Dietrich (Theoderich) Schenk von Erbach (um 1395–1459)

1434–1459 67. Kurfürst-Erzbischof von Mainz

 

Dietrich Schenk von Erbach wurde um das Jahr 1395 wahrscheinlich als Sohn des Eberhard Schenk von Erbach, des Begründers der Erbach-Michelstädter Linie, geboren. Dieser hatte 1390 Maria von Bickenbach geheiratet. Die Schenk waren im Odenwald beheimatet, ursprünglich Königsleute, dann über die Abtei Fulda Reichskirchenministeriale geworden, im 13. Jahrhundert zu Schenken aufgestiegen und zu solcher Bedeutung gelangt, dass sie als Edle und Herrengleiche angesehen wurden (Grafen seit 1432). Im Mainzer Domstift besaßen sie zwischen etwa 1342 und 1482 acht Pfründen, dazu zwei Expektanzen. Unter den Domherren wird ein Eberhard genannt, der 1371 sein Kanonikat gegen eine andere Pfründe vertauschte. Er dürfte der Vater Dietrichs gewesen sein. Dessen Bruder Johann († 1458), der Fortsetzer der Familie, sowie die Mainzer Domherren Diether († 1437) und Gerhard († 1451) wurden erstmals beim Bemühen um eine Pfründe der Pfarrei Erlenbach 1406 erwähnt.

1409 immatrikulierte Schenk sich an der Universität Heidelberg. Am 7. Januar 1413 legte er die Ahnenprobe für das Mainzer Domstift ab. Am 20. Dezember 1413 wurde er als Domherr geführt. Vergeblich war 1414 sein Bemühen um eine Dompfründe in Würzburg. 1419 empfing er die Subdiakonatsweihe. 1429 wählte ihn das Mainzer Domkapitel zum Kantor, dem eine strenge Residenzpflicht oblag und der aus seiner ursprünglichen liturgischen Funktion her das Recht der Inful besaß. Um den Besitz der Kantorei gegen Hartmann von Biedenfeld, Jakob I. von Sierck und Dietrich Kranich von Kirchheim abzusichern, die auf Grund von Provisionen und anderen Titeln ebenfalls Anspruch erhoben, ließ Schenk sich diesen am 20. und 27. Januar 1430 päpstlich bestätigen. 1434/35 resignierte er die Prälatur.

Am 6. Juli 1434 wurde er zum Nachfolger des Mainzer Erzbischofs Konrad von Daun (1419–34) gewählt, und zwar in Bingen, da der Mainzer Klerus wegen eines Konfliktes mit der Bürgerschaft 1433 die Bischofsstadt verlassen hatte. Die päpstliche Konfirmation und die Gewährung des Palliums, um die Schenk bei Eugen IV. in Florenz nachsuchte, erhielt er am 20. Oktober 1434. Zu seiner Palliumsgesandtschaft gehörte Dr. Johannes de Lysura aus Lieser an der Mosel, seit 1436 langjähriger Mainzer Generalvikar und bis etwa 1438 erzbischöflicher Bevollmächtigter auf dem Konzil zu Basel.

Neben den verworrenen Verhältnissen in der seit 1434 exkommunizierten Stadt Mainz und den lang anhaltenden territorialen und rechtlichen Konkurrenzstreitigkeiten mit den Landgrafen von Hessen und Thüringen war der 1439 in der Wahl Felix’ V. gipfelnde Konflikt zwischen der Baseler Konzilsversammlung und Papst Eugen IV. das zentrale Problem von Schenks Pontifikat. Unter Vermittlung des Konzils konnte mit Mainz in der Pfaffenrachtung 1435 eine erste Einigung erzielt werden. Ein Großteil der Geistlichen kehrte in die Stadt zurück. Der feierliche Einzug Schenks war erst am 7. März 1439 möglich. Sein Anspruch, auch in weltlichen Dingen Obrigkeit zu sein, führte anlässlich der letzten in Mainz abgehaltenen Reichstage 1441 und 1444 erneut zu Streit und Aufständen. Die Zünfte, die seit 1428 nach Zurückdrängung der Patrizier im Stadtrat die Mehrheit besaßen, übernahmen den Großteil von Stadtleitung und -verwaltung. Ein Ausgleich zwischen ihnen und Schenk kam 1449 zustande. Im Jahr zuvor war Johannes Gutenberg nach Mainz zurückgekehrt. Dort entstanden 1452/55 dessen berühmte erste gedruckte Bibel und 1457 das Psalterium Moguntinum.

