Gerhard (I.) Wildgraf von Dhaun (um 1231–1259)

1251–1259 52. Erzbischof von Mainz

 

Geboren um 1231, vermutlich auf der Kirburg, aus dem Geschlecht der Wildgrafen, die im 12. Jahrhundert neben den Raugrafen als Nachkommen der mächtigen Nahegaugrafen auftraten und deren Zentren die Kirburg bei Kirn an der Nahe, die Schmidburg im Hahnenbachtal und die Baumburg im Alsenztal waren; Gerhards Vater war Konrad II., Wildgraf und Graf von Dhaun († 1263), seine Mutter Gisela († 1245), Tochter des Grafen Simon II. von Saarbrücken und der Luccard von Leiningen; von Gerhards jüngeren Brüdern wurde Heinrich Abt des Benediktinerklosters St. Maximin in Trier, Simon († 1284) Domkustos von Mainz und Konrad Wildgraf, wie sein Neffe Emicho Wildgraf, Bischof von Freising; ein Vetter, Heinrich von Leiningen, wurde Bischof von Speyer; Gerhard war mit dem Elekten von Lüttich, Otto von Eberstein, und dem wahrscheinlich 1241 abgesetzten Mainzer Domkustos Friedrich von Eberstein, beide Parteigänger Kaiser Friedrichs II., verwandt.

Gerhard besuchte die Mainzer Domschule, wurde früh Domherr von Mainz und war Subdiakon, als er nach der Resignation des Mainzer Erzbischofs Christian von Weisenau vor dem 14. August 1251 auf Betreiben des päpstlichen Legaten Hugo de S. Caro OP, Kardinalpriesters von S. Sabina (1244–63), zum Nachfolger gewählt und bestätigt wurde; Diakonats- und Priesterweihe in der Fastenzeit 1252 in Erfurt; Bischofsweihe durch Heinrich de Suze, Erzbischof von Embrun (1250–62), später Kardinalbischof von Ostia und Velletri (1262–71), am 24. März 1252 in Braunschweig, wo sich Gerhard im Gefolge König Wilhelms von Holland aufhielt.

Der Verwandtschaft Gerhards mit dem Speyerer Bischof Heinrich von Leiningen, Kanzler König Wilhelms, war es wohl zuzuschreiben, dass sich die antistaufische Partei auf ihn als neuen Erzbischof festgelegt hatte, in der Annahme, einen treuen Gefolgsmann zu gewinnen. Doch offenkundig war der noch junge Gerhard nicht so leicht zu lenken, denn noch 1252 verfiel er wegen Erpressung neuer Weggelder der Exkommunikation, von der ihn Kardinal Hugo 1253 wieder löste. Wegen politischer Eigenmächtigkeiten bannte ihn der Kardinal 1254 erneut, musste ihn jedoch auf päpstliche Anordnung hin schon bald wieder lösen. Im Februar 1254 schlossen die Städte Mainz und Worms zur Durchsetzung des Mainzer Landfriedens von 1235 ein „ewiges Bündnis“, das sich sogleich durch den Anschluss nicht nur weiterer Rheinstädte und Grafen, sondern auch der Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier und der Bischöfe von Worms, Basel, Straßburg und Metz zum Rheinischen Bund erweiterte.

Im Interregnum, der „kaiserlosen“ Zeit bis 1278, gewannen die Erzbischöfe von Mainz großen reichspolitischen Einfluß. Als 1257 die Kurfürsten bei der Königswahl erstmals, wenn auch gespalten, als Kollegium auftraten, konnte Gerhard am Wahlgeschehen nur indirekt teilnehmen, denn er war seit Januar 1256 in Gefangenschaft Herzog Albrechts von Braunschweig († 1279), eines Schwiegersohns Sophies von Hessen († 1275), der Tochter der hl. Elisabeth von Thüringen (1207–31), dem er im Kampf um Lehensrechte unterlegen war. Über einen Mittelsmann stimmte Gerhard für Richard von Cornwall. Gegen ein hohes Lösegeld aus der Gefangenschaft entlassen, wohnte Gerhard 1257 in Aachen der Krönung Richards durch den Kölner Erzbischof Konrad von Hochstaden bei. 1258 geriet er wegen Besitzstreitigkeiten an der Bergstraße erneut in Gefangenschaft. 1258 bewilligte er der Stadt Erfurt eine freiheitliche Stadtratsordnung.

Gerhard förderte den jungen Franziskanerorden so sehr, dass er in der Literatur gelegentlich selbst zum Minderbruder erklärt wird. 1253 legte er in Mainz den Grundstein für das erste Franziskanerkloster; auch die Dominikaner führte er in seinem Bistum ein und begünstigte die Reuerinnen.

Gestorben am 25. September 1259 Erfurt; Grab: Barfüßerkirche Erfurt.

Friedhelm Jürgensmeier

 

Text aus: Gatz, Erwin (Hrsg), Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches. Teil: 1198 bis 1448, unter Mitw. von Clemens Brodkorb, Berlin: Duncker und Humblot 2001, S. 401–402. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags.