Friedrich Karl Joseph von Erthal (1719–1802)

Reichsfreiherr von Erthal

1775–1802 93. Kurfürst-Erzbischof von Mainz

1775–1802 Fürstbischof von Worms

 

Friedrich Karl Joseph von Erthal wurde am 3. Januar 1719 zu Mainz als zweites Kind des Philipp Christoph von Erthal und der Maria Eva von Bettendorf geboren. Er hatte neun Geschwister. Sein Vater (†1748) war bis 1714 Mainzer Domherr und seit 1710 als Kurmainzer und Bamberger Hofrat maßgeblich an den großen Baumaßnahmen von Erzbischof Lothar Franz Freiherr von Schönborn beteiligt gewesen. Der 1730 geborene Bruder Franz Ludwig von Erthal wurde Fürstbischof von Würzburg und Bamberg.

Erthal verlebte seine Kindheitsjahre im Rieneckschen Schloss Lohr. Für die geistliche Laufbahn bestimmt, erhielt er 1728 die Tonsur. Im gleichen Jahr wurde er Domizellar in Bamberg. 1731 wurde er als Domherr in Mainz aufgeschworen. Erthal kam ferner in den Besitz von Pfründen an den Ritterstiften in Komburg und St. Ferrutius in Bleidenstadt. 1739 wurde er Domizellar am Würzburger Domstift, resignierte diese Präbende aber bald zugunsten seines Bruders Franz Ludwig Karl. Seine gymnasiale Ausbildung erhielt Erthal am Mainzer Jesuitenkolleg. Philosophie, Theologie und Recht belegte er an den Universitäten in Mainz und Würzburg. Das Biennium absolvierte er wie viele seiner Standesgenossen in Reims. 1745 erhielt er die Minores und die Subdiakonatsweihe. Das ermöglichte ihm, 1749 Domkapitular in Bamberg und 1753 in Mainz zu werden.

In den Jahren vor der Aufnahme in dieses vornehmste, einflussreichste und einträglichste Kollegium der Erz- und Hochstifte war „Baron Fritz“ – eine Standeserhöhung haben die Erthals nie erlangen können – häufig im schon klassizistisch geprägten Erthaler Hof zu finden, den sein Vater 1734–44 in Mainz hatte errichten und aufwendig ausstatten lassen.

Der in den Quellen als sehr begabt und gebildet charakterisierte Erthal wurde 1757 in Bamberg Oberpfarrer und in Mainz Rektor der Universität. Dieses Amt, das er bis 1763 behielt, vermittelte ihm eine profunde Kenntnis der Universitätsangelegenheiten. Seine eigentliche Karriere begann 1764, als ihn der eben zum Erzbischof gewählte Emmerich Joseph von Breidbach-Bürresheim zum ersten Mainzer Wahlbotschafter für die Wahl Josephs II. zum Römischen König ernannte. Die Aufgabe beschäftigte Erthal bis zur Krönung des Habsburgers am 3. April 1764 in Frankfurt mit einer Fülle von Gesprächen und politischen Aktivitäten, die ihm wertvolle Verbindungen zu hochstehenden Persönlichkeiten einbrachten. Noch im gleichen Jahr berief ihn Breidbach-Bürresheim zum Hofrats- bzw. Regierungspräsidenten. Vize-Hofmeister wurde der wie der Erzbischof dem aufgeklärten Gedankengut nahestehende Karl Friedrich Willibald von Groschlag († 1799). Er und der später zum Hofkanzler beförderte Anselm Franz von Bentzel (†1786) gaben wesentliche Anstöße zu den Reformmaßnahmen, die in den folgenden Jahren die Innenpolitik des Kurstaates bestimmten und veränderten und auf Widerspruch des Domkapitels stießen.

Das Verhältnis zwischen dem Erzbischof und Erthal scheint dadurch nicht nachteilig belastet worden zu sein, denn 1769 beauftragte jener den in Mainz 1768 als Nachfolger eines Vetters zum Domkustos aufgestiegenen Erthal, wegen des anstehenden Lehensempfanges an den Kaiserhof nach Wien zu reisen. Gleich seinem Vater, der 1745 zum wirklichen kaiserlichen Geheimen Rat ernannt worden war, fand Erthal engen Kontakt zu Kaiserin Maria Theresia. Möglicherweise gab das den Ausschlag dafür, dass Erthal Ende 1769 erneut in die Kaiserstadt reiste, um als Kurmainzer Sonderbeauftragter bei der Neuordnung der Reichskanzlei mitzuwirken. Reichsvizekanzler war damals Rudolph Fürst von Colloredo-Waldsee (†1788). Während der Wiener Jahre wurde Erthal 1770 Domscholaster in Bamberg.