Im seit langem anhaltenden hessisch-kurmainzischen Dualismus büßte das Erzstift wichtige Positionen ein. Zwischen 1435 und 1439 erhielt Landgraf Ludwig I. die Schirmvogtei über die in Hessen und Thüringen gelegenen mainzischen Besitzungen. Viele dieser Besitzungen gingen verloren, dazu die bislang starke Mainzer Präsenz in der Wetterau, die unter den Einfluss des Landgrafen geriet, da es diesem 1450 gelang, mit dem Erwerb der Grafschaften Nidda und Ziegenhain Ober- und Niederhessen zu verbinden.

Zu den brisantesten Problemen während Schenks Pontifikat zählte die Konzilsfrage. Im Streit zwischen den Reformern in Basel und Papst Eugen IV. beziehungsweise dem von diesem nach Ferrara verlegten Konzil entschied Schenk sich mit den übrigen Kurfürsten 1438 für strikte Neutralität. Diese bestimmte bis 1447 seine Kirchenpolitik. Dem widerspricht nicht, dass er 1439 der „Mainzer Akzeptation‟ zustimmte, die sich ähnlich der „Pragmatischen Sanktion‟ von Bourges 1438 im Sinne der Basler Reformdekrete gegen überzogene päpstliche Besitz- und Finanzansprüche im Reiche erklärte. Weil Schenk, anders als die Erzbischöfe von Köln und Trier, 1441 römisch-kurialen Finanzforderungen dennoch Verständnis entgegenbrachte, überwarf sich zeitweilig sein Domkapitel mit ihm. Das „Fürstenkonkordat‟ von 1447 mit erheblichen Zugeständnissen im Sinne der Basler Reformforderung bildete den Versuch Eugens IV., politische Schwierigkeiten mit dem Reich auszuräumen und die Neutralität der Kurfürsten aufzubrechen.

Das gelang unter seinem Nachfolger Nikolaus V., der im Juli 1447 auf dem Fürstentag zu Aschaffenburg durch seine Legaten, darunter Enea Silvio Piccolomini, die Annahme des „Fürstenkonkordats‟ zugestand und dafür die Anerkennung durch die Reichsfürsten erhielt. Dass diese Zusage 1448 im Wiener Konkordat erheblich abgeschwächt wurde, führte erneut zu einer kritischen Einstellung der Reichsfürsten dem Papst und der Kurie gegenüber. Das zeigen die Beschwerden im Libell der im November 1451 in Mainz tagenden Reformprovinzialsynode und die häufig erhobenen Gravamina. Dass sich die Spannungen 1451 und auf den Synoden 1455 in Aschaffenburg und 1456 in Frankfurt trotz erster Forderungen nach einem Nationalkonzil nicht noch verstärkten, war ein Verdienst der geschickten Verhandlungen des Nikolaus von Kues und Schenks, der aus politischen Erwägungen und persönlichem Ruhebedürfnis mäßigend auf die Konfliktparteien einwirkte. Schenk starb am 6. Mai 1459 in der erzbischöflichen Burg zu Aschaffenburg. Er wurde in der dortigen Stiftskirche beigesetzt. Sein Epitaph trägt 16 Ahnentafeln.

Friedhelm Jürgensmeier

 

Text aus: Gatz, Erwin (Hrsg.), Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches. Teil: 1448 bis 1648, unter Mitw. von Clemens Brodkorb, Berlin: Duncker und Humblot 1996, S. 630–631. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags.