms und 1884–87 in Bürstadt. 1887 erhielt er seine erste ordentliche Anstellung als Kaplan in Darmstadt/St. Ludwig. 1890 wurde er Pfarrer in Gau-Algesheim. In allen Seelsorgsstellen hat Kirstein sich der gesamten Vielfalt seelsorgerischer Arbeiten gewidmet und besonderen Wert auf den Religionsunterricht und daneben auf die Standesseelsorge gelegt.

Eine Berufung zum Dompräbendaten lehnte er 1894 mit Rücksicht auf seine Pfarrei ab. 1903 wählte ihn das Mainzer Kapitel zu seinem Mitglied, und im gleichen Jahr wurde er Domkustos, Geistlicher Rat und Regens des Mainzer Priesterseminars, obwohl Bedenken dagegen aufgekommen waren, da er nicht promoviert war. Nach dem plötzlichen Tod von Bischof Brück wählte das Mainzer Kapitel Kirstein am 30. November 1903 zum Bischof. Die Wahl des volkstümlichen Seelsorgers wurde von Klerus und Kirchenvolk einhellig begrüßt. Der Heilige Stuhl verlieh ihm daraufhin den Dr. theol. h. c. Die Wahlbestätigung erfolgte am 8. Februar 1904. Die Konsekration nahm Erzbischof Nörber am 19. März im Mainzer Dom vor.

Kirstein war seinem Bildungs- und Werdegang nach für das Bischofsamt nicht vorbereitet. Als geborener Mainzer hat er zwar unkomplizierten Zugang zum Kirchenvolk gefunden, und als Prediger von persönlicher Ursprünglichkeit und Ergriffenheit, von Geist und Sinn für das Gefühlsmäßige konnte er vor allem bei seinen Advents- und Fastenpredigten, ferner bei den zahlreichen Wallfahrten und Vereinsveranstaltungen seiner Zuhörer gewiss sein. In der Bistumsleitung war er dagegen unverbindlich und entscheidungsschwach. Jedem Konflikt abhold hielt er sich im Gewerkschaftsstreit völlig zurück, während er den ihm geistig überlegenen Domkapitular und späteren Generalvikar Bendix, dessen Einfluss auf Kirstein zeitweise überstark war, 1908 zu seinem ständigen Vertreter in der Ersten Kammer des Großherzogtums Hessen ernannte. Vorteilhaft hat sich auf Kirsteins Amtsführung die Berufung von Domdekan Selbst zum Generalvikar ausgewirkt (1912). Wichtige Ereignisse von Kirsteins Episkopat waren die Bildung eines Diözesanverbandes der Jugendvereine (1907) und die Einberufung regelmäßiger Jugendseelsorgerkonferenzen. Die 1909 eingeleiteten Sicherungsarbeiten am Mainzer Dom mussten wegen des Ersten Weltkrieges 1916 unterbrochen werden.

Seit Herbst 1919 litt Kirstein an einer schweren Arteriosklerose, die seine Regierungsfähigkeit beeinträchtigte, während im hessischen Landtag die Auseinandersetzungen über das künftige Staat-Kirche-Verhältnis und insbesondere über den kirchlichen Einfluss auf die Schule stattfanden. Im Hinblick auf seinen unheilbaren Zustand erhielt Kirstein am 7. März 1921 in dem Speyerer Regens Hugo einen Koadjutor mit dem Recht der Nachfolge. Kirstein starb am 15. April 1921 in Mainz. Er wurde im Dom beigesetzt.

Anton (Philipp) Brück

Text aus: Gatz, Erwin (Hg.), Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder. Ein biographisches Lexikon. Teil: 1785/1803 bis 1945, Berlin: Duncker und Humblot 1983, S. 383–384. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

 

Weitere Literatur:

  • Hirschfeld, Michael, Die Bischofswahlen im Deutschen Reich 1887 bis 1914. Ein Konfliktfeld zwischen Staat und katholischer Kirche vom Ende des Kulturkampfes bis zum Ersten Weltkrieg, Münster 2012, S. 625–649.