Wenn wir Firmung feiern und auch an die eigene Firmung denken, sollte dies eine Verjüngungskur des Glaubens sein

Predigt von Bischof Peter Kohlgraf beim Pontifikalamt am Hochfest Pfingsten, Dom zu Mainz, Sonntag, 28. Mai 2023, 10 Uhr

ein Herz an die Wand malen (c) S.Kobold | stock.adobe.com
Datum:
So. 28. Mai 2023
Von:
Bischof Peter Kohlgraf

Bedeutet Ihnen Ihre Firmung etwas? Oder vermissen Sie etwas, sollten Sie das Sakrament der Firmung nicht empfangen haben? Im Sakrament der Firmung wird den Menschen Gottes Geist zugesagt und geschenkt. In der Frühzeit der Kirche war dieses Geistsakrament auch zeitlich eng mit der Taufe verbunden. Bereits das Neue Testament kennt eine eigene Sendung des Geistes durch die Handauflegung der Apostel (Apg 8,16f.). Was wird dort zusätzlich zur Taufe geschenkt? Offenbar musste der Geist noch zusätzlich geschenkt werden, da die „Getauften noch keine Auswirkungen der Geistesgabe (durch die Taufe) wie Bekennermut und mitreißende Begeisterung“ zeigten: „Etwas bereits Grundgelegtes muss geweckt und geöffnet werden.“ (Theodor Schneider) (1)