Als Erthal 1773 nach Mainz zurückkehrte, wusste er sich im Domkapitel rasch eine starke Gefolgschaft zu schaffen. Das brachte ihm die erhoffte persönliche Konsequenz, als am 11. Juni 1774 überraschend Breidbach-Bürresheim starb. Dieser Tod löste eines der turbulentesten Mainzer Interregna aus, da sich im Domkapitel eine reformorientierte „emmerichianische“ Minorität und eine auf sofortige Restauration eingeschworene Mehrheit gegenüber standen. Die Erregung wurde gesteigert durch die gereizte Stimmung in der Öffentlichkeit, die sich mehrfach in Missfallensäußerungen gegen die Reformer äußerte. Es wird zumeist dem ausgeprägten Ehrgeiz von Erthal zugeschrieben, dass er jetzt an die Spitze der Emmerich-Joseph-Gegner trat.

Bereits einen Tag nach dem Tod des Erzbischofs hatte er die Stimmenmehrheit im Domkapitel auf sich gebracht. Am gleichen Tag erklärte das Kapitel die von dem verstorbenen Erzbischof eingesetzten Kloster- und Schulkommissionen für kapitulations- und verfassungswidrig und hob sie auf. Die Geistlichen Räte Johannes Valentin Schumann und Philipp Adam Schultheis wurden entlassen. Ihre Akten mussten sie Weihbischof Ludwig Philipp Behlen übergeben. Weiter wurde den im Emmericianum, dem ehemaligen Jesuitengymnasium, tätigen Lehrkräften untersagt, im Sinne der Aufklärung zu unterrichten. Mehrere Lehrer wurden entlassen, ein anderer verhaftet, einer floh nach Hildesheim. Am folgenden Tag setzte das Domkapitel eine Schulkommission ein, die das Schulwesen neu planen und ordnen sollte. Sie stand unter der Leitung von Erthal und Behlen. Ihr gehörten u. a. Stephan Alexander Würdtwein und der Jurist Franz Anton Dürr an, der wenig später dem neuen Erzbischof behilflich war, die Bedeutung seiner Funktion als Erzkanzler des Reiches erneut zu begründen.

Es kennzeichnet die neue Linie, dass der als Exponent der Aufklärungsfeindlichkeit geltende Ex-Jesuit Hermann Goldhagen (†1794) zum Schulpräfekten ernannt wurde. Zu seinen Zuständigkeiten gehörte auch die Auswahl der Lehrer. Goldhagen gründete 1774 die Zeitschrift „Schriftmäßige Moral“, die er 1776 durch sein apologetisches „Religions-Journal“ (bis 1794) ablöste. Mit Unterstützung des Dompropstes Hugo Franz von Eltz wurde er bald eine der einflussreichsten Persönlichkeiten.

Eine weitere Maßnahme der beharrenden Kräfte im Domkapitel war die Entmachtung von Groschlag und Bentzel. Zu den ersten Amtshandlungen des späteren Erzbischofs gehörte die Annahme des unfreiwilligen Entlassungsgesuches von Groschlag. Zuvor hatte er bereits die von der Interimsregierung beschlossene Entlassung von Hofkanzler Bentzel, der Theologieprofessoren Isenbiehl, Joseph Fuchs und Adam Gärtler und des Pfarrers der Universitätskirche Johann Michael Hettesdorf bestätigt.

Die Wahl Erthals erfolgte am 18. Juli 1774 „unanimiter et concorditer“. Am 26. Juli postulierte ihn auch das Wormser Domkapitel zum neuen Fürstbischof. Die päpstliche Bestätigung der Wahlen folgte am 13. März 1775, wenig später die Verleihung des Palliums. Erthal war seit dem 11. September 1774 Priester und wurde am 14. Mai 1775 zum Bischof geweiht.

