Balduin von Luxemburg (1285–1354)

1307–1354 Erzbischof von Trier

1320–1321 Administrator von Mainz

1328–1337 Administrator von Mainz (gezählt als 58. Amtsinhaber des Erzbischofssitzes von Mainz)

1331–1336 Administrator von Speyer

1331–1332 Administrator von Worms

1335–1337 Administrator von Worms

 

Geboren 1285 vielleicht in Valenciennes als fünftes und jüngstes Kind des Grafen Heinrich III. von Luxemburg und Laroche, Markgrafen von Arlon († 1288), und der Beatrix von Beaumont und Avesnes. Nach dem Tod des Vaters bei Worringen fielen der Mutter die Regentschaft und die Erziehung zu. Balduins ältester Bruder Heinrich, der spätere König Heinrich VII. von Luxemburg, übernahm das Landeserbe. Balduin studierte seit etwa 1297 in Paris die Universalien und Kanonisches Recht; vor 1306 Diakon; Domherr von Metz und Trier; um 1305 Dompropst von Trier. Nach dem Tod des Trierer Erzbischofs Dieter von Nassau wählte ihn eine Mehrheit des Domkapitels gegen den Lütticher Archidiakon Emicho von Sponheim († 1311) am 7. Dezember 1307 zum Nachfolger. Papst Clemens V. annullierte die Wahl entsprechend der 1300 durch Papst Bonifaz VIII. erlassenen Reservationsbulle, verlieh Balduin das Erzbistum am 12. Februar 1308 aber aus eigener Vollmacht und erteilte ihm am 10. und 11. März in Poitiers die Weihen. Am Pfingsttag, dem 2. Juni 1308, zog Balduin in Trier ein.

Balduin wird von den Chronisten als stark und klug, lebensfroh und standesbewusst, aber auch als unbeherrscht beschrieben; er griff mehrfach zum Schwert, erschien aber auch als frommer Priester. Er zelebrierte häufig, betete zumindest während der letzten achtzehn Lebensjahre das Brevier und hielt sich streng an die Fastenregeln. Als Gegenleistung für seinen Bruder Heinrich, der ihm mit Darlehen bei der Abtragung der Schulden seines Vorgängers Dieter von Nassau geholfen hatte, verzichtete Balduin auf sein Erbe. Die von ihm mitgetragene Wahl seines Bruders zum deutschen König involvierte ihn 1308 jedoch wie keinen seiner Vorgänger in die Geschicke des Reiches und der Familie. Unbeschwert dagegen von der alten Konfrontation des Erzbistums mit dem Haus Luxemburg, konnte sich Balduin intensiver als seine Vorgänger dem Ausbau des östlichen Erzstiftes und der vom Mainzer Erzbischof Peter von Aspelt und König Heinrich geschlagenen Brücke der Luxemburger nach Böhmen widmen.

Balduin begleitete seinen Bruder Heinrich 1310–13 auf dessen Romzug. Nach Heinrichs Tod 1313 konnte er aufgrund von Differenzen mit dem Kölner Erzbischof Heinrich von Virneburg und Pfalzgraf Rudolf I. mit Peter von Aspelt dessen Neffen, den böhmischen König Johann, nicht als Nachfolger durchsetzen, akzeptierte aber Ludwig IV. von Bayern. Balduin krönte diesen in Aachen und stützte ihn gegen den österreichischen Herzog Friedrich den Schönen und seinen Anhang, obwohl dies den Gegensatz zum Kölner Erzbischof vertiefte. Balduin folgte Ludwigs Politik mit Romzug und Kaiserkrönung sowie Wahl eines Gegenpapstes wohl nur bedingt; die päpstlichen Urteile gegen den König nach 1323 veröffentlichte er nur zögernd. Die avignonesische Kurie pflegte trotz der später über Balduin verhängten Zensuren zu ihm Kontakt, wobei die französische Diplomatie wohl eine große Rolle spielte, deren Unterstützung sich Balduin aufgrund der französischen Hoffnungen auf die deutsche Kaiserkrone seit 1307 sicher sein konnte.

Der im August oder September 1320 vom Mainzer Domkapitel erfolgten Postulation Balduins zum Nachfolger Peters von Aspelt, die zu seiner einjährigen Administration des Erzbistums führte, entsprach Papst Johannes XXII. nicht. Er verlieh das Erzbistum am 4. September 1321 stattdessen an Matthias von Buchegg. Als Balduin entgegen der Provision Heinrichs von Virneburg Ende September/Anfang Oktober 1328 die Postulation des Mainzer Domkapitels, das sich der päpstlichen Provisionspolitik widersetzte, zum Nachfolger des verstorbenen Erzbischofs Matthias von Buchegg sowie die Beauftragung mit der Administration des Erzstiftes annahm (Wahlkapitulation 12. Oktober), ging es ihm wohl um die Kurfürstenidee und um Familieninteressen, vielleicht auch um eine Einkreisung seiner Hauptgegner, der Wildgrafen und der Grafen von Sponheim mit ihren weitläufigen Koalitionen. Balduin erhielt die Anerkennung Ludwigs von Bayern und schloss mit dem hessischen Landgrafen Heinrich II. 1328 einen Landfrieden, 1329 ein Bündnis. Papst Johannes XXII. providierte dagegen am 11. Oktober 1328 Heinrich von Virneburg zum Erzbischof. Erst im Januar 1329 bemühte sich das Domkapitel um die päpstliche Bestätigung Balduins.

Den ihm unterstehenden Teil des Erzbistums regierte Balduin mit straffer Hand. Er schloss zwar 1332 mit Heinrich von Virneburg Frieden, doch widerstand das Domkapitel weiter, und die Kurie eröffnete gegen Balduin einen Prozess. Fast gleichzeitig nahm Balduin 1331–32 auf Bitten des Domkapitels zusätzlich die Administration des Bistums Worms im Schisma zwischen dem von der Kurie providierten Salmann Cleman und dem Elekten Gerlach Schenk von Erbach an und führte einen Ausgleich zwischen beiden herbei. Da das Domkapitel Salmann weiterhin ablehnte, übertrug es Balduin neben anderen Bistumsverwaltern im Frühjahr 1335 erneut die Administration von Worms. Der starke kuriale Druck (1336 Exkommunikation Balduins) und wohl auch Balduins Einsicht in die politische Unfruchtbarkeit der Position bewogen ihn im Herbst 1336 in Mainz (12. November), Worms und Speyer, wo er 1331–36 ebenfalls die Administration wahrnahm, zu schrittweisem Verzicht.

Im Januar 1337 beauftragte der Papst seine Legaten mit der Übernahme der Verwaltung von Bistum und Hochstift Worms. Die Einigung Landgraf Heinrichs mit Ludwig dem Bayern am 29. Juni 1337 manövrierte ihn dann in Mainz aus, wo er inzwischen wohl dem Domkapitel zu stark geworden war. Die Administration von Speyer bestand wesentlich in der finanz- und wirtschaftspolitischen Führung unter dem uninteressierten Bischof Walram von Veldenz. Die Konsolidierung der wirtschaftlichen Verhältnisse scheint für Balduin jedoch weniger im Vordergrund gestanden zu haben. Er nutzte die Administration vielmehr für finanzielle Transaktionen im Rahmen seiner übergreifenden Politik. Auch nach Walrams Tod (28. August 1336) blieb er Verwalter des Hochstifts; erst nach der Wahl Gerhards von Erenberg trat er zurück. Im April 1337 verpflichtete sich der neue Bischof, Balduins Ansprüche auf Abfindung seiner Aufwendungen für das Bistums Speyer mit 30.000 Pfund Heller abzulösen.