Für mich als Bischof gehören die Firmspendungen in den Gemeinden und anderen Kirchorten zu den schönsten Terminen im Kalender. Ich begegne dort in der Regel jungen Menschen mit Erwartungen, die sie vielleicht gar nicht klar in Worte fassen können. Ist es etwa Neugier oder immer noch ein Stück Gewohnheit? Ist die Erfahrung von Gemeinschaft im Vorfeld der Firmung für einige Jugendliche wichtiger als das eigentliche Sakrament? Für manchen steht die Familie dahinter, für andere nicht. Mittlerweile kommt es vor, dass Jugendliche keinen Paten oder keine Patin mehr finden, die sie im Glauben begleiten. Die wenigsten bringen noch kirchliche Erfahrungen mit. Klagen hilft hier nicht. Vielleicht ist die Situation heute anders als in der Apostelgeschichte. Es gibt aber auch Parallelen. Bei all diesen Jugendlichen (und es gibt auch immer wieder Firmungen von Erwachsenen) ist in der Taufe etwas grundgelegt, was sich häufig aus ganz unterschiedlichen Gründen nicht entfaltet hat oder entfalten konnte. Mitreißende Begeisterung empfinden die meisten nicht für den Glauben, aber sie begeistern sich für etwas. Schaut man genau hin, sind die Themen der jungen Menschen gar nicht so weit weg von den Inhalten, die zahlreichen Menschen in der Kirche und mir als Bischof wichtig sind. Sie engagieren sich für den Erhalt der Schöpfung, weil sie sich Sorgen um die Zukunft machen. Sie suchen oft nach beruflichen Perspektiven, die ihnen Erfüllung geben. In Liebe, Partnerschaft und im Hinblick auf Familie sehnen sie sich nach Verlässlichkeit, nach Annahme und danach, in ihren Fragen ernstgenommen zu werden. Sie sehen mit Entsetzen auf die Kriege und suchen nach einer friedlichen Welt. Sie wollen ein Leben, dessen Wert nicht nur auf Leistung beruht, sondern angenommen ist in seiner Vielfalt, in seiner Schönheit sowie in seinen Begrenzungen. Ich versuche bei den Firmungen genau dies zu sehen. Da stehen Menschen mit Zukunft, Einmaligkeit, Schönheit und Träumen von ihrem Leben und einer guten Welt. Und dann darf ich ihnen die Hand auflegen, sie salben. Und ich schaue ihnen ins Gesicht. Sie sind in diesem Augenblick der wichtigste Mensch, um sie geht es. Um Dich geht es, denke ich, um Dein Leben, Deine Freuden und Hoffnungen, Deine Sorgen und Ängste. In der Handauflegung will Gott Nähe schenken, aber auch in das Leben des Menschen eingehen. Wenn Eltern Kinder die Hand auf den Kopf legen, sagen sie: „Ich mag dich; Ich beschütze dich; Ich wünsche dir viel Kraft. (2) Anschließend wird der Firmling gesalbt: „Dein Schwäche soll überwunden werden, dein Glaube, deine Hoffnung und deine Liebe sollen ganz stark werden. Du sollst den vielen Anfechtungen durch das Böse gewachsen sein.“(3) Bedeutet Ihnen Ihre Firmung etwas? Oder vermissen Sie etwas, sollten Sie das Sakrament der Firmung nicht empfangen haben? Das habe ich anfangs gefragt. Gott hat mir seinen Geist zugesprochen und sich fest mit mir verbunden – ich gehöre zu ihm. Ich stehe vor ihm mit meinen Freuden und Hoffnungen, Träumen, Sorgen und Ängsten. Ich bin und bleibe in seinem Blick. Er berührt meinen Kopf, salbt und stärkt, tröstet und erfreut mich durch seinen Geist. Durch die Firmspendungen als Bischof habe ich die eigene Firmung neu schätzen gelernt. Im Jahr 2019 hat Papst Franziskus das nachsynodale Schreiben der Jugendsynode veröffentlicht. Ich musste daran denken, denn der Geist Gottes ist die Bedingung dafür, dass die Kirche jung bleiben kann. Ich will daraus zitieren: „Jung zu sein ist weniger eine Frage des Alters, als vielmehr ein Zustand des Herzens. Eine alte Institution wie die Kirche kann sich also erneuern und in verschiedenen Phasen ihrer langen Geschichte wieder jung werden. Tatsächlich hört sie in ihren tragischsten Momenten den Ruf, zum Wesentlichen ihrer ersten Liebe zurückzukehren. (…) Bitten wir den Herrn, er möge die Kirche von denen befreien, die sie alt machen, sie auf die Vergangenheit festnageln, bremsen und unbeweglich machen wollen. Bitten wir auch, dass er die Kirche von einer anderen Versuchung befreie: zu glauben, dass sie jung ist, wenn sie auf alles eingeht, was die Welt ihr anbietet; zu glauben, dass sie sich erneuert, wenn sie ihre Botschaft verbirgt und sich den anderen anpasst. Nein. Sie ist jung, wenn sie sie selbst ist und wenn sie die immer neue Kraft des Wortes Gottes, der Eucharistie, der Gegenwart Christi und der Kraft seines Geistes jeden Tag empfängt. Sie ist jung, wenn sie fähig ist, immer wieder zu ihrer Quelle zurückzukehren. Es ist wahr: Wir Mitglieder der Kirche dürfen keine seltsamen Gestalten sein.“(4) Ließe sich behaupten, dass die Geistesgabe die Jugend der Kirche bewahrt? Mit welcher Kirche kommen junge Menschen in Berührung? Mit seltsamen Gestalten? Mit Menschen, die in ihrem Herzen ausschließlich alten Formen und Ideen anhangen? Sie begegnen Menschen, die nichts mehr träumen und erhoffen, aber auch denen, die jede neue Idee mit dem Wehen des Heiligen Geistes verwechseln, ohne Begeisterung oder Feuer auszustrahlen. In vielen Diskussionen in den letzten Jahren ist mir bewusst geworden, wie wichtig Vorbilder sind, die andere mit ihrer Begeisterung für jemanden oder etwas anstecken können. Häufig wissen diese Personen gar nichts von ihrer Fähigkeit. In Bezug auf mein eigenes Leben könnte ich einige solcher Menschen benennen. Sie brannten für etwas, manchmal brannten sie für den Glauben, weil sie etwas weitergaben, was sie selbst erlebt haben: Gott berührt Menschen, er will bei ihnen sein und bleiben. Jeder einzelne Mensch ist Gott unendlich wichtig. Wenn wir Firmung feiern und auch an die eigene Firmung denken, sollte dies eine Verjüngungskur des Glaubens sein. Jeder einzelne Mensch braucht Gottes Geist, der neues Leben einhaucht. Die Kirche braucht diesen Geist, diese Kirche, die im Herzen oft so alt geworden ist. Unsere Welt braucht diesen Geist, der Totem Leben einhaucht, Hoffnung und Perspektiven gibt. Firmung ist bedeutungs- und anspruchsvoll, denn Gott nimmt in die Pflicht. Gottes Gabe ist zugleich Aufgabe.(5) Es gilt, an der Welt mitzuarbeiten, in die Gott uns Menschen gestellt hat. Es geht um die Gestaltung einer Welt des Friedens, einer Welt, in der die Schöpfung Gottes Zukunft hat, in der Menschen leben können und angenommen werden. Eine Welt, die geprägt ist von Verlässlichkeit und gegenseitiger Achtung. Wir gestalten eine Welt, in der Menschen nicht nach Herkunft, Geschlecht oder Leistung bewertet werden, sondern Raum für Zukunft und Entfaltung gegeben wird. Bedeutet Ihnen Ihre Firmung etwas? Oder vermissen Sie etwas, sollten Sie das Sakrament der Firmung nicht empfangen haben? Die Frage geht nicht nur in Richtung sentimentaler Erinnerung, sondern zielt darauf, die eigene Jugend, die Jugend der Kirche und der Welt zu erneuern. Wenn wir die Frage bejahen, ist dies die Einladung zu den Quellen des Lebens und des Glaubens zu gehen, zu Gott selbst. Ich erkenne mich durchaus wieder in dem Satz: Die „Getauften (zeigten) noch keine Auswirkungen der Geistesgabe (durch die Taufe) wie Bekennermut und mitreißende Begeisterung. Etwas bereits Grundgelegtes muss geweckt und geöffnet werden.“ Ich bitte heute den Geist, er möge neue Begeisterung, Hoffnung und Jugend schenken. Mir bedeutet die Firmung immer mehr, gerade in diesen Zeiten. Möge der Geist wecken, was in uns Menschen und in der Kirche an Gutem grundgelegt ist, möge er Erneuerung schenken.

 

**************************************************

  1. Viele der folgenden Gedanken verdanke ich Theodor Schneider, Martina Patenge, Sieben heilige Feiern. Eine kleine Sakramentenlehre, Kevelaer 2004, S. 55-82.

  2. S. 71.

  3. Ebd.

  4. Christus vivit, S. 34-36.

  5. Schneider, Patenge, S. 72.