Schmuckband Kreuzgang

Kreuzweg

Katholische und evangelische Christen gingen gemeinsam

2022-04-20_Kreuzweg-Titel (c) Hanna von Prosch
Datum:
Mi. 20. Apr. 2022
Von:
Hanna von Prosch in der „Wetterauer Zeitung“

Erstmals sind am Karfreitag katholische und evangelische Christen einen gemeinsamen Kreuzweg zwischen Schwalheim und Bad Nauheim gegangen. An sechs Stationen gedachten sie in Form einer zeitgemäßen Prozession des Leidenswegs Christi. Mehr als 50 Menschen erwanderten ihre ganz persönliche »via dolorosa« und nahmen sich gegenseitig das Kreuz ab. Es waren keine 14 Stationen wie beim traditionellen katholischen Kreuzweg, sondern sechs, ohne bildhafte Darstellung, aber zum Hören, Singen, Beten, Innehalten. Die Gläubigen kamen mit Kind, Hund, Fahrrad, ein über 90-Jähriger mit Wanderstöcken.

Ein Weg der Sorgen und der Freuden

Der Weg führte von der evangelischen Kirche in Schwalheim vorbei am Wasserrad, durch die Wiesen zum Reimerhof, dann zu den Gradierbauten in Bad Nauheim und bis zur Dankeskirche, um in St. Bonifatius den Abschluss zu erleben. Es war ein Weg der Sorgen und Freuden, der Ohnmacht und der Hoffnung, ein Weg des Verstehens und des Gesprächs mit Gott und untereinander.

Die Anregung war aus dem Gottesdienst-Team der evangelischen Kirchengemeinde Schwalheim/Rödgen gekommen, um den gerade zusammenwachsenden Kooperationsraum auch ökumenisch mit Leben zu füllen. Die Pfarrerinnen Anne Wirth und Meike Naumann sowie der katholische Pfarrer David Jochem Rühl waren sofort begeistert. »Das ist ein schönes Zeugnis ökumenischer Verbundenheit gerade in einer Zeit, in der es Kirche schwer hat, zu überzeugen«, sagte Rühl. Wegen der sich zeitlich überschneidenden Hauptliturgie am Karfreitag konnte er selbst nicht mitgehen, empfing die Prozession aber an der letzten Station.

So etwas hatten sie noch nie gesehen

Viele Feiertagsspaziergänger drehten sich um zu der Gruppe mit dem Kreuzträger, manche lauschten den Liedern, einige fotografierten, begrüßten Mitgänger und bekundeten Zustimmung, ganz wenige zeigten Unverständnis. Man konnte allein gehen und seine eigenen Gedanken tragen, man konnte sich auf dem Weg auch unterhalten über das Gehörte, über Persönliches.

Das Kreuz, aus dünnen Baumstämmen gebunden, war Symbol und Realität in einer schwierigen Zeit zugleich. Das Leid ertragen und die Last spüren, dann aber erfahren, da ist jemand, der einem tragen hilft oder es gar abnimmt, das war eine einprägsame Erfahrung - für Hans-Winfried Auel, der es als Erster trug, und für Alexander Jung, der es an die Pfeiler der Bonifatiuskirche lehnte, und für die anderen Kreuzträger.

Die Stationen standen unter verschiedenen Themen: begrenzt, belastet, bloßgestellt, gehalten, umarmt, erleuchtet. »Jesus faltet in der Stunde der Not die Hände. Er ballt sie nicht zur Faust. Wann haben wir die Hände zum Gebet gefaltet, haben die Machtlosigkeit ausgehalten?«, fragte Prädikant Auel zu Beginn. Pfarrerin Meike Naumann machte deutlich, dass auch eigener Zweifel zur Last werden könne: »Gott hilft, das Schwere zu tragen und das Leichte wahrzunehmen.«

Ein Gefühl von Aufbruch

An der vierten Station ging es um Vertrauen, wie Marita Kanne verdeutlichte: »Jesus spricht in der Todesstunde Gott sein Vertrauen aus. Vater, in Deine Hände lege ich meinen Geist. Da ist jemand, der dich an die Hand nimmt und aus der Krise führt - dem du vertrauen kannst, der dich aus deinen Sorgen zieht.«

Am Ende der Kartage stehe mit dem Ostermorgen das Licht, versicherte Anne Wirth zum Abschluss: »Die Natur schenkt uns ein Gefühl von Aufbruch. Das bedeutet Kraft für Kopf und Herz. Man spürt, dass die Verwandlung begonnen hat.«

Die Prozessionsgruppe dankte für dieses bewegende Erlebnis. Das Organisationsteam signalisierte, dass der Kreuzweg im kommenden Jahr fortgesetzt werden solle, eventuell zu einer anderen Uhrzeit, damit sich noch mehr katholische Christen beteiligen könnten.

Mehr als 50 Menschen erwanderten ihre ganz persönliche »via dolorosa« (c) Hanna von Prosch