Parallel zu den Administrationen führte Balduin eine ausgedehnte Landfriedenspolitik; so war er an den Rheinischen Landfrieden von 1317, 1331, 1332, 1337 und 1338, am Kaiserslauterner Landfrieden 1333, vor allem aber an dem für das Gebiet zwischen Rhein und Maas von 1352 beteiligt, der auch auf Hessen ausgedehnt wurde. Daneben steuerte Balduins Diplomatie zielstrebig den Kurverein von Rhens (1338) an. Balduin wollte den politischen Sinn des Wahlkollegiums retten. Als sich die Zurückdrängung französischen Einflusses durch den Kriegsplan 1338 herauskristallisierte, näherte er sich im September 1338 bzw. März 1339 der Rhenser bzw. Frankfurter Erklärung der Kurfürsten („Licet iuris“), die sich gegen eine „päpstlich-französische Bevormundung“ auf die Seite Ludwigs von Bayern stellte. Da er aber wegen der von der Kurie nicht genehmigten Mainzer, Wormser und Speyerer Administration in eine Reihe von Disziplinarprozessen verwickelt war, schloss er sich wohl 1341 zunehmend der kurialen Position an, die er für die Erhebung seines Großneffen Karl IV. zum König benötigte. Das Urteil über die Wahl Karls 1346, die schon die Zeitgenossen als Komplott zwischen Balduin und Papst Clemens VI. deuteten, schwankt bis heute zwischen Wortbrüchigkeit und Pragmatismus, je nachdem ob man in ihr Familienpolitik oder reichspolitische Notwendigkeit sieht. Balduin förderte Karl nach dem Tod seines Vaters, des böhmischen Königs Johann, als Haupt des Hauses, verhalf ihm zur Verweserschaft für Luxemburg sowie zur Reichsstatthalterschaft und vermied bis zum Tod Ludwigs von Bayern jede wirkliche Konfrontation.

Grundlage seiner Politik waren Balduins Personalpolitik und Geldwirtschaft. Die Zusammenstellung seiner „familia“ reichte von Pariser Fachgelehrten (Johann von Bruay, Luitpold von Babenberg und Peter von Lautern) über geschickte juristische Taktiker (Rudolf Losse) bis zum verdienten Chronisten (Ordulph Scholer aus Trier). Seine häufige Abwesenheit zwang ihn wohl zur regelmäßigen Bestellung eines Weihbischofs aus den Bettelorden. Jüdische Kreditwirtschaft und Finanzverwaltung sicherten bis zum großen Pogrom 1338 bzw. 1349 seine Kreditwürdigkeit und -fähigkeit. Eine systematische Vorratspolitik diente der Wirtschafts- und Preissteuerung.

Auf territorialem Gebiet, für das Balduin 1314 das kaiserliche Privileg de non evocando erhielt, strebte er eine Territorialisierung nach französischem Muster an, d. h. die Lehenshoheit über alles Gut im Territorium. Größter territorialer Gewinn war die 1312 von König Heinrich VII. erlangte Pfandschaft der Fiskalbezirke Boppard und Oberwesel mit ihren Rheinzöllen, die König Ludwig 1314 bestätigte. Sie sicherte den Koblenzer Raum und dessen Ausbau ins Maifeld hinein. Unverzichtbar wurde deshalb die Verstärkung der Mosellinie des Erzstiftes, vor allem an den kritischen Punkten („Kröver Reich“), wo die Grafen von Sponheim Pfandinhaber waren. Die seit der Königswahl von 1314 schwelenden Differenzen eskalierten durch Balduins Lehensvorbehalt für den für die Grafen existenzwichtigen Raum Birkenfeld. Balduins Gefangennahme durch die Gräfin Loretta (1324–45) und eine vierteljährige Gefangenschaft 1328 auf der Starkenburg zwangen ihn zur Überlassung von Burg Birkenfeld und zum Verzicht auf Einlösung des Kröver Reichsgutes. Die Fülle anderer, vor allem pfälzischer Pfandschaften konnte Balduins Nachfolger Boemund von Saarbrücken nicht halten. Auch die 1347 durchgesetzte Inkorporation der Benediktinerabtei Prüm in das Erzstift blieb nur Episode. Dauerhaft war dagegen der Erwerb von Burg und Stadt St. Wendel 1328. Balduins territoriale Stärke war seine systematische Lehenspolitik: in seine Amtszeit fielen Hunderte von Lehensauftragungen, die Öffnung von 103 Burgen, der Bau mehrerer nach ihm benannter Burgen, die Fortsetzung der Burgenpolitik und die Vollendung der Ämterorganisation seiner Vorgänger. Kennzeichnend war das aggressiv-offensive Vorgehen, das auch kleinste Rechtstitel ungeniert ausnützte. Der Innenausbau des Territoriums wurde unter Balduin vollendet, das Erzstift in Ober- und Niederstift gegliedert, die Ämter um Burgen bzw. Städte gruppiert, besiegte Adlige als Ober- bzw. Amtmänner einbezogen und das Territorium mit einem „rigiden“ Justizwesen befriedet.

