Gutachten über Kindesmissbrauch

Meinungen von Pfarrer und den PGR-Vorsitzenden

Wolken und Weg (c) Dave Hoefler, unslpash
Wolken und Weg
Datum:
Sa. 29. Jan. 2022
Von:
Pfarrbüro

Liebe Pfarrangehörige

in Biebelsheim, Bosenheim, Hackenheim, Ippesheim, Planig und Volxheim,
am 20. Januar 2022 ist ein weiteres Gutachten über Kindesmissbrauch innerhalb unserer Katholischen Kirche der Öffentlichkeit übergeben worden. In ihm 
stehen nicht die Taten und die Täter im Mittelpunkt. In ihm geht es um das 
Thema, wie sich die Vorgesetzten der Täter verhalten haben. Das Gutachten 
begrenzt sich auf das Erzbistum München und Freising und auf die Jahre seit 
1945. Das Ergebnis zeigt, dass dort seit 1945 ausnahmslos alle Erzbischöfe 
und ausnahmslos alle Generalvikare, also die direkten Vorgesetzten der Diözesanpriester, die Täter nicht bestraft haben, obwohl das Kirchenrecht es verlangt hätte. Sie haben die Täter nicht bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Sie haben die Täter in Gemeinden und an Schulen geschickt, ohne weitere Straftaten zu verhüten. Dagegen führten die gleichen Vergehen, dann wenn sie von Laien im kirchlichen Dienst wie Lehrern oder Hausmeistern verübt wurden, zu einer angemessenen Reaktion durch die Münchner Bistumsleitung. Nur Priestertäter konnten sich sicher sein, ihr Amt nicht zu verlieren. In keinem Fall wurde für Kinder, Jugendliche, Familien und Pfarrgemeinden Sorge getragen.

Das Gutachten enthält die Stellungsahmen der drei noch lebenden Erzbischöfe 
von München und Freising. Reinhard Marx gibt an, sich mit den ihm gemeldeten Fällen von Missbrauch nicht weiter befasst zu haben, sondern sie seinen 
Mitarbeitern in der Behörde überlassen zu haben. Friedrich Wetter schreibt, 
dass ihm zu damaliger Zeit anders als heute nicht klar gewesen sei, wie verheerend solche Taten für die Kinder und Jugendlichen sind. Josef Ratzinger 
zeigt keine selbstkritische Reflexion seiner damaligen Amtsführung, keine 
Reue, kein Schuldeingeständnis, kein Sündenbewusstsein.

In dieser tiefen Krise erscheint es mir wichtig, dass die Menschen in der Kirche 
das Wort ergreifen und sich darüber austauschen, was sie bewegt und was sie 
an Veränderung in ihrer Kirche wollen. Die beiden Pfarrgemeinderatsvorsitzenden und ich laden Sie deshalb für Sonntag, den 6. Februar 2022, 16 Uhr, ganz 
herzlich zu einer Gesprächsveranstaltung in die große Kirche von Hackenheim 
ein. Es wäre schön, wenn viele von Ihnen teilnehmen!

Mit herzlichem Gruß
Ihr Pfarrer Dr. Georg Rheinbay

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Bin ich auf dem richtigen Weg?! Bleibe ich Mitglied in dieser Kirche?!

Nicht erst seit Veröffentlichung des Münchener Missbrauchstgutachten gelangen 
schwere Verbrechen an Menschen ans Tageslicht, werden gravierende Versäumnisse 
zur Feststellung und Aufklärung in der Kirchenführung offenbar, wird systematische 
Vertuschung aufgedeckt, wird der priesterliche Zusammenhalt des Klerus deutlich. Es 
wird auch nicht das letzte Missbrauchsgutachten sein, das an die Öffentlichkeit gelangt. 
Das eigenständige Arbeitsrecht der katholischen Kirche aufgrund des sogenannten 
Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrecht taucht seit Jahren immer wieder in den 
Medien auf. Sobald Arbeitnehmer nicht mehr den kirchlichen Glaubens- und Moralvorstellungen entsprechen, ist eine Kündigung schnell ausgesprochen. Menschen werden gegebenenfalls erst gar nicht eingestellt. Der Limburger Finanzskandal ist noch im 
Gedächtnis. Außerdem sind die veraltete Sexualmoral und der Stand der Frau in der 
katholischen Kirche anzuführen. Eine Vielzahl der Menschen, die noch in der Kirche 
sind, nehmen die Angebote nicht mehr wahr: Sakramentenempfang, seelsorgerische 
Angebote, interessierte Auseinandersetzung mit den Grundlagen unseres Glaubens. 
Eine große Zahl an Menschen befindet sich in der Grauzone zwischen Zugehörigkeitsgefühl und Entfremdung. Warum soll ich also bleiben? Da gibt es keine sachliche Argumentation. Es bleibt mir nur ein emotionales Argumentieren. Die katholische Kirche, die sich auf Jesus Christus mit ihrer christlichen Botschaft bezieht, vermittelt Werte für ein verantwortungsbewusstes und achtungsbezogenes Leben gegenüber sich selbst und den anderen, wie zum Beispiel die Nächstenliebe. Die Nächstenliebe versteht sich als eine unvoreingenommene Hinwendung zu jedem Menschen, der einem gegenüber steht, was mitunter sehr schwer und sehr herausfordernd ist. Der Glaube kann in ihr erwachsen werden. Er bleibt nicht beim Anblick der Krippe hängen. Der Glaube kann mit Unterstützung theologisch ausgebildeter Personen wachsen und hinterfragt werden. 

Öffentliche und mutige Kritik von Menschen, die in der Kirche bleiben und sich einbringen, ist in diesen Tagen absolut notwendig und wichtiger denn je! Wer sich von unserer 
Kirche verabschiedet, erneuert sie nicht.Es gibt hunderttausende Menschen in 
Deutschland, die sich ehrenamtlich kirchlich engagieren und anderen Gutes tun, beispielsweise in der Seelsorge für Jung und Alt, in Freizeiten, Beratungsstellen, auf der 
Straße und in der Pflege. Diese Menschen gilt es zu unterstützen mit einem Verbleib in 
der Kirche. Es gilt sich selbst einzubringen.
In der Kirche kann ich mich mit Jesus Christus auseinandersetzen. Mit Unterstützung 
der Kirche kann ich meinem Nächsten mit einem christlichen Verständnis gegenübertreten und christlich handeln und die Gesellschaft mitgestalten.

Bettina Bierther, PGR-Vorsitzende Hackenheim / Volxheim

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Ist die katholische Kirche noch christlich?

Wir berufen uns in unserem Glauben auf Jesus Christus, dem was er uns verkündet 
hat und glauben an seine Verheißungen. Das zentrale Element Jesu Botschaft ist die 
Liebe: Die Liebe Gottes zu den Menschen, die Nächstenliebe sowie die Liebe zu sich 
selbst. Gott liebt uns bedingungslos mit all unseren Fehlern und nimmt uns so an wie 
wir sind. Diese befreiende Botschaft Jesu war und ist überwältigend hoffnungsvoll und 
ein Grund zur tiefen Freude für uns alle! 

Wenn ich derzeit jedoch über meinen Glauben und die damit unmittelbar verknüpfte 
katholischen Kirche nachdenke, fällt es mir sehr schwer, Kirche als Orientierungshilfe 
im Leben und Quelle der Freude und Kraft zu sehen. Statt Freunde und Dankbarkeit zu 
empfinden, fühle ich vermehrt Scham, Betroffenheit und eine gehörige Portion Wut. Ich 
fühle, dass ein kleiner elitärer und in sich geschlossener Kreis, der sogenannte Klerus, 
meinen Glauben und meine Motivation, mich für die Kirche einzusetzen, fundamental 
auf die Probe stellt.

Uns katholischen Christen wird das Leben schon seit langer Zeit seitens der Institution 
„katholische Kirche“ sehr schwer gemacht. So schwer, dass mittlerweile manch einer 
bewusst vermeidet, sich als katholisch zu „outen“. Die Hiobsbotschaften aus der katholischen Kirche reißen nicht ab. So zeigt das jüngst veröffentlichte Münchner 
Missbrauchsgutachen klipp und klar, dass hier Vertuscher und Wegschauer auf verantwortlicher Ebene nicht die Minderheit sind, sondern sich ausnahmslos alle schuldig 
gemacht haben. 

Kindesmissbrauch, Diskriminierung der Frauen, Diskriminierung und Ausschluss nicht 
heterosexuell Orientierter, Ausschluss Wiederverheirateter: die Liste leiderzeugender 
Ungerechtigkeiten ist erdrückend lang und zeigt die menschenverachtende Seite der 
katholischen Kirche schonungslos auf.

Auch gerade in der jetzigen von existenziellen Nöten und tiefer Verunsicherung geprägten Zeit nimmt die Kirche Ihre Verantwortung nicht wahr. Wo waren Stimmen der 
Moraltheologen, welche die Politiker beim finden eines Konzeptes zum sozialverträglichen Umgang mit der Pandemie unterstützen? Wo waren die Bischöfe, als Menschen 
in den Heimen und Krankenhäusern als Folge der Coronabekämpfungsverordnung 
alleine gestorben sind? Welche klerikale Spitzenkraft hat sich für die Menschen in einsamer Agonie eingesetzt und gegen das Besuchsverbot geklagt? Die wichtige Stimme 
der Kirche war und ist in dieser Situation nicht ausreichend hörbar.

Die Bewältigung der Vergangenheit ist in der katholischen Kirche ein Desaster, in der 
Gegenwart zeigt sie sich erstarrt und nimmt Ihre Verantwortung nicht wahr. Wenn man 
sich darüber hinaus all die theologisch nicht begründbaren strukturellen und personellen Exzentriken vor Augen führt, dann ist die katholische Kirche nicht zukunftsfähig.

Verständlicher Weise wenden sich viele Menschen von der katholischen Kirche ab. Ist 
der Austritt vielleicht sogar der einzige Weg, das versagende System der katholischen 
Kirche zu verändern? Gibt es für uns Katholiken auch innerhalb der Institution Möglichkeiten, den Kurs der Kirche zu korrigieren? Auch wenn wir „einfachen Katholiken“ nicht die Macht haben, inakzeptable Strukturen und substanzlose Grundsätze der Kirche 
direkt zu verändern, haben wir eine große Chance: Besinnen wir uns auf die christlichen Grundwerte, vertreten wir deutlich unsere Meinung, zeigen wir insbesondere unserer katholischen Kirche, dass wir die Christen sind.

Lothar Hesse, PGR-Vorsitzender Biebelsheim, Bosenheim, Ippesheim und Planig