Alles deutete darauf hin, dass innenpolitisch und kirchlich der aufklärungs- und reformfreudigen Regierung von Breidbach-Bürresheim nun eine Phase der Reaktion folgen würde, zumal der neue Erzbischof fast pedantisch Wert auf die genaue Einhaltung alter Frömmigkeitsformen legte. Nuntius Giovanni Battista Caprara in Köln erhoffte eine Verbesserung seiner Beziehungen zum Erzbistum Mainz. Außenpolitisch schien der französische Einfluss ausgeschaltet, zumal Frankreich gegen die Wahl Erthals gearbeitet hatte, und die prokaiserlich und reichsorientierte Richtung gesiegt zu haben. Der neue Erzbischof, in seiner Persönlichkeitsstruktur eher unbeständig, schillernd und nicht leicht einzuordnen, legte sich jedoch auf keine Linie fest. Weil Kaiser Joseph II. versuchte, das Reich in seine dynastischen Ziele einzuspannen, ging der auf die Achtung seiner Reichswürden und den ungeschmälerten Bestand des stiftischen Deutschland bedachte Kurfürst auf Distanz zum Wiener Hof. Die von ihm vertretene Opposition ging so weit, dass er 1785 dem unter der Leitung Preußens stehenden und in der Mehrheit von protestantischen Reichständen gebildeten Fürstenbund beitrat.

Mainz kam dadurch in der Reichspolitik vorübergehend noch einmal zu einer gewichtigen Rolle. Doch politisch weitsichtig war die Entscheidung des Kurfürsten nicht. Das Projekt scheiterte rasch an der politischen Zielsetzung Preußens, den zu großen konfessionellen Gegensätzen im Bündnis, der reservierten Haltung der übrigen geistlichen Fürsten und der heftigen Reaktion im Mainzer Domkapitel, das im Bündnis Verrat an der katholischen Sache sah. Zu dem Zeitpunkt waren Differenzen und Zerwürfnisse zwischen Erthal und dem Domkapitel keine Seltenheit mehr, denn der auf seine politische Selbständigkeit bedachte und grundsätzlich gar nicht aufklärungs- und reformfeindliche Landesherr hatte sich längst aus der Einbindung in die konservative Kapitelsmehrheit gelöst. Das brachte ihm nicht nur deren Gegnerschaft, sondern auch den Vorwurf ein, er habe die gegen die Aufklärung gerichteten Maßnahmen von 1774 lediglich aus taktischen Gründen befürwortet und ausgeführt. Ganz unberechtigt war die Anschuldigung nicht.

Die in mehrfacher Hinsicht zwiespältige Kurmainzer Politik nach 1774 machte deutlich, wie schwer Erthal eine konsequente politische Linie fiel. Die ersten Jahre seiner Regierung standen im Zeichen der Restauration, allerdings nicht ohne Vorbehalte. 1774 hatte er eine neue Kommission für das Landschulwesen eingesetzt. Mitglied wurde neben Würdtwein und Siegler Karl Joseph Luca auch der als Anhänger einer gemäßigten Aufklärung bekannte Ernst Xaver Turin, dessen 1787 im Bistum eingeführtes deutschsprachiges Gesangbuch vor allem in den bäuerlichen Gemeinden des Rheingaues als „protestantisch“ zurückgewiesen wurde und fast zu einer Revolte führte. 1776 richtete Erthal anstelle der 1774 aufgehobenen Lehrerakademie eine „Normalschule zum Unterricht der Schullehrer“ ein. Zu den Ausbildern gehörten Alexander Hornung und Matthias Metternich, die später als revolutionäre Klubisten von sich reden machten. 1777 wurde erneut eine Reform des Kurmainzer Schulwesens eingeleitet, doch führte sie nicht zu nennenswertem Erfolg. Im gleichen Jahr verfügte Erthal zur strengen Überwachung des klösterlichen Vermögens erstmals wieder eine restriktive Verordnung gegen die Ordensleute, die er bis dahin eher favorisiert hatte. Ebenfalls ab 1777 kehrte Kurmainz zur Finanz-, Forst-, Bau- und Verwaltungspolitik der vorherigen Regierung zurück. Ab 1778 ließ sich Erthal das Armen-, Spital- und Fürsorgewesen angelegen sein. Etwa von dieser Zeit an war die kurmainzische Staats- und Kirchenführung wieder eindeutig an den Prinzipien einer gemäßigten Aufklärung orientiert.