Der geistlichen Gerichtsbarkeit über die Herrschaften in Taunus und Westerwald diente der Ausbau der zweiten Kurie in Koblenz. Die Verfolgung der Flagellanten legte Balduin in die Hände der weltlichen Administration. Das Domkapitel band er in einer Einung von 1333 an sich, die Stifte durch mehrere „Confoederationes“. Nach 1346 löste sich das Domkapitel jedoch von ihm. Balduins Städtepolitik war trotz einer kaiserlichen Sammelverleihung des Frankfurter Stadtrechts für 30 (1332) und weitere 15 (1346) Amtsorte und Burgen ineffektiv. Zwar kontrollierte Balduin Koblenz und verstärkte seine Stellung gegenüber der Stadt Trier, doch konnte sich der von den Zünften mitbestimmte Rat faktisch viele neue Positionen sichern. Das pfandweise erworbene Boppard musste Balduin 1318 und 1327 mit Gewalt unterwerfen. Zur Sicherung des Erworbenen und seiner Einkünfte pflegte Balduin einen hohen Grad an Schriftlichkeit: Mit den „Balduineen“ in drei verschieden verwendbaren Exemplaren schuf er eine jederzeit greifbare Privilegien- und Urkundensammlung.

Intensiver als seine Vorgänger und Nachfolger führte Balduin Visitationen durch, was zu einem erheblichen Informationsstand über die Erzdiözese führte. Seine Provinzialsynode von 1310, die eigentlich die Templerfrage behandeln sollte, prägte mit ihren 139 verabschiedeten Kapiteln für Jahrhunderte die Diözese. Fünf Diözesansynoden sind unter Balduin belegt. Angesichts des im Trierischen offensichtlich existierenden Vorbehalts gegenüber Synoden veranstaltete Balduin jährliche Treffen des Klerus in Trier und Koblenz. Der einheitliche Festkalender (1338), der „Ordinarius horarum et missarum“ (1344) und der „Ordinarius“ für den Dom (1345) bildeten Meilensteine der trierischen Liturgie. Besondere Förderung erfuhren die auf Balduins Initiative zurückgehenden neuen Kartausen auf dem Beatusberg über Koblenz (1331) und in Trier (1335/40). Deren Askese und kontemplative Lebensweise schätzte er wohl seit seiner französischen Zeit. Auffällig ist Balduins frühe Bereitschaft zur Unterstützung von Stifts- und Klosterreformen, so z. B. 1346 für das Augustinerinnenkloster vor Andernach und die Verlegung des Chorherrenstiftes von Lonnig nach Mayen.

Balduins ehedem sprichwörtlicher Finanzschatz war seit 1349 durch Ausgaben für die Wahl Karls IV. und durch eine Reihe von Fehden, Pest, Vermehrung der Zölle und die „Judenschlacht“ aufgebraucht. Gegen Ende seiner Regierungszeit machte der amtsmüde Balduin zunehmend Gebrauch von der Retraite einer Zelle der Trierer Kartause. Weihnachten 1353 nahm er noch am Mainzer Reichstag teil, wo er in Gegenwart Karls IV. mehrfach die Liturgie feierte; gestorben am 21. Januar 1354 Trier; Grab: Westapsis des Trier Domes.

Wolfgang Seibrich

 

Text aus: Gatz, Erwin (Hrsg), Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches. Teil: 1198 bis 1448, unter Mitw. von Clemens Brodkorb, Berlin: Duncker und Humblot 2001, S. 799–802. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

 

Weitere Literatur:

  • Burgard, Friedhelm, Balduin von Luxemburg (um 1285–1354). Kurfürst, Bischof und Landesherr, in: Felten, Franz J. (Hrsg.), Mainzer (Erz-)Bischöfe in ihrer Zeit (= Mainzer Vorträge 12), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2008, S. 35–58.