Besonders deutlich wurde das an der Universitätspolitik. Als langjähriger Rektor kannte Erthal die dringende Notwendigkeit einer umfassenden Neuordnung. Zur Reform hatte er zunächst Maßnahmen angeordnet, die dem Hochschulprogramm seines Vorgängers entgegenstanden. Dann jedoch ließ er von Johann Baptist Horix (†1792), dem Verfasser des Werkes „Concordata Nationis Germanicae“, das 1759 von der römischen Kurie wegen seiner nationalkirchlichen Tendenzen verurteilt worden war, aber dennoch zum Richtungsweiser für den Febronianismus und den Kampf zugunsten einer größeren deutschen Kirchenfreiheit wurde, ein umfangreiches Gutachten über die Mainzer Universität erarbeiten. Den Anlaß dazu gab die für 1777 geplante, dann aber gescheiterte Dreihundertjahrfeier der 1477 gegründeten Mainzer Alma mater. Das Gutachten bestätigte die Dringlichkeit einer weitgehenden Reform. Diese betraf u. a. die Aufbesserung der Finanzen. Pläne, dazu klösterliches Vermögen einzusetzen, wurden schon länger diskutiert. Erthal griff den Gedanken auf und verhandelte mit der römischen Kurie und der kaiserlichen Regierung über die Auflösung von drei Mainzer Klöstern. 1781 erhielt er von beiden Stellen die Genehmigung. Daraufhin ordnete er zugunsten eines Universitätsfonds die Aufhebung der reich begüterten, doch kaum noch lebensfähigen Mainzer Klöster Kartause, Reichklara (Klarissinnen) und Altmünster (Zisterzienserinnen) an. Damit war die Abkehr von seiner konservativen Politik endgültig vollzogen. Dabei hatten der Einfluss seiner als Anhänger der Aufklärung bekannten Brüder Lothar Franz, den Erthal zum Kurmainzer Oberhofmeister und Hofgerichtspräsidenten berief, und Franz Ludwig Karl, seit 1779 Fürstbischof von Bamberg, aber auch seine Sorge, die Geschichte könne ihn als Reaktionär brandmarken, eine Rolle gespielt.

1782 rehabilitierte Erthal Bentzel, er ernannte ihn zum Kurator der Universitäten Mainz und Erfurt und beauftragte ihn, eine grundlegende Neuordnung beider Hochschulen durchzuführen. 1784 legte Bentzel eine „Neue Verfassung der verbesserten hohen Schule zu Mainz“ vor, die bald als eine der modernsten und tolerantesten von Deutschland galt. Die Einführung der neuen Verfassung wurde mit dem glänzenden Restaurationsfest vom 15. bis 18. November 1784 verbunden, zu dem sich in großer Zahl namhafte Gelehrte eingefunden hatten. Viel Aufmerksamkeit erregte es, dass mit der Reform nicht nur neue Wissenschaftszweige eingeführt wurden, sondern auch bekannte Exponenten der Aufklärung einen Ruf erhielten. Dazu zählten die katholischen Theologen Isenbiehl, Anton Joseph Dorsch und Felix Anton Blau. Die beiden letzteren gehörten als entschiedene und konsequente Kantianer zu jenen wenigen Aufklärern im stiftischen Deutschland, die einen aufgeklärten Rationalismus vertraten und die kirchentreue und offenbarungsbejahende Einstellung aufgaben. Beider Schriften wurden ab 1790 von kurmainzischen Kommissionen der Inquisition unterzogen, Dorsch 1791 vom Erzbischof aus seinem Amt entlassen. Er und Blau schlossen sich der Französischen Revolution an, verließen die Kirche und wurden führende Köpfe der Mainzer Republik von 1792/93.

Die Hinwendung Erthals zur katholischen Aufklärung zeigte sich nicht nur im universitären Bereich. Mit Valentin Heimes, den er früh zu Regierungsgeschäften herangezogen hatte und 1779 zu seinem Wormser und 1783 zu seinem Mainzer Weihbischof bestimmte, leitete er zahlreiche kirchliche Reformmaßnahmen ein, ohne jedoch hektischen Übertreibungen zu verfallen. Heimes, seit 1783 auch Präses des Mainzer Priesterseminars, war ein kenntnisreicher und durchsetzungsfähiger Verfechter von Reformen im Sinne der Aufklärung. Zu den vom Erzbischof und seinen Mitarbeitern angestrebten und teilweise durchgeführten kirchlichen Reformen gehörten die Vereinfachung der gottesdienstlichen Handlungen und Riten, die Einschränkung des eucharistischen Segens in den Messen, die Beendigung der Adelsvorherrschaft im Domkapitel, die Lockerung des Abstinenzgebotes und der Zölibatsverpflichtung, die Einschränkung des Wallfahrts- und Prozessionswesens und ähnliche seit längerem verfolgte Ziele.

Ein Teil dieser Reformvorstellungen gehörte auch zum Programm von Heimes auf dem Emser Kongress von 1786. Der von den Erzbischöfen von Mainz, Köln, Trier und Salzburg (Max Franz, Klemens Wenzeslaus, Colloredo) beschickte Kongress, dessen episkopalistisch geprägte Punktation den um die Jurisdiktionsrechte seit der Mitte des 17. Jahrhundert anstehenden Streit zwischen den deutschen Metropoliten und Rom bzw. den Nuntien kulminieren ließ, hatte mehrere politische Ziele. Der Wunsch nach Abstellung der jahrhundertealten Gravamina durch den Ausbau und die Erweiterung der erzbischöflichen Befugnisse war allen vier Metropoliten gemeinsam. Erthal, seit 1785 führendes katholisches Mitglied des Fürstenbundes, sah im Kongress ferner die Chance, seine Mit-Erzbischöfe für das antihabsburgische Bündnis zu gewinnen und dadurch der Kurmainzer Reichspolitik weiteres Gewicht zu geben. Außerdem wollte er sich und seine Kirchenpolitik innerhalb der Germania sacra aufwerten. Beides scheiterte. Es scheiterte auch das Konzept von Heimes, der auf dem Kongress die überragende Persönlichkeit war und durch Annäherung an die Protestanten, z. B. in der Zölibatsfrage, eine von Rom stärker unabhängige Nationalkirche unter der Führung des Erzbischofs von Mainz schaffen wollte. Die Mainzer Pläne und das Emser Programm stießen auf den Widerstand des stiftischen Deutschland und schufen in Rom erhebliche Irritation und Verärgerung.

Durch die Wahl von Karl Theodor von Dalberg zum Mainzer Koadjutor mit dem Recht der Nachfolge im Jahre 1787 bahnte sich wieder der Ausgleich an. Es kam zu Verhandlungen zwischen Mainz und der römischen Kurie, die zu einem Kompromiss führten, der die Beziehungen beider in der Folgezeit vor größeren Belastungen bewahrte. Das hatte seine Ursachen auch darin, dass die 1789 von Erthal in Anlehnung an die Synode von Pistoia ausgeschriebene Mainzer Synode nie zusammentrat und im gleichen Jahr die Französische Revolution ihren Anfang nahm. Letztere löste für das Erzbistum und den Kurstaat grundlegende Veränderungen aus. 1792 kapitulierte die bischöfliche Residenzstadt kampflos vor den französischen Revolutionstruppen. Bald danach verzichtete der Klerus auf seine Privilegien, und die alte Mainzer Landesregierung wurde durch eine provisorische allgemeine Administration abgelöst. 1793 rief der „Rheinisch-Deutsche Nationalkonvent“ das Land „zwischen Landau und Bingen“ zum „Rheinisch-Deutschen Freistaat“ aus, der sich als sog. Mainzer Republik an das revolutionäre Frankreich anschloss.

Nachdem die Reichsfürsten noch im Juli 1792 im Anschluss an die Kaiserkrönung im Mainzer kurfürstlichen Sommerschloss Favorite rauschende Feste gefeiert und den Reichskrieg gegen das revolutionäre Frankreich beschlossen hatten, flüchtete Erthal Anfang Oktober vor den französischen Truppen nach Erfurt. Von dort aus verfolgte er den weiteren Verlauf der Dinge. 1793 konnte das besetzte Mainz nach langer Belagerung und schweren Bombardements noch einmal genommen werden. Im September 1793 und dann noch einmal im Juni 1794 kehrte Erthal für wenige Tage in seine Bischofsstadt zurück. Am 12. Juni 1794 verließ er diese für immer und nahm in Aschaffenburg Residenz. Er erlebte noch die abermalige Kapitulation von Mainz vor den französischen Truppen 1797, die Ausweisung von Weihbischof Heimes 1799, die Zerschlagung des über tausendjährigen Erzbistums und die Errichtung eines neuen linksrheinischen und zu Frankreich gehörenden Bistums Mainz 1802 sowie schließlich die beginnende Säkularisierung des alten Erzstiftes. Enttäuscht resignierte der letzte Mainzer Erzbischof und Kurfürst am 4. Juli 1802. Er starb am 25. Juli 1802 in Aschaffenburg. In der dortigen Stiftskirche St. Peter und Alexander hat er seine Ruhestätte gefunden.

Friedhelm Jürgensmeier

Text aus: Gatz, Erwin (Hg.), Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches. Ein biographisches Lexikon. Teil: 1648 bis 1803, unter Mitw. von Stephan M. Janker, Berlin: Duncker und Humblot 1990, S. 95–99. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

 

Weitere Literatur:

  • Duchhardt, Heinz, Friedrich Karl Joseph von Erthal (1719–1802), Karl Theodor von Dalberg (1744–1817) und das Ende von Reichskirche und Reich, in: Felten, Franz J. (Hrsg.), Mainzer (Erz-)Bischöfe in ihrer Zeit (= Mainzer Vorträge 12), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2008, S. 103–121.